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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Eliten" gegen "normale Bürger" Markus Söders populistische Fingerübung
Vor einigen Wochen versuchte sich Markus Söder an Kritik an "Eliten". Bleibt er dabei, könnte er die politische Kultur Deutschlands radikal verändern.
Die Jamaika-Sondierungen liefen gerade, da äußerte Markus Söder in den ARD-Tagesthemen: "Dieses Jamaika-Projekt darf nicht am Ende ein Projekt von wenigen Eliten werden, sondern muss sich auch um die normalen Bürger kümmern und deren Sorgen." In einer Talkshow sagte er: "Wir brauchen nicht ein Projekt für Eliten, sondern für normale Menschen."
Söder erklärte nie, was er meinte
Große Reaktionen rief seine Aussage nicht hervor und Söder entschied offenbar, dass er mit dieser Botschaft aktuell nicht viel Erfolg haben würde.
Was er damit genau sagen wollte, wen genau er mit "Elite" meinte und wen mit "normalen Bürgern", erklärte er nicht. Mehrere Anfragen blieben unbeantwortet. Aber die Vermutung ist naheliegend: Söder hat mit dem Gegensatz "Eliten" und "normale Menschen" experimentiert, weil er ihm nützen könnte. Einem Gegensatz, der im reinsten Sinne populistisch ist.
"Populismus" ist klar definiert
Oft genug wird der Ausdruck "Populismus" als Kampfbegriff gebraucht. Populistisch wird dann genannt, was man dem Gegner vorwerfen will. Aber es gibt eine sehr klare Definition, die nicht urteilt, sondern hilft, eine politische Strategie zu beschreiben: Entscheidendes Merkmal des Populismus ist, dass ein einfaches, wahres "Volk" gegen eine "Elite" in Stellung gebracht wird.
Die da unten gegen die da oben. "Volkswille" gegen Spezialinteressen. Gesunder Menschenverstand gegen Expertenwissen.
Solcher Populismus kann rechts sein oder links oder nichts von beidem, er kann opportunistisch sein oder ideologisch gefestigt, man kann ihn bejubeln oder verachten: Unabhängig von alldem kann man ihn daran erkennen, dass er gegen "die Eliten" oder "das Establishment" wettert.
Bisher sprach so nur die AfD
Donald Trump redet so, der britische EU-Gegner Nigel Farage redet so, in Deutschland redet die AfD so – die CSU tat es bisher nicht. Überhaupt waren solche Töne in Deutschland bisher nur von der AfD zu hören.
Söder hat das jetzt geändert, auch wenn es allenfalls um populistische Fingerübungen ging. Doch er hat gezeigt, dass er bereit ist, auch diese Strategie der AfD zu übernehmen, um ihr das Wasser abzugraben.
Diese Art, über den politischen Betrieb zu sprechen, ist allerdings problematisch. Sie schürt das Misstrauen gegen gewählte Volksvertreter. Gegen das System. Gegen die Demokratie. Und mehr als Misstrauen: Verachtung. Sie erklärt die "Eliten" zu nicht-normalen Bürgern und es ist genau diese Idee, die Menschen antreibt, wenn sie "Volksverräter" brüllen oder kleine Holzgalgen spazieren tragen.
Vertrauen ist schnell zerschlagen und wächst nur sehr langsam wieder nach. Aber ohne Vertrauen kann ein repräsentatives System nicht funktionieren und ohne irgendeine Art der Repräsentation kann eine Massengesellschaft nicht funktionieren.
Wer soll die "Elite" sein?
Dabei geht es nie um klar definierte Gruppen, wenn "Eliten" oder das "Establishment" kritisiert werden. Der TV-Star und Milliardär Donald Trump, wie der Karrierepolitiker Nigel Farage oder der zwischendurch mit verfassungsändernder Mehrheit regierende Viktor Orban in Ungarn: Sie schimpfen gegen "Eliten", zu denen sie offenbar nicht gehören sollen. Einige Großjournalisten und Großunternehmer tun es auch.
Aber wenn jeder mit noch so viel Geld, Macht, Einfluss, Bildung, Bekanntheit nicht zur "Elite" gehören kann, ist dann "Elite" überhaupt mehr als ein Sündenbock?
Deutsche Identitätspolitik ist noch kein Populismus
Markus Söder sprach in seiner Rede auf dem CSU-Parteitag vieles an, was zur "Eliten"-Kritik passt und was wie eine Annäherung an den Rechtspopulismus im Speziellen klingt.
Er sprach etwa über Heimat und darüber, dass Bayern den Begriff neu belebt habe. Er forderte, sich auf "einheimische Bevölkerung" zu konzentrieren, ging hart mit dem Islam ins Gericht, der in den vergangenen 200 Jahren nichts zur Entwicklung Bayerns beigetragen habe, das ein christliches Land sei.
Das ist erst einmal nur deutsche Identitätspolitik, kein Populismus.
Eher populistisch wurde es, als Söder wieder und wieder Spitzen gegen Medien einbaute: Einmal sprach er von "wohlmeinenden Journalisten" – dann machte er eine Pause – ja, sagte er dann, von denen gebe es auch noch welche. Die Botschaft: Der Großteil der Presse will uns Böses.
Beliebt: Die Medien als neuer Gegenspieler
Man traue sich ja kaum noch, sagte er außerdem, etwas gegen "Multikulti" zu sagen, weil man dann im "linken Feuilleton" angegangen werde, aber er wolle nicht Politik für das Feuilleton oder die linke Berliner Tageszeitung "taz" machen, sondern er wolle "Anwalt der Bürger in Bayern und der Normalverdiener sein".
Da ist wieder der Gegensatz: Dort die "Elite" in den Redaktionen, hier die "Normalverdiener". Dabei verdient ein normaler "taz"-Redakteur weniger als ein bayerischer Durchschnittsverdiener: Es geht also nicht wirklich um eine Geldelite. Es geht um Abgrenzung.
Kritik an Medien ist eine übliche Strategie von Populisten. Trump hat sie ins Extrem getrieben.
Söder ist kein Ideologe – aber was heißt das?
Viele Politiker ärgern sich über Medienberichte, immer wieder auch zu Recht. Aber Söder sprach ganz allgemein über sie, nicht über spezielle Berichte, und auch dann, als es um etwas ganz anderes ging.
Verglichen mit der FPÖ, der AfD oder Trump war die Rede sehr zurückhaltend. Verglichen mit dem Ton des restlichen CSU-Parteitags fiel sie als scharf und konfrontativ auf.
Nun behaupten weder Parteifreunde noch langjährige Beobachter, dass Söder ein rechtspopulistischer Ideologe sei. Er glaubt vermutlich, so AfD-Wähler zur CSU holen zu können – das formulierte er sehr klar mehrfach als Ziel.
Sollte er sich entschließen, zu diesem Zweck künftig "Volk" gegen "Eliten" auszuspielen, dann wäre das wohl eine Rolle, ein weiteres Kostüm wie die, die er im Fasching immer trägt.
Nur würde das nichts an der gefährlichen Botschaft ändern.