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Thüringer Landtag: Björn Höcke mit Coup bei der ersten Sitzung?


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Die Nervosität ist groß
Höckes nächster Coup


Aktualisiert am 26.09.2024Lesedauer: 5 Min.
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Thüringens AfD-Chef Björn Höcke: Er will "Geschichte schreiben". (Quelle: IMAGO/Chris Emil Janssen/imago)
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Björn Höcke und seine AfD könnten den Thüringer Landtag am Donnerstag ins Wanken bringen. Die Arbeitsfähigkeit des Parlaments steht auf dem Spiel.

Björn Höcke liebt es, die Parlamente vorzuführen. 2020 gelang ihm das vortrefflich, als er seine Fraktion darauf einschwor, in geheimer Wahl nicht etwa für den eigenen Kandidaten als Thüringer Ministerpräsidenten zu stimmen, sondern für den FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich. Lediglich dank der AfD-Stimmen wurde Kemmerich, dessen Fraktion nur knapp den Einzug in den Landtag schaffte, Ministerpräsident – allerdings nur für kurze Zeit.

Kemmerichs Wahl mit Stimmen der AfD war ein bisher einmaliger Vorgang, der bundesweite Verwerfungen nach sich zog: Kemmerich dankte rasch wieder ab, die damalige CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer trat zurück, der Ostbeauftragte der Bundesregierung wurde entlassen, Thüringen war über Wochen nicht voll regierungsfähig. Es herrschte Chaos, im Land wie im Bund. Der AfD-Coup beherrschte alle Titelseiten.

Priorität: "Geschichte schreiben"

Die AfD-Fraktion folgte mit ihrem Vorgehen einem Plan von Höcke. Man könne den eigenen Kandidaten wählen – "oder wir können Geschichte schreiben", hatte Höcke in der AfD-Fraktionssitzung kurz vor der Abstimmung gesagt. So erzählt es sein Büroleiter Robert Teske in einem gerade erschienenen Höcke-Werbefilm mit dem Titel "Der lange Anlauf", der von einem rechtsextremen Kollektiv gemacht wurde.

An diesem Donnerstag haben Höcke und seine Fraktion bei der konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags wieder die Gelegenheit, Geschichte zu schreiben. Zwar nicht im selben Ausmaße wie 2020. Aber sie könnten erneut für Turbulenzen im Landesparlament sorgen, die die erste Sitzung des Landtags sprengen. Das Parlament könnte so zeitweise lahmgelegt werden.

Dieses Mal geht es dabei nicht um das Amt des Ministerpräsidenten. Höcke will mit einer anderen brisanten Personalie provozieren. Wenig gilt als sicher mit Blick auf den Ablauf dieser Sitzung – es gibt gleich mehrere Punkte, an denen es eskalieren könnte. Als sicher gilt aber, dass Höcke und seine Mitstreiter diese Gelegenheit nutzen dürften.

AfD-Kandidatin wegen Betrugs verurteilt

Am Donnerstag geht es um die Wahl eines Landtagspräsidenten. Er ist das Oberhaupt des Parlamentes und seine Wahl ist notwendig, damit sich der Landtag überhaupt konstituieren und seine Arbeit aufnehmen kann.

Die AfD hat als Partei mit der stärksten Zustimmung bei der Landtagswahl das Anrecht darauf, den Kandidaten vorzuschlagen. Sie hat das bereits getan: Wiebke Muhsal, die von 2014 bis 2019 für die AfD im Landtag saß, soll Präsidentin werden, wenn es nach der AfD geht.

Schon die 38-jährige Juristin Muhsal als Kandidatin auszuwählen, darf als Provokation gewertet werden. 2016 provozierte sie einen Eklat im Parlament, als sie zu einer Sitzung in Vollverschleierung erschien. Muhsal erklärte, sie wolle so gegen die "Entwürdigung der Frau" protestieren. Andere Parteien warfen ihr vor, den Landtag als "billige Bühne" zu missbrauchen. Die Sitzung des Landtags wurde damals unterbrochen, Muhsal kassierte einen Ordnungsruf.

2018 dann wurde Muhsal rechtskräftig wegen Betrugs verurteilt – und betrogen hatte sie das Thüringer Parlament. Das Oberlandesgericht sah es als erwiesen an, dass sie 2014 einen Arbeitsvertrag einer Mitarbeiterin um zwei Monate vordatiert hatte, um zusätzliches Geld von der Landtagsverwaltung zu erhalten. Mit diesem Geld habe sie dann Büroausstattung, Handy und ihren Internetauftritt finanziert.

Heftiger Streit über die Geschäftsordnung

Die anderen Parteien lehnen Muhsal als Landtagspräsidentin ab – und wollen auf diesem Posten auch keinen anderen Kandidaten der AfD, die in Thüringen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem beobachtet wird. Sie dürften befürchten, dass die AfD die für einen reibungslosen Ablauf wichtige Position immer wieder ausnutzen könnte, um Prozesse im Parlament zu blockieren oder in ihrem Sinne zu beeinflussen. Eine Mehrheit wird Muhsal im Parlament also nicht erhalten.

Nun ist ein heftiger Streit über die Geschäftsordnung entstanden. Die nämlich schreibt vor, dass "die stärkste Fraktion" ein Mitglied des Landtags für das Amt des Präsidenten vorschlägt. Sollte sich für diesen Kandidaten keine Mehrheit ergeben, können "für weitere Wahlgänge neue Bewerberinnen beziehungsweise Bewerber vorgeschlagen werden", heißt es dort außerdem.

Wie diese Passage genau zu interpretieren ist, genauer: ob die neuen Vorschläge nur aus den Reihen der AfD oder auch aus der nächststärksten Parteien – der CDU – kommen dürfen, darüber herrscht Unklarheit und zwischen der AfD und den anderen Parteien grundlegende Uneinigkeit.

Die anderen Parteien vertreten die Auffassung, dass ihnen in weiteren Wahlgängen das Recht zusteht, einen Gegenkandidaten aus ihren Reihen vorzuschlagen. Diese Position vertritt auch die Landtagsverwaltung. CDU und BSW haben außerdem vor der Sitzung erstmalig gemeinsam einen Antrag gestellt, dass die Geschäftsordnung des Landtags dahingehend geändert werden solle, dass dieser Alternativvorschlag auch schon im ersten Wahlgang eingebracht werden kann.

Geht es nach ihnen, soll über diesen Antrag am Donnerstag abgestimmt werden, noch bevor es zur Wahl des Landtagspräsidenten geht. Dann würde Muhsal gleich zu Beginn nicht alleine kandidieren, sondern sofort Konkurrenz erhalten, die beste Aussicht auf den Sieg hätte.

Auf der Tagesordnung, die die noch amtierende Landtagspräsidentin Birgit Pommer an die Fraktion verschickt hat, ist die Abstimmung über den CDU-BSW-Antrag tatsächlich als Punkt 4 vorgesehen – als Punkt 5 erst folgt die Wahl des Parlamentsoberhaupts.

Die AfD dürfte hart bleiben

Die AfD allerdings vertritt eine gänzlich andere Ansicht. Sie hält den Antrag von CDU und BSW auf Änderung der Geschäftsordnung für nicht rechtmäßig – und damit auch die Tagesordnung für Donnerstag für illegitim. Sie möchte nach der Eröffnung der Sitzung gleich zur Wahl des Landtagspräsidenten übergehen.

Bei dieser Wahl wiederum, so zeigt sich die AfD überzeugt, stünde ihr als stärkster Partei in allen Wahlgängen das alleinige Vorschlagsrecht zu. Bedeutet: Die AfD legt die Geschäftsordnung so aus, dass der Landtagspräsident zwingend aus ihren Reihen stammen muss. AfD also – oder gar keiner.

Diese Ansicht dürfte sie in der Sitzung am Donnerstag auch hart vertreten. Schließlich kritisiert die AfD bereits scharf, dass sie als stärkste Kraft keinerlei Aussicht auf Regierungsbeteiligung hat. Weitere Ämter, die ihr aus ihrer Sicht zustehen, dürfte sie sich nicht nehmen lassen wollen.

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AfD-Alterspräsident hat in erster Sitzung große Macht

Am Donnerstag hat die AfD einige Macht, im Parlament ihre Auffassung durchzusetzen. Denn die Eröffnung und die Leitung der Sitzung bis zur Wahl eines Landtagspräsidenten obliegt dem Alterspräsidenten. Und den stellt mit dem 73-jährigen Jürgen Treutler ebenfalls die AfD.

Treutler dürfte dabei ganz im Sinne seiner Fraktion agieren. "Die Rechtsauffassung, die meine Fraktion vertritt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch vom Alterspräsidenten vertreten", kündigte jedenfalls bereits Torben Braga an, Pressesprecher der Thüringer AfD. Und er machte klar: Wenn es Vorbehalte gegen diese Rechtsauffassung gebe, "dann ist es nicht seitens meiner Fraktion so, dass wir eine verfahrensrechtliche Überprüfung beantragen müssten".

Übersetzt: Die Macht liegt erst mal bei der AfD. Wenn die anderen Parteien anders denken, dann müssen sie erst im Parlament protestieren und dann vor das Landesverfassungsgericht ziehen.

Verfassungsgericht müsste entscheiden

Lassen sich die Streitpunkte nicht klären, würde die Sitzung unterbrochen werden. Der Landtag wäre nicht konstituiert und damit auch nicht arbeitsfähig. Das Landesverfassungsgericht wäre zuständig. Dieses dürfte aufgrund der Tragweite der Blockade dann im Eilverfahren entscheiden – möglich wäre eine Entscheidung dann eventuell schon am Freitag oder Samstag.

An welcher Stelle der Sitzung es zur Eskalation kommt, ist nicht klar. Vielleicht schon beim Streit über die Tagesordnung und den Antrag von CDU wie BSW, vielleicht auch erst später bei der Wahl des Landtagspräsidenten.

Im Landesverfassungsgericht jedenfalls dürfte man sich für den Ernstfall schon bereithalten. Und in allen Fraktionen dürfte die Nervosität vor der Sitzung maximal sein.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • youtube.com: "Der lange Anlauf" - Ein Film über Björn Höcke
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