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Habeck in Kenia: Hintergründe der Auslandsreise des Politikers


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Minister auf Reisen
Robert Habeck und das Höllentor


Aktualisiert am 04.12.2024Lesedauer: 6 Min.
Robert Habeck am Naivasha-See in Kenia: Nur die Nilpferde fehlen.Vergrößern des Bildes
Robert Habeck am Naivasha-See in Kenia: Nur die Nilpferde fehlen. (Quelle: Johannes Bebermeier/t-online)
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Robert Habeck ist in Kenia – auf seiner letzten großen Auslandsreise als Ampelminister, wenige Wochen vor der Neuwahl. Was will er da?

Robert Habeck möchte jetzt gerne Nilpferde sehen. Er steht am Ufer des Naivasha-Sees in einem edlen Resort in Kenia. Die hektische Hauptstadt Nairobi ist zwei Autostunden entfernt. Hier grasen Zebras auf der Wiese und Giraffen zupfen Grünzeug aus den Baumwipfeln.

Er habe gehört, sagt Habeck zu einer Wildhüterin, vorhin seien auch Nilpferde hier gewesen. Ob man sich die anschauen könne? Na klar, sagt die Frau, wenn sie noch da seien. Da drüben hätten sie ihren Lieblingsplatz. Also machen sich Habeck, die Wildhüterin und mit ihnen ein paar Dutzend Journalisten und Firmenchefs, die den Wirtschaftsminister in Kenia begleiten, auf die Suche.

Es ist nicht so, als hätte Habeck an diesem Montag nicht schon einige Tiere gesehen. Seine Wagenkolonne ist durch den Hell's Gate Nationalpark hergefahren. Der heißt wegen seiner Vulkane so: Höllentor. Vorbei an Antilopen und Gazellen, an Warzenschweinen und Pavianen, an Zebras und Giraffen.

Es ist eine kleine Safari, die sich Robert Habeck gönnt. Zirkus hat er in Berlin ja gerade genug. Wobei Habeck natürlich noch mehr macht in Kenia: Er lotet eine Zusammenarbeit bei erneuerbaren Energien aus, öffnet Start-ups Türen, wirbt um Fachkräfte und ist vor allem für das Deutsch-Afrikanische Wirtschaftsforum gekommen, wo Menschen in Anzügen Visitenkarten und Aufträge austauschen.

Doch natürlich bespielt Habeck bei seiner wohl letzten großen Auslandsreise in dieser Wahlperiode auch noch einmal die große Bühne und lässt weltläufige Fotos von sich schießen. Bevor dann seine Politik im Kleinklein des deutschen Wahlkampfs seziert wird. Wie das für ihn funktionieren wird? Besser als mit den Nilpferden in Kenia, muss er wohl hoffen. Die sind an diesem Tag nämlich schon weg.

Es läuft, finden die Grünen

Es läuft gerade eigentlich ganz gut für Robert Habeck und die Grünen, finden jedenfalls die Grünen. Nach dem Ampelbruch haben sie sich aus dem Tohuwabohu herausgehalten, haben vor allem zugehört, als sich Olaf Scholz und Christian Lindner angebrüllt haben. Noch mehr Streit – das schien ihnen nicht das zu sein, was die Deutschen jetzt wollen.

Die sonst so streitlustigen Grünen haben sich daran auch auf ihrem Parteitag vor einer Woche erinnert. Den Streit verlegte man hinter die Kulissen, selbst in der umkämpften Migrationspolitik blieb es auf offener Bühne erstaunlich still. Habeck, der in Teilen der Partei nicht nur Fans hat, wurde mit 96,5 Prozent zum Kanzlerkandidaten gewählt.

In den Wahlumfragen gehen die Werte für die Grünen seitdem bei den meisten Instituten hoch, eines sieht sie sogar gleichauf mit der SPD bei 14 Prozent. Andere eher nicht. Noch nicht? Das hoffen die Grünen. Und verweisen auch auf die Beliebtheitswerte ihres Kandidaten. Wobei sie natürlich jene Umfragen heranziehen, in denen Habeck vor Scholz liegt, was nicht bei allen der Fall ist.

Kann ja alles noch werden. So jedenfalls die grüne Hoffnung. Dann nämlich, wenn das Ampeldrama die Bewertung der Parteien nicht mehr so überschattet.

Fragt sich nur, ob es dazu noch kommt in den wenigen Wochen bis zur Wahl am 23. Februar. Zumal es der Wirtschaft mies geht, was für einen Wirtschaftsminister im Wahlkampf nicht sonderlich glücklich ist. In der Autoindustrie und bei den Zulieferern werden gerade Tausende Menschen entlassen.

Auch wenn es unterschiedliche Ursachen für die Krisen gibt, macht die Opposition natürlich Habeck dafür verantwortlich. Die Union will so ziemlich alles anders machen als die Ampel, sagt sie jedenfalls. Jens Spahn scheint sich im Wahlkampf als eine Art Anti-Habeck profilieren zu wollen. Das Heizungsgesetz soll weg, der Atomausstieg auch.

Könnte zu Hause also angenehmer sein für Habeck.

Jens Spahn ist weit weg

In Kenia aber ist Jens Spahn weit weg und Robert Habecks Probleme sind es auch. Hier kann er noch mal Minister sein, in Kameras lächeln und Hände von Würdenträgern schütteln. Und nebenbei nicht nur etwas über Nilpferde lernen (sind trotz vieler Todesopfer eigentlich ganz freundlich und nur gefährlich, wenn sie in die Enge getrieben werden, sagt die Wildhüterin).

Robert Habeck lernt hier zum Beispiel, dass Kenia zwar kein Entwicklungsland mehr ist, aber vor allem, weil wenige sehr Reiche die Statistik verzerren. Viele sind immer noch sehr arm. Mehr als ein Viertel hat keinen Strom.

Habeck lernt, dass Kenias Präsident William Ruto jedes Jahr 250.000 Fachkräfte nach Deutschland schicken will, eine aberwitzig unrealistische Zahl. Würde die Zahl mit dem neuen Migrationsabkommen nicht mehr nur dreistellig sein, sondern fünfstellig werden, dann wäre es aus deutscher Sicht ein riesiger Erfolg. Aber man darf natürlich Träume haben, das weiß der Kanzlerkandidat Habeck ja.

Habeck lernt, dass die Vereidigung des neuen Jahrgangs der Wildhüter in Kenia ein Riesending ist, und dass das seit der Unabhängigkeit Kenias von Großbritannien im Jahr 1963 immer der Präsident gemacht hat. Der kann den Nilpferd-Freund Habeck deshalb leider diesmal nicht treffen, die Hüter gehen vor.

Habeck lernt, dass 90 Prozent der deutschen Rosen aus Kenia kommen. Und dass Kenia innerhalb von zehn Jahren auf Platz sechs der weltweiten Avocado-Exporteur-Rangliste aufgestiegen ist. Ohne dafür alles Wasser aus den Böden zu pumpen wie anderorts.

Und Habeck lernt, dass Kenia schon jetzt mehr als 90 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien bezieht – und trotzdem ein Atomkraftwerk bauen will.

Wir bauen uns ein Atomkraftwerk

Robert Habeck steht am Montagmittag auf einem staubigen Hochplateau, rund zwei Autostunden von Nairobi entfernt. In seinem Rücken steigt Dampf auf, auf seiner quietschgelben Warnweste steht "KenGen". Der Energiekonzern produziert hier im Tal mit seinem modernsten Kraftwerk Strom – mit Dampf.

Aus bis zu 2.000 Metern Tiefe wird dafür heißer Wasserdampf an die Oberfläche gepumpt, der Turbinen antreibt und so zu Strom wird. Geothermie ist Kenias wichtigste Energiequelle und erklärt auch, warum der Anteil grüner Energie hier so hoch ist. Schon seit Ende der 70er-Jahre wird sie genutzt.

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Kenia ist damit so etwas wie der grüne Vorreiter in Afrika. Und will in ein paar Jahren trotzdem für Milliarden von Euro Kenias erstes Atomkraftwerk bauen, wohl mit russischer Hilfe. So jedenfalls der Plan.

Eher schwierige Idee, findet Robert Habeck, als er auf dem staubigen Hochplateau steht. Warum auf einmal Atomstrom, wenn so viel kostenlose Energie im Boden steckt, fragt Habeck deshalb einen Menschen von KenGen. "Man weiß ja nie …", antwortet der. Dabei hatte er ihm gerade noch stolz erklärt, wie viele weitere Dampfquellen man erschließen wolle.

Man weiß ja nie? Was solle schon passieren, sagt Habeck, hier stecke doch Energie für 1.000 Jahre im Boden. Doch so richtig einig werden sie sich nicht. Bis es darum geht, dass Geothermie natürlich ein riesiges Potenzial in Afrika hat. Der Manager sagt: Allein in Kenia für zehnmal so viel Energie, wie derzeit genutzt würde. Da scheint auch Habeck wieder zufrieden zu sein.

Die Sache mit dem Potenzial

Potenzial ist seit vielen Jahren auch eines der meistgenutzten Wörter, wenn es um Afrika und die Wirtschaft geht. Es ist ein Kontinent mit einer sehr jungen Bevölkerung, die stark wächst. Das ist das Gute. Das Schlechte ist: Es gibt eben auch immer noch sehr viel Armut und damit wenige Käufer. Auch Korruption und immer wieder politische Unruhen. Deutschlands Handelsvolumen mit dem gesamten Kontinent beträgt gerade mal 2,1 Prozent. Verschwindend gering.

Habeck weiß das natürlich alles, trotzdem ist er hier. Als er am Dienstagvormittag in einem Luxushotel in Nairobi vom kenianischen Kabinettschef auf der Bühne des Deutsch-Afrikanischen Wirtschaftsforums als "Robert Habock" begrüßt wird, spricht auch er von großem Potenzial. Dabei scheint ihn eigentlich zu nerven, dass es nicht längst mehr ist als nur Potenzial.

Habeck spricht davon, wie Staaten gerade jetzt zusammenarbeiten müssten, in Zeiten, in denen sich einige wichtige abschotteten und ins Nationale zurückzögen. Er denkt wohl an die USA. Habeck spricht darüber, wie Deutschland neue Handelspartner finden müsse, um erfolgreich zu bleiben. Weil es mit China eben schwieriger wird. Und wohl auch, um China den Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent nicht zu überlassen.

Handelspolitik ist bei Habeck immer auch Interessenpolitik, immer auch Machtpolitik. Auch deshalb will er mehr tun in Afrika. "Jetzt ist die Zeit, in der all die Arbeit auf dem Papier Wirklichkeit wird", ruft er den Wirtschaftsbossen von der Bühne zu. "Lassen Sie uns beginnen, lassen Sie uns arbeiten."

Einfach mal machen. Auch wenn das heißt, ein bisschen ins Risiko zu gehen. Und das passt dann doch wieder gut zu Habeck selbst und seinem Wahlkampf im fernen Deutschland.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen und Gespräche in Kenia
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