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Frauen im Rechtsextremismus: Warum Beate Zschäpe keine Reue zeigt


Frauen im Rechtsextremismus
Warum Beate Zschäpe keine Reue zeigt

Von t-online
18.05.2014Lesedauer: 4 Min.
Kühl, unnahbar, reuelos: Rechtsterroristin Beate Zschäpe vor GerichtVergrößern des Bildes
Kühl, unnahbar, reuelos: Rechtsterroristin Beate Zschäpe vor Gericht (Quelle: dpa-bilder)
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Die Frauen der Neonazis: Mannweiber in Springerstiefeln und Bomberjacken oder hirnlose Dummchen, die ihre starken Männer bewundern. Dass keines dieser Klischees stimmt, zeigt die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe. Was sie und andere Frauen in der Neonazi-Szene antreibt, erklärt Michaela Köttig, Expertin für Frauen im Rechtextremismus, im Gespräch mit T-Online.de.

T-Online.de: Frau Köttig, Sie beobachten den NSU-Prozess und das Verhalten der Angeklagten. Haben wir bisher das wahre Gesicht von Beate Zschäpe überhaupt schon gesehen?

Michaela Köttig: Im Moment sehen wir nur eine rein prozess-strategische Variante, sich zu präsentieren. Zschäpe wird genau beraten, wie sie sich am klügsten verhalten soll. Und dieses Gesicht bekommen wir zu sehen. Was die Inhalte ihrer Taten angeht, bekommen wir nur mit, was von Zeugen und Zeuginnen über sie erzählt wird.

Wie erleben sie Zschäpe?

Im Moment präsentiert sie sich sehr tough, distanziert, im Business-Look. Ich finde aber, dass all den Überlegungen, was das bedeutet, zu viel Gewicht beigemessen wird. Es ist einfach so, dass die Art, wie sie sich verhält - also nichts zu sagen, keine Reaktionen zu zeigen - das Beste ist, was man ihr im Moment raten kann. Denn sobald sie aussagt, wird man ihr ihre Schuld nachweisen können, da bin ich ziemlich sicher.

Dass Zschäpe sich so teilnahmslos zeigt, hat viele irritiert. Insbesondere als es zum Teil dramatische Appelle der Angehörigen an sie gab. Hat Sie Zschäpes gefühllose Reaktion überrascht?

Nein. Diese Frau hat 13 Jahre im Untergrund gelebt und meiner Meinung nach genau gewusst, was die Gruppe plant. Warum sollte sie auf einmal Emotionen zeigen? Sie steht ideologisch hinter den Aktionen. Und wenn man dazu steht, muss man keine Reue zeigen.

Unser Bedürfnis, sie einknicken zu sehen, hat zwei Gründe: Wir glauben nicht, dass Frauen so kalt daher kommen können. Zum anderen können wir uns nicht vorstellen, dass Frauen überhaupt Rechtsextremistinnen sein können und aus ideologisch-strategischen Motiven handeln.

Entspricht dieses Bild der Realität?

Das ist eine generelle Sicht auf rechtsextreme Frauen in unserer Gesellschaft. Dieses Muster gibt es überall, wo wir mit Rechtsextremistinnen konfrontiert sind - in der sozialen Arbeit, in der medialen Berichterstattung, vor Gericht: Die politische Aktivität und die ideologische Orientierung von Frauen wird viel weniger wahrgenommen als die von Männern.

Genau das macht sich die rechtsextreme Szene auch zu Nutze. Zeuginnen aus der Szene behaupten zum Beispiel im NSU-Prozess, nichts gewusst zu haben - und das wird ihnen zum Teil auch geglaubt.

Welche Rolle und welche Aufgaben übernehmen Frauen denn in rechtsextremen Parteien und Organisationen?

Frauen übernehmen alle Arten von Funktionen in rechten Organisationen. Nach außen werden sie auch sichtbar, wenn sie Flugblätter verteilen und Reden halten, weil das besser fürs Image ist. Sie treten aber vor allem häufig in halblegalen Bereichen auf, wo nicht sofort klar werden soll, dass es sich um Aktivitäten von Rechtsextremisten handelt: Sie mieten zum Beispiel Räume an, eröffnen Konten und melden Demonstrationen an.

Hintergrund ist dabei, dass die extreme Rechte in den vergangenen zehn Jahren ihre Taktik geändert hat. Sie grenzt sich nicht mehr ab, zum Beispiel durch Bomberjacken, Springerstiefel und aggressives Verhalten, sondern versucht, alle gesellschaftlichen Bereiche zu unterwandern. Dazu muss man sich anpassen und peu à peu rechtsextreme Ideologie einfließen lassen. Genau das können Frauen besonders gut: Der Mutter im Elternbeirat beispielsweise wird nicht zugetraut, dass sie eine Rechtsextremistin ist.

Im Prozess wird ja auch versucht, das Bild zu vermitteln, dass Beate Zschäpe den Rechts-Terroristen Mundlos und Bönhardt nur den Haushalt geführt hat und nicht an der Planung der Taten beteiligt war. Halten Sie das für realistisch?

Wenn man sich anschaut, was man bisher über sie weiß, ihre extreme Radikalisierung in den 90er Jahren, die einherging mit gewalttätigen Aktionen, und wenn man bedenkt, dass sie mehr als zehn Jahre im Untergrund gelebt hat, muss ich sagen: nein. All das macht man nicht aus purer Lust am Haushaltsdasein. Das macht man nur gezielt.

Ich bin sicher, dass sie ein gleichberechtigtes Mitglied des NSU war. Als Wissenschaftlerin kann ich aber sagen: die Justiz muss Zschäpe ihre Taten nachweisen.

Was dürfen wir von Zschäpe im Lauf des NSU-Prozesses noch erwarten?

Wenn sie ihre Taktik durchhält: nichts mehr! Ich gehe davon aus, dass sie weiter absolut schweigt und keinen Anlass gibt, dass die Leute sich über sie aufregen können. Ich glaube, dass diese Strategie weiter gefahren wird, und die Beweise, die bisher gegen sie vorliegen, sind sehr schwach. Ich bin sehr, sehr pessimistisch, dass man ihr außer der Wohnungsexplosion irgendetwas nachweisen kann.

Wenn wir in Zukunft rechtsradikale Straftaten und das Vordringen in die Gesellschaft verhindern wollen, müssen wir dann Frauen stärker in den Blick nehmen?

Ich glaube, dass das dringend notwendig und angesagt ist - und zwar in ihren Rollen und Funktionen als Rechtsextremistinnen. Wir nehmen bestimmte Dinge, die rechtsextreme Frauen tun, nicht wahr, und es folgen keine Konsequenzen. Wir eröffnen ihnen damit ein Spielfeld, auf dem sie ihre rechtsextremen Aktivitäten umsetzen können. Das kann - wie man am Beispiel Beate Zschäpe sieht - gefährlich werden.

Hätten die Taten des NSU verhindert werden können, wenn man stärker auf die Rolle von Frauen - speziell von Beate Zschäpe - geschaut hätte?

Es hätte zumindest einige Möglichkeiten gegeben, früher einzugreifen, zum Beispiel von Seiten der sozialen Arbeit oder auch der Justiz.

Die Fragen stellte Cordula Niederelz

Michaela Köttig ist Professorin an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Sie forscht seit Jahren über rechtsextreme Jugendliche und besonders zum Thema "Frauen und Rechtsextremismus".

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