Hitzige Debatte Migration: Diese Lösungen werden bisher kaum beachtet
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Fast täglich gibt es aus unterschiedlichen Parteien neue Forderungen zum Umgang mit Migration, meist mit drastischen Forderungen. Doch es gibt auch Alternativen.
Spätestens mit dem Anschlag in Aschaffenburg, bei dem ein Afghane ein Kind und einen Erwachsenen tötete, ist das Thema Migration das vorherrschende Thema im Wahlkampf. Aktuell streiten die Parteien heftig über den richtigen Umgang mit Asylbewerbern und überbieten sich mit immer härteren Forderungen. Dabei geht es insbesondere darum, die Grenzen stärker zu schützen und Menschen schneller auszuweisen.
Doch es gibt auch andere Ansätze, um Migration langfristig zu steuern – sie stehen allerdings bisher kaum im Fokus der politischen Debatte. Dabei warnen Experten davor, dass kurzfristige Maßnahmen allein nicht ausreichen.
Politische Maßnahmen nur "Illusion von Kontrolle"?
Nach Einschätzung der Robert-Bosch-Stiftung vermitteln viele politische Maßnahmen derzeit eine "Illusion von Kontrolle". Migration werde nicht verschwinden, sondern durch Klimawandel und geopolitische Verschiebungen weiter zunehmen. Eine realistische und vorausschauende Migrationspolitik müsse diese Faktoren berücksichtigen.
Die Stiftung betont, dass eine gezielte Steuerung von Migration das Vertrauen in die Politik stärken könnte. Ein transparentes System mit klaren Regeln und Wahlmöglichkeiten für Migrantinnen und Migranten würde nicht nur die gesellschaftliche Akzeptanz erhöhen, sondern auch die politische Handlungsfähigkeit verbessern. Die Nichtregierungsorganisation Gesellschaft für bedrohte Völker fordert etwa, stärker an den Ursachen von Flucht und Migration anzusetzen, anstatt nur über Grenzkontrollen und Abschiebungen zu diskutieren.
Krieg, Hunger, politische Verfolgung oder Klimaveränderungen treiben Menschen zur Flucht – und solange diese Probleme bestehen, wird es Migrationsbewegungen nach Europa geben. Während SPD, Grüne und Linke in ihren Wahlprogrammen auf eine verstärkte Entwicklungszusammenarbeit setzen, dringen diese Vorschläge kaum durch. CDU, FDP und AfD konzentrieren sich hingegen stärker auf nationale Abschreckungsmaßnahmen.
Legale Migrationswege und internationale Kooperation
Die Robert-Bosch-Stiftung betont, dass eine nachhaltige Migrationspolitik nicht allein auf Abschreckung setzen könne. Harte Maßnahmen wie Pushbacks oder restriktivere Asylverfahren führen oft zu mehr irregulärer Migration, anstatt sie zu verhindern. Regierungen sollten daher auf eine Kombination flexibler Instrumente setzen.
Dazu gehören legale Migrationswege und internationale Kooperationen. Anpassungsmechanismen für wirtschaftliche oder geopolitische Veränderungen könnten helfen, Migration besser zu steuern. Eine solche Politik würde nicht nur kurzfristige Krisenbewältigung ermöglichen, sondern langfristig tragfähige Lösungen schaffen.
Studien zeigen zudem, dass gut integrierte Menschen schneller Arbeit finden und seltener straffällig werden. Trotzdem wird Integration im Wahlkampf kaum thematisiert. Dabei plädieren 60 Strafrechtler in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass soziale Integration eine der wichtigsten Präventivmaßnahmen gegen Kriminalität ist.
Strafrechtler wollen empiriebasierte Kriminalpolitik
In ihrer Stellungnahme fordern sie eine sachliche und empiriebasierte Kriminalpolitik. Gesetzesvorhaben sollten sich stärker an kriminologischen Erkenntnissen orientieren, um nachhaltige und verfassungskonforme Lösungen zu entwickeln. Dazu gehöre ein rationaler Umgang mit Kriminalstatistiken, der Verzerrungen vermeidet, sowie die Wahrung der Verhältnismäßigkeit im Strafrecht.
Zudem plädieren sie für eine klare Trennung von Straf- und Aufenthaltsrecht, um migrationspolitische Entscheidungen nicht von einzelnen Straftaten abhängig zu machen. Statt pauschaler Verschärfungen empfehlen sie eine stärkere Fokussierung auf Prävention, insbesondere durch soziale Integration als Mittel zur Kriminalitätsvermeidung.
Hoher Bedarf an psychologischer Betreuung
Stattdessen werden als Reaktion auf Straftaten von Geflüchteten Verschärfungen beim Familiennachzug diskutiert – obwohl dies laut den Experten der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) soziale Instabilität eher verstärken könnte. Gleichzeitig decken psychosoziale Zentren derzeit nur 3,1 Prozent des tatsächlichen Therapiebedarfs ab, doch im aktuellen Bundeshaushalt wurde die Förderung weiter gekürzt.
Ein besser gesteuertes Einwanderungssystem könnte Fachkräftemangel und irreguläre Migration verringern. Doch während CDU und FDP von einer "kontrollierten Einwanderung" sprechen, bleibt unklar, welche Instrumente sie konkret einführen wollen. Experten vom Sachverständigenrat für Integration und Migration betonen, dass Deutschland attraktivere Rahmenbedingungen für qualifizierte Migranten schaffen müsste – doch im Wahlkampf spielen solche Überlegungen kaum eine Rolle.
- Dieser Text wurde teilweise mit maschineller Unterstützung erstellt und redaktionell geprüft. Wir freuen uns über Hinweise an t-online@stroeer.de.
- tagesschau.de: "Welche Lösungsansätze im Wahlkampf untergehen"
- verfassungsblog.de: "Für eine evidenzbasierte, rationale Kriminalpolitik"
- bosch-stiftung.de: "Migrationspolitik: Warum Abschreckung keine Lösung ist"