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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Junge Alternative" Die Furcht der AfD
Jetzt muss es schnell gehen: Die AfD will ihre Jugendorganisation neu strukturieren. Sie würde sie so vor einem Verbot schützen. Doch der Mutterpartei könnte der Kniff Probleme bringen.
Bei der AfD ging in der vergangenen Woche alles ganz schnell: Am Dienstag fand die Razzia bei der Terrorgruppe der "Sächsischen Separatisten" (kurz: "SS") statt. Schon am Tag darauf beschloss die AfD-Spitze, drei mit der Gruppe in Verbindung stehende Parteimitglieder aus der AfD werfen zu wollen. Dabei ist noch keine Anklage erhoben, auch ein Schuldeingeständnis der drei mutmaßlichen Rechtsterroristen ist öffentlich nicht bekannt.
Verblüffend ist das Vorgehen der Parteispitze, weil die in Teilen rechtsextreme AfD bisher in Fällen, in denen Parteimitglieder in Konflikt mit dem Gesetz gerieten, in der Regel andere Wege ging: Meist betonte sie die Unschuldsvermutung bis zum Schuldspruch und stand ihnen so zur Seite. Sie duldet deswegen eine erhebliche Anzahl von Rechtsextremisten, bereits verurteilten Straftätern und Funktionären mit laufenden Verfahren in ihren Reihen. Darunter auch: eine mutmaßliche Terroristin.
Warum die Partei sich im Fall der "Sächsischen Separatisten" nun anders verhält? Dazu will man sich offiziell nicht äußern. Unter der Hand aber wird in Parteikreisen vor allem ein Treiber genannt: die Sorge, dass der Verfassungsschutz die AfD womöglich bald vom "rechtsextremen Verdachtsfall" zu "gesichert rechtsextrem" höherstuft. Eng mit dieser Höherstufung verbunden sind die Erfolgsaussichten für ein Verbotsverfahren gegen die AfD, der Antrag dafür soll bald in den Bundestag eingebracht werden.
Die Partei, deren Funktionäre den Verfassungsschutz öffentlich verhöhnen und beschimpfen, zeigt so recht deutlich, wie sehr sie seine Macht doch fürchtet. Und der Rauswurf der drei mutmaßlichen Rechtsterroristen, die sich mit Schießtrainings auf einen Staatsstreich vorbereitet haben sollen, soll nach t-online Informationen nicht die einzige Bereinigungs-Maßnahme bleiben.
Diskutiert werden soll zudem erneut und mit Dringlichkeit, die AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative" (JA) neu zu organisieren. "Der Bundesvorstand wird sich mit der JA-Thematik kurzfristig auseinandersetzen", sagte ein Mitglied des 14-köpfigen AfD-Vorstands t-online.
Mehr Kontrolle und zugleich Schutz
Die "Junge Alternative" wird nicht nur vom Verfassungsschutz schon länger als "gesichert rechtsextrem" eingestuft, sie gilt selbst innerhalb der AfD als äußerst radikal. Kritik freilich wird nicht öffentlich geäußert. Denn die JA ist dank einflussreicher Unterstützer, zu denen der Höcke-Flügel fast geschlossen gehört, in der Partei mächtig.
Dennoch plant die AfD-Spitze eine Reform ihrer Jugendorganisation bereits seit Monaten. Sie will so mehr Kontrolle über die Parteijugend erlangen – die nämlich ist bisher rechtlich gesehen als Verein ein von der Partei losgelöstes Konstrukt. Der Parteivorstand kann auch bei harten Verfehlungen nicht durchgreifen und weder Sanktionen verhängen noch Mitglieder ausschließen. Die AfD-Chefs sind machtlos, alles Sache der JA.
Auf zwei zentrale Vorteile hofft man in der AfD durch die Neustrukturierung außerdem: Zum einen könnte sie so vielleicht zumindest zeitweise das Label "gesichert rechtsextrem" von ihrer Jugend abschütteln, das auch die Gesamtpartei belastet. Ganz sicher könnte ihre Jugend zum zweiten nicht mehr so einfach von der Innenministerin verboten werden, wie es bei einem gesichert rechtsextremen Verein möglich wäre. Faeser steht bei Innenpolitikern anderer Parteien seit Monaten in der Kritik, weil sie den Schritt nicht geht.
Der Deal also lautet: Mehr Kontrolle für den Bundesvorstand – mehr Schutz für die JA.
Erhöhter Zeitdruck wegen Neuwahlen
Neue Dringlichkeit ergibt sich für die AfD-Spitze bei dem Thema nun aus zwei Gründen: Erstens waren die drei mutmaßlichen Mitglieder der "Sächsischen Separatisten" nicht nur Mitglieder in der AfD, sondern – wie viele personelle Problemfälle für die Parteispitze zuvor – auch in der JA.
Zweitens setzen die vorgezogenen Neuwahlen sie unter Druck. Ursprünglich sollte die JA-Transformation gemeinsam mit der Kanzlerkandidatin und dem Wahlprogramm für die Bundestagswahl erst auf einem Parteitag im April beschlossen werden. Dieser Parteitag aber muss nun sehr viel früher stattfinden.
Ein neuer Termin steht noch nicht fest, anvisiert wird nach Informationen von t-online aber der Januar. Dort könnte dann zuerst die Bundespartei die nötige Satzungsänderung beschließen. Die JA würde, Stand jetzt, über ihre eigene Zukunft vermutlich erst danach auf einem Bundeskonvent entscheiden.
Dieser JA-Konvent sollte eigentlich im Herbst abgehalten werden, musste wegen Raumproblemen aber verschoben werden. Nun soll auch er erst Anfang des Jahres stattfinden.
Die "Jusos" als Vorbild – mit "intensiver" Prüfung?
Über die Jugend-Modelle anderer Parteien hat sich die AfD bereits vor Monaten informiert. Am ehesten will sie vorgehen wie die SPD mit ihren "Jungsozialisten", bekannter als "Jusos". Das bedeutet: Fester Bestandteil der Partei soll die JA werden, eng eingebunden in die AfD.
Zudem soll nach Informationen von t-online jedes JA-Mitglied in Zukunft auch AfD-Mitglied sein müssen. Zurzeit hat die JA nach eigenen Angaben 2.400 Mitglieder, nur die Hälfte davon ist auch Mitglied in der AfD.
Aus Kreisen des Bundesvorstands hört man derzeit: Alle JA-Mitglieder, die bisher nicht in der AfD sind, sollten einen Antrag auf Mitgliedschaft in der AfD stellen müssen. Und diese Anträge sollten "sehr intensiv geprüft" werden.
Die Hoffnung, dass so Rechtsextremisten und andere Härtefälle zumindest zum Teil aussortiert werden könnten, ist allerdings nicht allzu realistisch. Zwar rühmt sich die AfD gerne eines kritischen Aufnahmeverfahrens. Doch es gibt zahlreiche Gegenbeispiele, in denen Radikale ohne Probleme aufgenommen wurden.
Das jüngste: die drei mutmaßlichen Mitglieder der Terrorgruppe "Sächsische Separatisten", die Mitglieder in JA wie AfD waren.
Neuorganisation "in Zeiten staatlicher Repressionen"
Für die Organisation der Umstrukturierung und die Vermittlung zwischen Jugend und Parteivorstand ist unter anderen Hannes Gnauck zuständig. Er ist Bundesvorsitzender der JA und Bundestagsabgeordneter der AfD. Im Sommer wurde er auf einem Parteitag in Essen speziell als Scharnier zwischen Partei und Jugend in den Bundesvorstand gewählt.
"Der Weg des Bundesvorstands ist richtig und wichtig", sagte Gnauck t-online. Ein neues Modell für die Jugendorganisation sei notwendig. "In Zeiten von staatlichen Repressionen brauchen wir eine Jugendorganisation, die in der Partei funktioniert." Das, so Gnauck weiter, sei "kein Abspalten, sondern ein näheres Zusammenrücken".
Damit hat Gnauck recht: Die AfD würde die Rechtsform, womöglich auch den Namen ihrer Jugendorganisation, ändern. Sie würde aber zugleich die zuhauf stramm rechten Jungmitglieder noch näher an sich ziehen, ja, sie als Partei fest umarmen.
Mit Blick auf den Verfassungsschutz könnte diese Umarmung für die AfD auch eine nachteilige Wirkung haben: Ihre Jugend könnte sie so vor einem Verbot bewahren, sich selbst aber einer Höherstufung näher bringen.
- Eigene Recherchen