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SPD-Kritik am Kanzler: Gerade noch mal gut gegangen


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SPD-Kritik am Kanzler
An ein Wunder glaubt niemand mehr


Aktualisiert am 25.09.2024Lesedauer: 6 Min.
Kanzler Olaf Scholz: Die Zweifel in der SPD wachsen.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz: Die Zweifel in der SPD wachsen, ob der Kanzler die Wahl 2025 gewinnen kann. (Quelle: Thomas Trutschel/getty-images-bilder)
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Die parteiinterne Kritik an Olaf Scholz wurde zuletzt immer lauter. Der SPD-Sieg in Brandenburg hat dem Kanzler eine Verschnaufpause verschafft – mehr aber auch nicht. Vor allem ein Ereignis könnte Scholz gefährlich werden.

Es waren nur 1,7 Prozentpunkte, die der SPD bei der Landtagswahl in Brandenburg den Sieg sicherten. In einer spektakulären Aufholjagd landeten die Genossen bei 30,9 Prozent, gegenüber den 29,2 Prozent für die AfD. Ein hauchdünner Sieg, der wohl einen politischen Tsunami verhinderte.

Die 1,7 Prozentpunkte retteten nicht nur die politische Karriere von Ministerpräsident Dietmar Woidke, der im Fall einer Niederlage seinen Rückzug angekündigt hatte. Sondern womöglich auch die von Olaf Scholz. Denn die parteiinterne Kritik am SPD-Kanzler war in den vergangenen Wochen immer weiter gestiegen. Die heftigen Schlappen bei der Europawahl und im Osten, miese Umfragewerte, Scholz’ spröder Politikstil, der Ampeldauerstreit – in der SPD wuchs allmählich das zarte Pflänzchen der Rebellion.

Zeichen des Zorns

Die Kritik an Scholz und Teilen der Parteispitze wurde nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand geäußert. Im Vorfeld der Brandenburg-Wahl trauten sich einzelne Sozialdemokraten, sie auch offen auszusprechen: Der Chef der Duisburger SPD etwa, Mahmut Özdemir, der seinem Ärger auf Facebook Luft machte; oder die Finanzministerin von Brandenburg, Katrin Lange, die das öffentliche Auftreten mancher Genossen als "unerträglich" bezeichnete.

Es waren Zeichen des Zorns, die sich zunehmend einen Weg aus dem Parteiinneren an die Oberfläche bahnten. Vereinzelt wurden sogar Forderungen laut, Scholz die Kanzlerkandidatur wegzunehmen und stattdessen Verteidigungsminister Boris Pistorius ins Rennen zu schicken. "Natürlich kommt der beliebteste Politiker Deutschlands als SPD-Kanzlerkandidat infrage", sagte kürzlich der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Er sprach aus, was viele, vor allem an der SPD-Basis, heimlich denken.

Rebellion vertagt

Doch die Revolte blieb aus. Woidkes Überraschungssieg brachte den revolutionären Funken vorerst zum Erlöschen. Im Fall einer Niederlage wäre eine offene Rebellion in der SPD kein unwahrscheinliches Szenario gewesen. "Hätten wir Brandenburg und Woidke verloren, wäre die Stimmung in der Partei gekippt", so ein Genosse zu t-online. In der Fraktionssitzung der SPD am Dienstag war die Brandenburg-Wahl auch nur noch am Rande ein Thema. Es ging um Industriearbeitsplätze, Migration, das Sicherheitspaket – die Genossen wollen nach vorn blicken.

Ende gut, alles gut? Mitnichten. Die Gefahr für den SPD-Kanzler ist damit längst nicht gebannt, die Partei höchstens an der Oberfläche befriedet.

Denn die strukturellen Probleme der SPD bleiben. Auch ist Scholz – den öffentlichen Beschwörungen der Parteispitze zum Trotz – als Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl 2025 nicht gesetzt. Dafür sind die Zweifel bei vielen Genossen einfach zu groß. Auch die Stimmung im Land könnte kaum eindeutiger sein: Laut einer aktuellen Umfrage wünschen sich 67 Prozent der Deutschen Pistorius als Kanzlerkandidat der SPD; nur 21 Prozent sind für Scholz. Kann die Kanzlerpartei diesen Trend wirklich ignorieren?

"Die Situation der Bundes-SPD ist derzeit sehr schwierig"

Intern macht die Partei keinen Hehl aus ihrer aktuellen Lage: Wie ehrlich sie hinter den Kulissen ihren Zustand analysiert, zeigt etwa ein Vermerk, der im Auftrag des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) am Montag als "Wording für Medienanfragen" an die Genossen in Niedersachsen verschickt wurde.

"Die Situation der Bundes-SPD ist derzeit sehr schwierig", heißt es dort. Das zeigten Wahlergebnisse ebenso wie Umfragen. Es wäre daher ein "großer Fehler", nach der Brandenburg-Wahl zur Tagesordnung überzugehen. Stattdessen müsse die SPD ein klares Signal an die Wähler senden: "Wir haben verstanden!".

Doch was genau eigentlich? Dass man auf die falschen Themen und Leute gesetzt hat? Dass sie sich in den vergangenen Jahren immer weiter von ihren Kernwählern entfernt hat? Unklar. Offenbar haben auch Weils Leute bisher keine Antwort: "Was genau das bedeutet, muss im Mittelpunkt der schwierigen internen Beratungen stehen, die jetzt auf Ebene der Bundespartei folgen müssen", heißt es weiter.

Die Sprachregelung aus dem Umfeld des niedersächsischen Ministerpräsidenten, der auch Chef des dortigen Landesverbands ist, veranschaulicht gut das aktuelle Dilemma der Kanzlerpartei: Die Sozialdemokraten wissen, dass sie mit Vollgas auf eine Wand zurasen, aber nicht, wie sie den Crash verhindern können.

Vorbereitung auf die Bundestagswahl

Die Fragen sollen demnächst auf höchster Ebene besprochen werden. Auf der Klausurtagung des Parteivorstands und des Präsidiums am 13./14. Oktober geht es vor allem um eines: die Schlachtordnung der SPD für die Bundestagswahl 2025. Bei dem Treffen will die Parteispitze ein strategisches Gesamtpaket schnüren, um die SPD fit für den Wahlkampf zu machen. Vertreter aller 16 SPD-Landesverbände werden mitreden; am Ende soll eine Strategie für ganz Deutschland stehen.

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Achim Post fordert eine "ehrliche Bestandsaufnahme": "Darauf aufbauend werden wir eine Gesamtstrategie entwickeln, mit dem Ziel, eine signifikante Wende im Bundestrend einzuleiten", sagt er t-online. Es gehe um einen "Fahrplan mit klaren Kriterien", wie es die Partei in den nächsten zwölf Monaten schaffen könne, die Union einzuholen.

Post, der auch Chef des größten Landesverbands in NRW ist, zeigte sich trotz des aktuellen Umfragetiefs überzeugt, dass die SPD wieder in die Vorhand kommen kann: "Die SPD steht für soziale, äußere und innere Sicherheit. Diese sozialdemokratischen Kernbotschaften müssen wir in den nächsten Monaten noch stärker nach vorn stellen."

SPD im Stimmungstief

Klar ist: Es wird ein langer Weg. Aktuellen Umfragen zufolge liegt die SPD bei 15 Prozent, CDU/CSU kommen auf mehr als das Doppelte, 33 Prozent. Die Kanzlerpartei beruhigt sich damit, dass sie das schon einmal geschafft hat, bei der Wahl 2021, als Scholz innerhalb weniger Wochen einen Abstand von 13 Prozent wettmachte und am Ende knapp vor der Union lag.

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Die SPD-Spitze weiß natürlich, dass sich das Szenario von damals nicht einfach kopieren lässt. An eine wundersame Aufholjagd, die 2021 vor allem mit der Schwäche der Konkurrenz zu tun hatte, glaubt heute kaum jemand. Der Bochumer Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer macht sich keine Illusionen: "Es wird eine Herkulesaufgabe. Wir werden nicht wie 2021 auch deshalb gewinnen, weil unsere politischen Gegner schwere Fehler gemacht haben", so Schäfer zu t-online.

Der altgediente Sozialdemokrat, der Ende August in einem Brandbrief seine Parteikollegen zu einem Kurswechsel aufgerufen hatte, warnt: "Es geht um die Existenz der SPD. Wenn wir jetzt nicht den Schalter umlegen, werden wir bei der Bundestagswahl scheitern. Das gilt auch für den Kanzler: Er muss stärker in die Offensive gehen."

In der Fraktion wird es langsam unruhig

Vor allem die Fraktion der SPD steht im Feuer. Sollte die Partei ihre Performance bis zur Wahl am 28. September nicht verbessern, dürften viele Genossen ihr Mandat verlieren. Verschärfend kommt hinzu, dass die Ampel mit ihrer Wahlreform den Bundestag gerade erst verkleinert hat. Von den aktuell 207 SPD-Abgeordneten im Bundestag könnten im nächsten Jahr nur die Hälfte übrig bleiben.

Der Co-Sprecher des linken Parteiflügels im Bundestag, Tim Klüssendorf, erhöht daher den Druck auf seine Kollegen – und den Kanzler: "Unsere Parteispitze hat es klar gesagt: Die Wahl in Brandenburg hat unsere Ausgangslage im Bund um keinen Millimeter verbessert." Alle müssten sich jetzt mehr anstrengen, auch der Kanzler: "Als prominentester Sozialdemokrat muss Olaf Scholz kämpferischer auftreten und endlich klarer kommunizieren", so Klüssendorf zu t-online.

Zugleich fordert der Lübecker Abgeordnete, dass die SPD innerhalb der Regierung künftig sichtbarer wird: "Wir werden jetzt den Druck erhöhen, dass die Ampel nun die Vorhaben angeht, die wir als Sozialdemokratie den Menschen versprochen haben: unter anderem das Rentenpaket II, das Tariftreuegesetz, die Kindergrundsicherung." Als SPD-Fraktion erwarte man, dass das nicht nur angekündigt, sondern auch umgesetzt wird.

Droht ein vorzeitiges Ampel-Aus?

Ob das beim Kanzler ankommt? Zweifel sind angebracht. Seit Monaten appelliert die Partei an Scholz, mehr Leidenschaft zu zeigen und Konflikte in der Ampel auch mal im Sinne der Sozialdemokratie zu lösen. Gebracht hat es wenig. Und gerade jetzt, in der Spätphase der Ampel, soll sich das ändern?

Jenseits aller Binnengesetze der Sozialdemokratie könnte ein ganz anderes Ereignis die K-Frage der SPD beschleunigen: der mögliche Kollaps der Ampel, der durch die Brandenburg-Wahl wieder etwas wahrscheinlicher geworden ist. Die FDP-Spitze soll sogar ein mögliches Datum – vor dem 14. November – für einen Exit besprochen haben, berichtete die "Bild"-Zeitung am Dienstag. Auch in der SPD wurde am Dienstagabend gemunkelt, "im November könnte etwas passieren".

Ob ein vorzeitiger Ampelbruch Olaf Scholz als Kanzlerkandidat wahrscheinlicher macht oder einen Austausch gegen Boris Pistorius beschleunigen würde, kann derzeit niemand seriös beantworten. Die nächsten Wochen könnten entscheidend werden, für die Ampel, die SPD – und für Olaf Scholz.

Hinweis der Redaktion: Zunächst hieß es im Text, die SPD-Vorstandsklausur finde am 12. Oktober statt, tatsächlich ist das Treffen am 13./14. Oktober. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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