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AfD-Mitarbeiter schlug Frau in Kneipe ins Gesicht: "Täter wird geschützt"


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AfD-Mitarbeiter wurde gewalttätig
Im "Hecht" schlug er mit der Faust in ihr Gesicht


Aktualisiert am 25.11.2024Lesedauer: 7 Min.
Eva-Marie Doerfler vor den Grundgesetz-Stelen am Reichstagsufer: 2020 trat sie in die AfD ein, 2023 wieder aus.Vergrößern des Bildes
Eva-Marie Doerfler vor den Grundgesetz-Stelen am Reichstagsufer: 2020 trat sie in die AfD ein, 2023 wieder aus. (Quelle: Doerfler)
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Die AfD fordert harte Konsequenzen für Männer, die Frauen Gewalt antun. Das scheint nicht für die eigenen Parteimitglieder zu gelten, wie ein Fall in Berlin zeigt.

Es klingt nach einem deutlichen "Basta", das die AfD-Chefin an diesem Mittwoch über den Verteiler der Partei verschicken lässt: "Migrationskrise macht Frauen zu Freiwild", teilt Alice Weidel da in einer Mail an die Presse mit Blick auf die gestiegenen Zahlen von Gewalttaten gegen Frauen mit. Frauen müssten besser vor "geschlechtsspezifischen Angriffen" geschützt werden. "So kann und darf es nicht weitergehen."

Die designierte Kanzlerkandidatin der AfD bespielt damit zu einem aktuellen Anlass ein Thema, das für die AfD ein Evergreen ist: Gewalt gegen Frauen, explizit von Migranten ausgehend. Besondere Bedeutung hat es für die AfD im aktuellen Wahlkampf. Da nämlich hat die Partei das Ziel ausgerufen, mehr Frauen für sich gewinnen zu wollen – als Wählerinnen, aber auch als Funktionäre in ihren Reihen. Noch stärker als die meisten anderen Parteien nämlich ist die AfD von Männern dominiert, die Zahl der Frauen klein.

Nur wenden sie die Härte und Konsequenz, die Weidel und ihre Kollegen bei dem Thema Gewalt an Frauen gegenüber Migranten oft lautstark einfordern, nach Recherchen von t-online in der eigenen Partei nicht an. Dann gibt es offenbar kein "Basta", im Gegenteil: Dann wird Partei für den Täter ergriffen und herrscht viel Schweigen.

Deutlich macht das der Fall des AfD-Mitarbeiters Wolfram Z. gegen Eva-Marie Doerfler. Wolfram Z. trägt in Wirklichkeit einen anderen Namen, da er aber in der Öffentlichkeit nicht weiter bekannt ist, nennt die t-online-Redaktion ihn aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes hier anders.

Z. schlug Doerfler 2022 in einer Kneipe mit der Faust ins Gesicht. Eine Woche lang konnte Doerfler danach nicht arbeiten. Das Amtsgericht Tiergarten sprach Z. im September 2023 der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig. t-online liegt das Urteil vor.

Täter wie Opfer waren damals AfD-Mitglieder. Konsequenzen aber hatte die Gewalttat für Z. nicht. Vielmehr drängte man aus Reihen der Partei bei Doerfler darauf, den Faustschlag nicht an die große Glocke zu hängen. Bloß kein Skandal, bitte.

Z. arbeitet nach Informationen von t-online weiterhin als Referent für die AfD-Fraktion im Bundestag. Doerfler hat die Partei inzwischen verlassen. Schweigen aber will sie nicht mehr, zu sehr stört sie der Umgang der Partei mit dem Fall. Inzwischen hat sie sich auch in einem Livestream auf ihrem Instagram-Kanal dazu geäußert.

"Es ist absoluter Hohn, dass ausgerechnet die Partei, die sich selbst als 'einzige Rechtsstaatspartei' bezeichnet, Recht intern nur ausübt, wenn es zur Parteilinie passt", sagt die 38-Jährige t-online. "Das Motto 'Opferschutz statt Täterschutz' wird zwar gern auf Plakaten verwendet, gilt in der AfD aber offenbar nicht."

In den Morgenstunden eskaliert die Situation

Tatort am 26. Februar 2022 ist die Kneipe "Zum Hecht" im Berliner Bezirk Charlottenburg. Sie ist bekannt dafür, 365 Tage im Jahr 24 Stunden lang geöffnet zu haben. Ein Ort für jene, die noch weiter feiern wollen, wenn die meisten Bars schon ihre Türen schließen.

Wolfram Z. und Eva-Marie Doerfler waren am Abend zuvor bei einer Veranstaltung, bei der es um das damals recht neue Social-Media-Portal GETTR ging. Sie kennen sich bis dahin nur flüchtig, eher vom Namen her. Gemeinsam mit anderen ziehen sie weiter, reden und trinken Cocktails, Schnäpse, Bier. Am Ende spült es sie in den "Hecht".

In den frühen Morgenstunden dann eskaliert die Situation. Vor Gericht werden sich die Versionen, die Doerfler und Z. über den Ablauf erzählen, erheblich unterscheiden. Das Amtsgericht Tiergarten führt sie in seinem Urteil auf: Doerfler gibt an, dass man am Tisch über politische Themen gesprochen habe, unter anderem den Ukraine-Krieg. Sie sei aufgestanden, habe zur Toilette gehen wollen. Da hätte sie den Eindruck gehabt, Z. habe etwas zu ihr gesagt. Als sie sich über den Tisch beugte, habe Z. ihr unvermittelt mit der Faust ins Gesicht geschlagen.

Z. hingegen behauptet, es sei nie zu einem Faustschlag gekommen: Es habe eine Meinungsverschiedenheit gegeben, Doerfler sei wütend geworden, er habe gezahlt und habe das Lokal dann verlassen.

Doerflers Version wird in weiten Teilen gestützt von einem Zeugen. Auch er ist damals AfD-Mitglied, auch er kennt Doerfler und Z. bis dahin kaum beziehungsweise gar nicht. Das Gericht schätzt ihn als "neutralen Zeugen" ein, der keine Motivation hat, irgendjemandem einen Vorteil zu verschaffen.

Den Schlag selbst habe er nicht direkt gesehen, sagt der Mann aus. Allerdings habe er eine laute Diskussion und dann eine hektische Handbewegung aus dem Augenwinkel wahrgenommen, die er als "Backpfeife" gedeutet habe. Doerfler habe sich denn auch die Wange gehalten und gesagt, Z. habe sie geschlagen. Z. selbst habe geäußert, dass "es irgendwie eskaliert sei".

Doerfler kann ihre Version außerdem mit weiteren Belegen stützen: Erstens führt sie Fotos an, die sie noch im "Hecht" mit geröteter Wange und Eisbeutel zeigen. Zweitens attestiert ihr Ex-Ehemann, der Arzt ist, nach der Tatnacht in einem Gutachten eine Gesichtsprellung, eine posttraumatische Belastungsstörung sowie ein Schädelhirntrauma 1. Grades. Das Gericht sieht wegen der persönlichen Beziehung des Arztes zu Doerfler einen möglichen "geringeren Beweiswert", geht aber nicht von einem "Gefälligkeitsattest" aus – unter anderem, da Doerfler und ihr Ex-Mann schon seit Längerem getrennt leben.

Drittens legt Doerfler Nachrichten vor, die sie von AfD-Mitgliedern, die Z. kennen, nach der Tatnacht erhalten hat. An ihnen ist zwar nicht ablesbar, was genau passiert ist. Klar aber ist: Die Absender wissen, dass etwas passiert ist – und zwar etwas "Unangenehmes", wie es in einer Nachricht heißt, die das Gericht vollständig wiedergibt.

Das Urteil hält schließlich fest: "In der Gesamtschau ist das Gericht daher davon überzeugt, dass der Angeklagte der Zeugin mit der Faust ins Gesicht schlug." Z. wird zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen á 100 Euro verurteilt, insgesamt also 2.000 Euro. Er geht in Revision, die Ende Januar 2024 verworfen wird.

Reizgas, Tritte, Schläge, Bisse

Es ist nicht der erste Fall, in dem AfDler gewalttätig gegen Frauen werden. Schlagzeilen machte zum Beispiel der Berliner Lokalpolitiker Kai Borrmann, als er 2021 zwei schwarze Frauen mehrfach als "Neger" beleidigte und einer von ihnen ins Gesicht schlug sowie in den Arm biss. Borrmann wurde wegen Körperverletzung und Beleidigung rechtskräftig verurteilt.

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Gleich mehrfach auffällig wurde der AfD-Lokalpolitiker Sven Ebert aus Sachsen-Anhalt. Im jüngsten Fall ging er mit Reizgas auf Frauen los, die ein AfD-Plakat beschmiert hatten. Ebert schlug einer von ihnen zudem mit der Faust ins Gesicht und trat ihr in den Unterleib. Er wurde wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.

Der Fall Eva-Marie Doerfler gegen Wolfram Z. hätte für die AfD allerdings noch einmal eine andere Qualität haben können: Denn hier wurden nicht politische Gegner oder von Funktionären oft diskriminierte Minderheiten angegriffen – sondern eine von ihnen.

Doerfler nämlich trat 2020 in die AfD ein und machte rasch in der Kommunalpolitik Karriere. Schon 2021 wurde sie vom Berliner Bezirk Charlottenburg als Direktkandidatin für die Bundestagswahl gesetzt. Sie gilt als zielstrebig und gut vernetzt – bis hinauf in den Bundestag, wo sie bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst 2021 für einen AfD-Abgeordneten arbeitete.

Gut vernetzt ist allerdings auch ihr Angreifer Wolfram Z. Er arbeitet seit Jahren für die AfD im Bundestag. Als "Referent für die AfD-Fraktion" äußerte er sich noch vor zwei Wochen öffentlich zu einem Symposium der Fraktion.

"Bitte keinen öffentlichen Skandal"

Da ist nun also ein verurteilter Frauenschläger in Reihen der AfD. Eigentlich müsste das für Aufruhr sorgen, womöglich sogar zu parteiinternen Konsequenzen führen.

Die Partei aber reagiert anders: Zunächst erreichen Doerfler gleich nach der Tatnacht Nachrichten. Geschrieben haben sie männliche AfD-Mitglieder, die Z. kennen, aber keine hohen Funktionäre sind. "Was war denn da gestern Nacht noch los?", heißt es in einer Nachricht. "Wolfram (Name auch hier von der Redaktion geändert) rief mich an, es solle irgendwas Unangenehmes passiert sein? Was auch immer passiert ist, bitte keinen öffentlichen Skandal, vielleicht lässt sich alles göttlich (sic!) regeln?"

Einige Tage später schreibt ein anderer: Er habe gehört, dass sich der Abend "noch lustig" entwickelt habe. "Alles ok bei dir? Das Würstchen hätte mir wohl noch die Zeugenschaft angedichtet."

Das Amtsgericht dokumentiert die Nachrichten in seinem Urteil. Und hält zudem aus Doerflers Aussage fest: Im Nachgang sei sie parteiintern kontaktiert worden, keine "große Sache" aus dem Vorfall zu machen.

Die Parteigremien bleiben untätig

Doerfler spricht nach der Tatnacht mit verschiedenen hochrangigen Funktionären der AfD über den Fall, erzählt sie t-online. Darunter: Mitglieder des Berliner Landesvorstands sowie des höchsten Parteigremiums, des AfD-Bundesvorstands. Aus diesen Gesprächen sei ersichtlich geworden: Der Fall sei bekannt, die obersten Gremien wissen Bescheid.

Alle Gesprächspartner aber hätten abgewiegelt, die Sache kleingeredet. "Man hat reagiert nach dem Motto: 'Kann ja mal passieren'", sagt Doerfler. "Der Vorfall wurde unter den Tisch gekehrt." Immer wieder verwiesen worden sei stattdessen auf die Unschuldsvermutung. Die Botschaft: Solange ein Gericht Z. nicht schuldig spricht, passiert nichts.

Allerdings bemühen sich Mitglieder der Partei auch mit Kräften darum, dass Z. nicht schuldig gesprochen wird. Vor Gericht steht Doerfler gleich drei AfD-Männern gegenüber: Ein Berliner AfD-Mitglied vertritt Z. als Anwalt, der Pressesprecher eines anderen Landesverbands erscheint zudem als Zeuge. Zwar war er in der Tatnacht gar nicht im "Hecht" – danach folgende Telefonate von Z. aber soll er bezeugen.

Ohne Erfolg: Z. wird schuldig gesprochen. Doerfler hat die AfD bereits ein paar Monate zuvor verlassen.

Die Gründe für ihren Parteiaustritt Ende 2023 hätten wenig mit dem Faustschlag von Z. zu tun, sagt Doerfler. Der Umgang mit dem Fall aber sei "ein weiteres Puzzlestück im Gesamtbild", das sie durch ihre Zeit in der AfD über die Partei gewonnen habe: Die nämlich werde ihren nach außen propagierten Ansprüchen intern nirgendwo gerecht.

"Zersetzt" sei die AfD von "Minderleistern" und "Küngelrunden". Persönliche, meist finanzielle Interessen stünden in der Partei immer an erster Stelle, Gerechtigkeit und Moral interessierten nicht. Sie kenne mehrere andere Fälle, in denen es Frauen ähnlich ergangen sei wie ihr. "Fehlverhalten einzelner wird gedeckt, der feige männliche Täter geschützt und das Opfer verunglimpft."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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