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Hambacher Fest – Max Otte: "Es herrschen zensurähnliche Zustände"


Neues Hambacher Fest
Max Otte: "Es herrschen zensurähnliche Zustände"

  • Johannes Bebermeier
InterviewEin Interview von Johannes Bebermeier

Aktualisiert am 05.05.2018Lesedauer: 8 Min.
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Das Hambacher Schloss bei Neustadt an der Weinstraße: Hier fand 1832 das Hambacher Fest statt, und hier wird am 5. Mai 2018 das "Neue Hambacher Fest" von Max Otte stattfinden.Vergrößern des Bildes
Das Hambacher Schloss bei Neustadt an der Weinstraße: Hier fand 1832 das Hambacher Fest statt, und hier wird am 5. Mai 2018 das "Neue Hambacher Fest" von Max Otte stattfinden. (Quelle: Ronald Wittek/dpa)

Max Otte ist Ökonom, CDU-Mitglied und hat zuletzt AfD gewählt. Jetzt lädt er "demokratische Systemkritiker" wie Jörg Meuthen und Thilo Sarrazin aufs Hambacher Schloss zum Neuen Hambacher Fest ein. Warum macht er das?

Es ist eine gewaltige historische Anleihe, die Max Otte für sich und seine Veranstaltung beansprucht: Das Hambacher Fest im Jahr 1832 war einer der Höhepunkte des bürgerlichen Widerstands zu Zeiten der Fürstenherrschaft. Mehr als 20.000 Menschen demonstrierten damals auf dem Hambacher Schloss für Meinungsfreiheit und nationale Einheit und gegen Zensur und Unterdrückung.

Am Samstag, 5. Mai, veranstaltet Max Otte nun das "Neue Hambacher Fest". Eingeladen hat er "demokratische Systemkritiker", wie er sagt: etwa den Autor des umstrittenen Buches "Deutschland schafft sich ab", Thilo Sarrazin, den AfD-Chef Jörg Meuthen, die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld oder den Islamkritiker Imad Karim.

Max Otte, 53 Jahre alt, ist Ökonom. Seine Professur an der Universität Worms ruht derzeit, dafür leitet er unter anderem das von ihm gegründete Institut für Vermögensentwicklung. Bekannt wurde er 2006 mit seinem Buch "Der Crash kommt", in dem er die US-Immobilienkrise vorhersah, die später die große Finanz- und Schuldenkrise auslöste.

Vor der Bundestagswahl 2017 erregte er erneut Aufmerksamkeit, weil er ankündigte, die AfD wählen zu wollen – obwohl er selbst CDU-Mitglied ist. Die Politik Angela Merkels bezeichnete er damals als "Katastrophe", besonders die Euro-Rettung und die Flüchtlingspolitik.

Für Samstag nun erwartet Otte 1.200 Gleichgesinnte auf dem Hambacher Schloss – nicht über 20.000 wie beim historischen Hambacher Fest. Unter anderem der Brandschutz lässt nicht mehr zu, sonst hätten es noch mehr sein können, sagt er.

Warum Otte glaubt, dass es ein "Neues Hambacher Fest" braucht, was ihn an unserer Demokratie und den Medien stört und wieso er den ungarischen Staatschef Viktor Orban gut findet – das erzählt er im Interview.

Herr Otte, nehmen Sie uns mit ins Jahr 1832. Damals fand das Hambacher Fest statt. Wofür steht es für Sie?

Ich kenne das Hambacher Schloss, wo das Fest stattfand, seit meiner Jugend. Meine Mutter ist Pfälzerin. Eine gute Freundin von ihr hat dort in Neustadt an der Weinstraße einen Apfelhof betrieben. Meine Mutter selbst hat einen Weinberg in der Nähe. Der Ort hat mich schon immer fasziniert. Das Hambacher Fest ist für mich eine demokratische Erhebung der Bürger. Sie wehrten sich gegen Zensur und Fürstenherrschaft. Es ist wirklich die Geburtsstunde der Demokratie in Deutschland.

Einverstanden. Allerdings haben wir 2018, und es gibt bei uns weder Zensur noch Fürstenherrschaft. Warum feiern Sie am 5. Mai das "Neue Hambacher Fest"?

Es herrschen sehr wohl zensurähnliche Zustände. Staatliche Zensur per Gesetz wie früher gibt es zwar nicht mehr. Aber es gibt eine sehr stark lückenhafte Darstellung in den Medien etwa zur Flüchtlingskrise und zu Syrien. Die Fürstenherrschaft war eine Herrschaft von oben, die nicht demokratisch legitimiert war. Das sehe ich heute wieder.

Wir haben keine Demokratie mehr? Glauben Sie das wirklich?

Die Demokratie ist stark eingeschränkt. Das kann man daran festmachen, wie wenige der Lebensfragen Deutschlands noch im Bundestag entschieden werden. Das sind aus meiner Sicht unter 20 Prozent. Wir haben ein politisches System, in dem von unseren Steuergeldern bezahlte Funktionäre die Dinge oft unter sich ausmachen und uns Bürger gern vergessen. So wie früher im Ostblock. Banken, Konzerne, Lobbys und die Europäische Union haben zu viel Macht.

Was stört Sie denn konkret an der EU? Allein wäre Deutschland auf der internationalen Bühne doch verloren.

Europa ist unsere Zukunft. Wir kommen ohne die EU nicht aus. Aber wir müssen die EU reformieren. Die deutsche Vorstellung war immer ein föderales Europa. Das haben wir nicht. Föderal heißt: die EU entscheidet über die wichtigen übergreifenden Themen wie die Verteidigungspolitik, den Schutz der Außengrenzen oder die Kartellpolitik. Föderal heißt gleichzeitig: subsidiär. Dinge wie etwa die Wirtschaftspolitik oder die Kulturpolitik müssen von den Nationalstaaten entschieden werden. Außerdem muss endlich die Stimme jedes EU-Bürgers bei der Wahl zum Europaparlament gleich viel Wert sein. Ein Luxemburger hat derzeit wesentlich mehr Gewicht als ein Deutscher, weil sich die Zahl der Abgeordneten eines Landes nicht nach der Einwohnerzahl richtet.

Sie behaupten, es gäbe "zensurähnliche Zustände" in Deutschland. In einem Text zum "Neuen Hambacher Fest" schreiben Sie von einer "Desinformationswirtschaft". Wo sehen Sie die?

Es werden etwa Bücher-Bestsellerlisten manipuliert. Bücher, die eindeutig nicht gesetzeswidrig sind, werden von großen Buchhandelsketten boykottiert. Desinformation findet auch in den Mainstreammedien etwa durch Vorverurteilung statt. Da wird sofort ein angeblich Schuldiger präsentiert, wie zuletzt bei dem mutmaßlichen Giftgasanschlag in Syrien. Zum anderen gibt es selektive Berichterstattung. In der Flüchtlingskrise wurden etwa meistens Familien und Kinder gezeigt, obwohl die meisten Flüchtlinge junge Männer waren.

Nun, Sie kommen hier gerade ausführlich zu Wort. Zugleich wollen Sie eine "Spiegel"-Journalistin nicht aufs "Neue Hambacher Fest" lassen, weil Sie sich über einen Text von ihr geärgert haben. Sind das keine "zensurähnlichen Zustände"?

Zensurähnlich heißt für mich, dass es keine Berichterstattung gibt. Das ist ja nicht der Fall. Es kommen rund 30 Pressevertreter, darunter sicher auch viele, die unserem Fest kritisch gegenüberstehen. Eine Journalistin, die sachliche Fehler macht und mich im Artikel neben dem AfD-Politiker Björn Höcke abbildet – die brauche ich nicht. Das ist unter der Gürtellinie.

In Ihrem Text schlagen Sie als Mittel gegen die "Desinformationswirtschaft" vor, die Politik müsse "einfache und klare Regeln einführen". Den Akteuren, "die mit heißer Luft und der Unwissenheit vieler Menschen so viel Geld verdient haben, muss das Handwerk gelegt werden". Fordern Sie damit nicht genau das, wogegen die Menschen 1832 aufs Schloss gezogen sind: eine staatliche Zensur?

Nein. Klare und transparente Gesetzgebung heißt ja nicht Zensur, sondern es heißt, Regeln zu setzen. Und diese Regeln müssen von der Politik für die Bürger gestaltet werden. Derzeit haben Bürger keine oder nur eine sehr eingeschränkte Lobby. Die Regeln sind oft komplex, von den Lobbys stark beeinflusst und nutzen den Großkonzernen.

Was heißt das denn konkret? Wenn Sie auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk anspielen: Da gibt es doch einen Rundfunkstaatsvertrag. Und in den Rundfunkräten, die den Auftrag überwachen, sitzen nicht nur Vertreter der Politik, sondern auch der unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen.

Aber im Fall der Öffentlich-Rechtlichen gibt es heute, anders als früher, auch die Konkurrenz der privaten Sender, die vom Werbegeld abhängig sind. Der Charakter der Öffentlich-Rechtlichen hat sich verändert, als sie anfingen, sich auch nach Werbegeld zu strecken.

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Wollen Sie also nur noch öffentlich-rechtliche Medien haben, damit es keine private Konkurrenz mehr gibt?

Nein. Es gibt keine einfachen Lösungen. Aber Öffentlich-Rechtliche, die sich auf Information beschränken und Unterhaltung den Privaten überlassen – das wäre schon mal etwas. Ich bin kein Feind des Öffentlich-Rechtlichen, wenn er durch ein Gesetz geregelt ist und der Auftrag klar ist.

Es gibt ja einen klaren Auftrag: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll mit seinem Programm "zur Information, Bildung, Beratung, Kultur und Unterhaltung einen Beitrag zur Sicherung der Meinungsvielfalt und somit zur öffentlichen Meinungsbildung" leisten. Oder meinen Sie, dass die Politik auch bei den Inhalten mitreden soll?

Nein. Aber Information muss deutlich im Vordergrund stehen, nach klaren journalistischen Regeln.

Die gibt es: Sorgfalt, Ausgewogenheit, Schutz der Persönlichkeitsrechte – um nur einige zu nennen. Aber wenden wir uns einem anderen Thema zu: Auf Twitter loben Sie immer wieder den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Die EU wirft ihm vor, Demokratie und Rechtsstaat in seinem Land auszuhöhlen. Demokratie und Rechtsstaat sehen auch Sie in Gefahr – nur nicht im Fall Ungarn. Was finden Sie an Orban?

Die Kritik an Orban ist aufgeblasen worden, weil man ihm schaden wollte. Die neue Verfassung Ungarns unterscheidet sich gar nicht so sehr von anderen europäischen Verfassungen, wenn man genauer hinschaut. Ich halte es für richtig, dass Orban sein Land schützt und die Migrationspolitik nicht mitmacht. Es ist das Recht eines Landes auszuwählen, wer kommen darf und wer nicht. Wir brauchen Länder wie Tschechien, Polen und Ungarn, die für mich oft bessere Europäer sind als die Italiener, die Griechen oder die Spanier. Denn Letztere schaffen es nicht, sich zu reformieren, und hängen am Tropf der Nordländer.

Orban ist einer der Gründe, warum es keine Lösung bei der Flüchtlingsverteilung in der EU gibt – weil er sich weigert, welche aufzunehmen. Er hat sich auch geweigert, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Aufnahme von Flüchtlingen umzusetzen. Das müsste Ihnen doch missfallen als jemand, der Rechtsstaatlichkeit fordert.

Eben nicht. Weil das jetzige Europa nur teilweise demokratisch legitimiert ist. Dadurch herrscht auch keine hundertprozentige demokratische Rechtsstaatlichkeit. Solange das so ist, gibt es das Recht zu politischem Widerstand.

Interessant. Wer soll denn darüber entscheiden, welche Urteile man umsetzen muss und welche nicht?

Das ist natürlich schwierig. Ich habe da auch keine einfache Lösung. Aber ich billige einem Staatschef zu, sich im Zweifelsfall querzustellen, um Schaden von seinem Volk abzuwenden.

Orban hat auch die Wahlkreise in Ungarn neu zugeschnitten, sodass seine Partei profitiert. Die Medien stehen unter Aufsicht einer neuen Behörde. Die meisten Regionalzeitungen sind in Hand von Unternehmern, die seiner Partei Fidesz nahestehen. Ist das in Ordnung für Sie?

Nein. Aber ich halte die Situation zum Beispiel in den USA für schlimmer. Das wird viel weniger diskutiert. Die amerikanische Demokratie ist schwer beschädigt. Diese Verfallserscheinungen der Demokratie haben wir leider in vielen Ländern. Wenn ich Griechenland und Ungarn vergleiche, dann ist Ungarn ein Musterknabe und Griechenland ein Sumpf aus Korruption und Selbstbedienungsmentalität.

Orban wird auch scharf dafür kritisiert, in seiner Wahlkampagne den ungarischstämmigen jüdischen US-Milliardär George Soros als Hauptfeind inszeniert zu haben.

Ich habe Soros unterschätzt. Ich glaube inzwischen wirklich, dass er hinter vielen Bewegungen auf der Welt steckt, die er aus welchen Motiven auch immer anstiftet. Und da muss man sich schon fragen, ob seine Einflussnahme durch Nichtregierungsorganisationen, die er finanziert, nicht wirklich eine Gefahr für die Demokratie ist. Die USA machen einen riesigen Aufstand, weil angeblich Russen über Facebook Einfluss auf die US-Wahl genommen haben. Aber die amerikanischen Lobbygruppen sind überall auf der Welt tief in die Gesellschaften eingegraben. Ich habe Verständnis dafür, dass Wladimir Putin in Russland und Orban in Ungarn die Regeln dafür ändern.

Orban hat Soros vorgeworfen, mit einem "Soros-Plan" angeblich Millionen Flüchtlinge ins Land holen zu wollen, um Ungarn zu zerstören. Mithilfe der "Söldner des Spekulanten". Dafür gibt es keinerlei Beweise. Glauben Sie wirklich, dass es diesen Plan gibt?

Ob es da einen Plan gibt, keine Ahnung. Fakt ist aber, dass sich Soros in vielen Fällen eingemischt hat. Und das finde ich sehr bedenklich. Er finanziert Nichtregierungsorganisationen und verfolgt damit bestimmte Ziele. Welche genau, weiß ich nicht. Aber als Investor könnte er zum Beispiel von politischen Umbrüchen profitieren, die er selbst anstiftet. Das ist eine höchst problematische Machtstellung.

Aber auch dafür gibt es keine Beweise, darüber spekulieren Sie nur. Nun haben Sie zum "Neuen Hambacher Fest" viele Redner eingeladen, die den Zustand der Welt ähnlich sehen wie Sie: etwa Thilo Sarrazin, Vera Lengsfeld oder Jörg Meuthen. Eine kontroverse Debatte ist da nicht zu erwarten.

Ich habe natürlich nur Redner eingeladen, die dem System eher kritisch gegenüberstehen. Aber es sind alles Leute mit untadeliger Reputation und sicher keine Demokratiefeinde. Damals auf dem Hambacher Fest trafen sich ja auch die Kritiker des Systems. Es soll keine Jubelveranstaltung werden. Doch ich muss gestehen: Ich habe nur Redner aus FDP, CDU, CSU, parteilose und auch AfD eingeladen. Wenn es ein zweites Fest gibt, dann werde ich Vertreter aus allen im Bundestag vertretenen Parteien einladen. Mal sehen, wer da kommt.

Herr Otte, vielen Dank für das Gespräch.

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