t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikDeutschlandInnenpolitik

SPD-Fraktionsmanagerin Katja Mast: "Merz betreibt Arbeitsverweigerung"


Interview
Unsere Interview-Regel

Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.

SPD-Fraktionsmanagerin Katja Mast
"Ich halte die Verweigerungshaltung für grob fahrlässig"

  • Daniel Mützel
InterviewVon Daniel Mützel

13.12.2024 - 18:03 UhrLesedauer: 6 Min.
imago images 0260048123Vergrößern des Bildes
SPD-Fraktionsmanagerin Katja Mast: "Ich rate Markus Söder, sich zur Abwechslung mal an Absprachen zu halten." (Quelle: IMAGO/imago-images-bilder)
News folgen

Kurz vor Weihnachten einigen sich die früheren Ampelpartner auf ein milliardenschweres Steuerpaket. SPD-Fraktionsmanagerin Katja Mast erklärt im Interview, was auf die Bürger zukommt – und warnt die Union vor einer Blockade.

Spätestens seit dem "D-Day"-Desaster der FDP schien die Luft raus zwischen den Liberalen und ihren ehemaligen Koalitionspartnern SPD und Grüne. "Vertrauensbruch", "Betrug" – die Vorwürfe an die Adresse der FDP waren hart. Doch während man sich im Vordergrund heftig zoffte, arbeitete man hinter den Kulissen an einem Kompromiss. Am Freitagmittag verkündeten die Fraktionsspitzen der drei Parteien eine milliardenschwere Steuerentlastung der Bürger.

Im Kern geht es um steuerliche Anpassungen beim Abbau der kalten Progression und ein höheres Kindergeld. Katja Mast, die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Bundestag, erklärt, worum es im Einzelnen geht und was jetzt auf die Bürger zukommt. An die unionsgeführten Länder, die das Gesetz im Bundesrat verhindern könnten, appellierte die SPD-Politikerin, "den hart Arbeitenden in diesem Land die Entlastungen nicht zu verweigern".

t-online: Frau Mast, kurz vor Weihnachten gibt es gute Nachrichten aus Berlin: SPD, Grüne und FDP haben sich auf milliardenschweres Steuerpaket geeinigt. Waren Sie selbst überrascht, wozu die ehemalige Ampel noch fähig ist?

Katja Mast: Überrascht war ich weniger, weil sich das in den vergangenen Tagen bereits abgezeichnet hat. Aber ich bin froh, dass wir nun eine Einigung erzielt haben.

Wie erklären Sie sich, dass ausgerechnet mit der FDP eine Verständigung möglich war? Seit dem Ampelbruch und dem Bekanntwerden der "D-Day"-Pläne schien die Stimmung zwischen den ehemaligen Koalitionspartnern am Boden.

Die FDP hat sich hier punktuell konstruktiv verhalten. Das ändert nichts an ihrem verantwortungslosen Verhalten gerade in den letzten Monaten in der Ampel. Aber viel wichtiger als über die FDP zu spekulieren, ist das Ergebnis, das wir erreicht haben: Der Bundestag ist handlungsfähig, wir können wichtige Gesetze zur deutlichen Entlastung von Menschen, die Steuern zahlen und Kinder erziehen, mit einer Mehrheit auf den Weg bringen. Das war uns als SPD, insbesondere seit dem Ampelbruch, ein wichtiges Anliegen.

Konkret geeinigt haben sich die drei Parteien auf Änderungen im Steuerrecht: Der Grundfreibetrag soll angehoben werden, ebenso das Kindergeld um fünf Euro im nächsten Jahr, und um weitere vier Euro 2026. Was bedeutet die Einigung konkret?

Uns war wichtig, dass die Menschen unterm Weihnachtsbaum wissen, dass sie jetzt mit spürbaren Entlastungen im neuen Jahr rechnen können. Wir erreichen alle Familien und damit alle Kinder. Zusammengerechnet entlasten die jetzt vereinbarten Änderungen eine Familie mit zwei Kindern um mehrere Hundert Euro im Jahr. Das macht einen Unterschied.

Wie hoch ist die steuerliche Entlastung insgesamt?

Wir entlasten die Menschen insgesamt um rund 7,9 Milliarden Euro. Das sind Entlastungen, die direkt im Geldbeutel ankommen. Dass wir das jetzt auf den Weg gebracht haben, ist eine sehr gute Nachricht für die breite Bevölkerung. Das zähe Ringen darum hat sich gelohnt.

Die Union könnte das Paket noch im Bundesrat blockieren. Für wie wahrscheinlich halten Sie das?

In die Glaskugel schauen hilft nichts. Ich appelliere da an die Union, den hart Arbeitenden in diesem Land Entlastungen nicht zu verweigern. Wo ein Wille ist, ist ein Weg. Meine Erfahrung in der Politik: Am Ball bleiben zahlt sich für die Bürger aus.


Quotation Mark

Ich rate Markus Söder, sich zur Abwechslung mal an Absprachen zu halten.


SPD-Fraktionsmanagerin Katja Mast


Kanzler Olaf Scholz hat angekündigt, noch weitere Gesetze durch den Bundestag bringen zu wollen. Die SPD trommelt seit Wochen für niedrigere Energiepreise, insbesondere bei den Netzentgelten. Rechnen Sie hier auch mit einer Einigung?

Ich hoffe, aber auch das hängt davon ab, ob sich Union und FDP ihrer staatspolitischen Verantwortung stellen. Wir haben das Problem, dass zu wenig in den Standort Deutschland investiert wird. Viele Unternehmen beklagen die fehlende Planbarkeit bei den Energiepreisen in Deutschland. Die Energiekosten selbst sind mittlerweile auf einem akzeptablen Niveau, aber die Netzentgelte, die obendrauf kommen, sind nicht kalkulierbar. Eine Deckelung der Netzentgelte wäre also absolut geboten.

Die Union hat ihr Nein bereits angekündigt.

Ich halte die Verweigerungshaltung der Union für grob fahrlässig. Denn es geht um Jobs und Investitionen in Deutschland in den nächsten Monaten. Wir können keine Zeit verlieren, um unsere Wirtschaft auf Vordermann zu bringen. Für parteitaktische Manöver haben die Bürger auch kein Verständnis. Es dauert nach einer Bundestagswahl in der Regel viele Monate, bis eine Regierung gebildet ist und die ersten Gesetze verabschiedet werden. Das wissen auch CDU/CSU. Aber die Situation der Wirtschaft ist ernst. Wir können es nicht auf die lange Bank schieben, Arbeitsplätze zu retten und die deutsche Wirtschaft fit zu machen. Auch Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften fordern dringende Investitionen in Milliardenhöhe für einen starken Standort.

Müssten Sie nicht Ihrerseits einen Schritt auf die Opposition zugehen?

Es gibt ein Gesetz, das vom Kabinett verabschiedet wurde und bereits im Bundestag ist. Wir könnten also noch dieses Jahr dieses wichtige Signal an die Wirtschaft und die Beschäftigten senden. Es geht nicht so sehr um uns oder um andere Parteien, sondern darum, was jetzt notwendig für Deutschland ist. Das Land steht an erster Stelle. Bei so einer wichtigen Frage zu blockieren, ist unanständig und geht zulasten der Unternehmen. Die Union gefährdet mit ihrer Blockade Arbeitsplätze am Standort Deutschland.

Merz soll in einer Fraktionssitzung von CDU/CSU gesagt haben: "Wir machen gar nichts mehr mit denen." Gemeint war die rot-grüne Minderheitsregierung. Ist eine Kooperation mit der Opposition nicht aussichtslos?

Friedrich Merz betreibt Arbeitsverweigerung. Man kann nicht als demokratische Fraktion die Hände in den Schoß legen und wichtige politische Vorhaben blockieren. Aber Friedrich Merz hat sich ja schon öfter vergaloppiert. Er hat lautstark Forderungen gestellt, die er hinterher wieder kassieren musste.

Zum Beispiel?

Bei der stabilen Finanzierung des Deutschlandtickets hat er immer wieder blockiert. Mittlerweile höre ich Signale aus der Union, dass sie eigentlich die stabile Zukunft des Tickets mittragen wollen. Ich hoffe darauf, dass die CDU-Landeschefs ihren Druck aufrechterhalten.

Einer wird Merz kaum unter Druck setzen: Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) würde das Deutschlandticket am liebsten abschaffen. Söder drohte mit einer Blockade, sollte der Bund nicht die kompletten Kosten von drei Milliarden Euro übernehmen.

Loading...
Loading...

Ich rate Markus Söder, sich zur Abwechslung mal an Absprachen zu halten. Wir haben eine Einigung mit den Bundesländern, dass wir die Ausgabenreste für das nächste Jahr verwenden können. Wir wollen das Deutschlandticket unbedingt erhalten, rund 13 Millionen Menschen nutzen es. Es ist eine massive Entlastung, vor allem für Pendlerinnen und Pendler, die jeden Tag arbeiten gehen.

Was passiert, wenn keine Einigung zustande kommt?

Viele Verkehrsverbünde sind in Vorleistung für die Kosten des Deutschlandtickets gegangen und brauchen die Übertragung der Restmittel dringend. Nächste Woche ist die letzte Gelegenheit in diesem Jahr, das im Bundestag zu beschließen. Wenn das scheitert, weil Union und FDP sich weigern, könnte das Ticket um weitere 20 oder 30 Euro teurer werden. Zusätzlich zu dem neuen Ticketpreis von 58 Euro, auf den sich die Länder geeinigt hatten. Die Folge wäre, dass einzelne Verkehrsverbünde aussteigen würden. Das wäre das Ende des Deutschlandtickets. Es wäre Wahnsinn, die Mittel dafür nicht zur Verfügung zu stellen.

Was muss aus Ihrer Sicht noch auf den Weg gebracht werden?

Wir müssen das Verfassungsgericht durch eine Grundgesetzänderung, aber auch das Parlament besser vor Verfassungsfeinden schützen. Wir sollten vorsorgen: mit einem Gesetz, das den Schutz der Abgeordneten und die Sicherheit des Parlaments verbessert. Ich appelliere an alle demokratischen Parteien, das noch zustande zu bringen.

Nächste Woche ist ein anderes wichtiges Ereignis: Kanzler Olaf Scholz wird die Vertrauensfrage stellen. Wird er sich selbst das Vertrauen aussprechen oder sich enthalten?

Die gesamte SPD-Bundestagsfraktion steht an der Seite des Kanzlers. Und unser Bundeskanzler Olaf Scholz ist auch Mitglied dieser Fraktion.

Bei der Vertrauensfrage von Gerhard Schröder im Jahr 2005 gab es auch Enthaltungen aufseiten der SPD-Fraktion. Können Sie komplett ausschließen, dass das wieder passiert? Zuletzt waren ja nicht alle Sozialdemokraten glücklich mit dem Kanzler.

Die Haltung der SPD-Bundestagsfraktion ist eindeutig: Der Bundeskanzler hat unsere volle Unterstützung. Die Vertrauensfrage von Gerhard Schröder fand ja auch unter anderen Bedingungen statt: Erst die Enthaltung einiger hat die vorgezogene Bundestagswahl damals möglich gemacht.

Sollten auch die Grünen Scholz das Vertrauen aussprechen, und außerdem einige AfD-Abgeordnete, könnte die Vertrauensfrage für den Kanzler positiv ausgehen – und der Weg zu Neuwahlen wäre versperrt. Ist Ihr Vorgehen nicht riskant?

Unsere Haltung ist unabhängig vom Taktieren anderer. Darüber, wie andere sich bei der Abstimmung verhalten, könnte ich nur spekulieren. Das lasse ich.

Schröder hatte damals bei seiner Rede zur Vertrauensfrage auch eigene Fehler eingestanden. Er sprach von "schmerzlichen Wahlniederlagen" und fehlender Legitimation für seine Politik. Erwarten Sie auch von Scholz, der nicht unbedingt für Selbstkritik bekannt ist, ein paar nachdenkliche Töne nächsten Montag?

Olaf Scholz wird sicherlich gut einordnen, warum er die Vertrauensfrage stellt, warum er in der Bundesregierung ohne die FDP regiert und wie er den Weg für die Bundestagswahl frei macht. Dass es zu wiederholten massiven Vertrauensbrüchen vonseiten der FDP kam, ist bekannt. Ein Schwerpunkt seiner Rede wird sicher die Perspektive für unser Land sein. Und hier wird es ganz zentral darum gehen, dass wir Wirtschaft und Soziales und Ökologie ebenso wenig gegeneinander ausspielen wie innere, äußere und soziale Sicherheit. Es geht um das Sowohl-als-auch statt Entweder-oder bei der Bundestagswahl am 23. Februar.

Frau Mast, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Katja Mast
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website