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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wagenknecht fordert Windkraftverbot in Wäldern "Wir brauchen endlich eine Kehrtwende"
Im Kampf gegen den Klimawandel setzt die Ampelregierung auf den Ausbau erneuerbarer Energien. Sahra Wagenknecht hält das in Teilen für den falschen Weg. Sie fordert, Windkraftanlagen in Wäldern stark einzuschränken.
In Deutschland stehen gut 8.000 Windkraftanlagen in Wäldern, Naturparks und Landschaftsschutzgebieten. Das ist jedes vierte der gut 30.000 Windräder, die auf dem deutschen Festland stehen. So steht es in der Antwort auf eine Anfrage von Sahra Wagenknecht an das Wirtschaftsministerium. Demnach befinden sich 2.450 Windenergieanlagen in Wäldern, 3.908 in Naturparks und 1.630 in Landschaftsschutzgebieten.
Die Vorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kritisiert diese hohe Quote von Windrädern in besonders sensiblen Naturräumen und fordert ein Ende dieser Praxis. "Das Aufstellen von Windrädern insbesondere in Naturschutzgebieten sollte strikt verboten werden", sagte Wagenknecht dem Nachrichtenportal t-online. Windräder in Wäldern und Naturparks seien "kein Beitrag zum Klimaschutz, sondern Umweltzerstörung".
Der Bundesverband Windenergie (BWE) sieht das anders: Es handele sich hier keineswegs um einen zu großen Eingriff in die Natur. Ein Verbot des Neubaus von Windkraftanlagen etwa in Forsten hält der Verband für nicht verfassungsgemäß; er verweist auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem November 2022. Die Förster dürften laut dem Urteil nicht in der Nutzung der ihnen anvertrauten Flächen beschränkt werden. Zudem stünden Windkraftanlagen meist in für die Holzwirtschaft genutzten Forsten und nicht in sogenannten "Urwäldern", erläuterte ein Sprecher des Verbands.
Zerstörte Flächen werden genutzt
Des Weiteren würden häufig Forstabschnitte für den Bau von Windkraftanlagen genutzt, die durch Stürme oder Borkenkäfer zerstört wurden. Dabei handele es sich meist um Monokulturen mit lediglich einer Baumart. Die Förster legen dem Verband zufolge dann in einer Ausgleichsfläche einen widerstandsfähigeren Mischwald neu an – in exakt der Größe, die verloren gegangen ist. Das sei Vorschrift.
Zu der Frage, ob auch in Naturparks und Landschaftsschutzgebieten weiterhin Windkraftanlagen gebaut werden sollten, verweist der Verband auf eine EU-Richtlinie, die schon jetzt in vielen dieser Gebiete den Bau verhindert. Die Richtlinie 2023/2413 (RED III) sei der richtige Weg, den Bau zu beschränken. Ein Verbot sei daher nicht nötig.
Windkraftbau streng geregelt
Wo in Deutschland ein Windrad stehen darf, ist streng geregelt. Der Bund hat mit seinem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zuletzt 2023 die grundsätzlichen Voraussetzungen dafür festgelegt. Die Bundesländer haben jedoch den größten Einfluss darauf, geeignete Standorte auszuweisen sowie festzulegen, wie weit Windräder von Wohnsiedlungen entfernt stehen müssen oder wie hoch sie sein dürfen.
Das konkretisieren sie in ihren Landesplanungen und Regionalplänen, die durch Regionalverbände oder Planungsbehörden erarbeitet werden. Die Bundesregierung hat sich am Anfang der Legislatur vorgenommen, dafür zu sorgen, dass zwei Prozent der Fläche Deutschlands für die Windenergienutzung reserviert werden. In einigen Ländern, zum Beispiel Schleswig-Holstein, wurde dies durch die Regionalpläne jetzt schon umgesetzt, andere, wie Bayern, müssen noch nachziehen. In diesen Regionalplänen sind auch Windräder in Wäldern, Naturparks und Landschaftsschutzgebieten vorgesehen.
"Undurchdachte Klimapolitik"
Wagenknecht kritisierte, gerade in den Wintermonaten zeige sich immer wieder, "wie naiv es unter unseren klimatischen Bedingungen ist, fast ausschließlich auf Wind und Sonne zu setzen und die Erneuerbaren ohne Rücksicht auf die Folgewirkungen auszubauen". Wenn der Wind weht und die Sonne scheint, habe Deutschland schon heute oft ein Überangebot an Strom. "Ist es windstill, helfen noch mehr Windanlagen auch nichts", sagte sie. "Kein anderes Land macht eine so undurchdachte Klimapolitik", so Wagenknecht.
Das BSW möchte stattdessen weiter auch auf fossile Energien setzen. "Um die Wirtschaftskrise zu überwinden, müssen die Energiepreise sinken. Nur so können wir Industrie und Mittelstand Rückenwind geben und die Bürger entlasten", sagte Wagenknecht t-online. Die 20 Milliarden Euro, die für Ökostrom ausgegeben würden, sollten "in ein solides Schienennetz und pünktliche Züge" investiert werden. Dies wäre "ein weit sinnvollerer Beitrag zum Klimaschutz".
Der BWE hält dagegen, der Ausbau der erneuerbaren Energien sei der "Königsweg" für den Klimaschutz. "Die größte Gefahr für Natur und Umwelt ist der Klimawandel", teilte ein Sprecher des Verbandes mit.
- Stellungnahme Sahra Wagenknecht
- Regionalpläne der Landesregierungen
- EEG
- Anfrage BWE
- Urteil Bundesverfassungsgericht aus dem November 2022
- Eigene Recherche