Zurückweisung an Grenzen? Union bringt überraschend Antrag ein – FDP kontert
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mit einem Antrag zur Migrationspolitik will die Union die FDP in der Ampelkoalition zum Schwur zwingen. Die jedoch lehnt ab: Bei solchen "Spielchen" mache man nicht mit.
Die Unionsfraktion bringt am Donnerstag einen Antrag in den Bundestag ein, der die Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze fordert. Entgegen dem Wunsch der Union will die Ampel-Koalition den Antrag jedoch direkt an die zuständigen Ausschüsse weiterleiten und nicht zur Abstimmung im Plenum stellen. Auch die Liberalen, die die Union mit ihrem Vorhaben vor allem adressieren, lassen CDU und CSU jetzt abblitzen und sprechen von "Spielchen".
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, sagte am Morgen im Deutschlandfunk, er bedauere diesen Schritt. Damit verstreiche die Möglichkeit, zu zeigen, ob es für umfassende Zurückweisungen eine parlamentarische Mehrheit gebe.
"Wir hätten gerne darüber abgestimmt", sagte der CDU-Politiker. "Damit hätte die FDP die Gelegenheit bekommen, den Worten Taten folgen zu lassen. Leider lehnt das die Koalition ab und verschiebt den Antrag in die Ausschüsse."
FDP-General will Union zu weiteren Gesprächen bewegen
Hintergrund des Antrags dürfte auch sein, dass die FDP am Mittwoch noch signalisiert hatte, für eine Zusammenarbeit mit der Union bereit zu sein. In Richtung von CDU-Fraktionschef Friedrich Merz erklärte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in seiner Plenarrede: "Es gibt keine Ampel in der Migrationspolitik. Wir als FDP stehen Ihnen weitaus näher als unseren geschätzten Kollegen von der Koalition. Deswegen müssen wir an dieser Stelle gemeinsam denken."
Die Ampel-Regierung hatte zuvor Gespräche mit Union und Ländern über ein mögliches gemeinsames Vorgehen in der Migrationspolitik geführt. CDU-Chef Friedrich Merz hatte diese nach der zweiten Runde für gescheitert erklärt.
Die Unionsfraktion vertritt die Auffassung, dass auch Menschen, die Asyl beantragen wollen, direkt an der Grenze zurückgewiesen werden könnten - denn für ihr Verfahren sei nach den Dublin-Regeln ohnehin der EU-Staat zuständig, über den sie zuerst eingereist seien. Derzeit werden nur Ausländer zurückgewiesen, gegen die schon eine Einreisesperre verhängt wurde oder die kein Asylgesuch vorbringen.
Dass der Antrag der Union nun nicht zur Abstimmung gestellt wird, ist trotz der Worte Djir-Sarais nicht ungewöhnlich. Tatsächlich gilt es im parlamentarischen Alltag als nahezu ausgeschlossen, dass sich Koalitionsfraktionen durch ein entsprechendes Vorgehen der Opposition spalten lassen.
"Das Spielchen der Union machen wir nicht mit"
So betont auch der stellvertretende Fraktionschef der Liberalen im Bundestag, Christoph Meyer, im Gespräch mit t-online: "Eine Sofortabstimmung des Unionsantrags wäre widersinnig, weil Kontrolle über Migration und Zurückweisungen weiter intensiv besprochen werden müssen, um zu wirksamen Lösungen zu kommen."
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Der kurzfristig vorgelegte Antrag, der "unzureichend auf die komplexe Problemlage eingeht", werde der Ernsthaftigkeit des Themas und der Erwartung der Bevölkerung nicht gerecht. "Das Spielchen der Union machen wir nicht mit, denn der FDP geht es um effektive Verschärfungen in der Migrationspolitik und nicht um den Beschluss von Papiertigern."
Die Zahlen bei der illegalen und unkontrollierten Migration müssten "runter", darüber sei man sich mit der Union einig. Aber, so Meyer: "Das Migrationsthema muss jetzt zwischen Scholz, Habeck, Linder und Merz besprochen werden, das ist eine Frage der staatspolitischen Verantwortung und keine Seite darf sich dem verweigern."
Lindner: Merz sollte mit ihm, Scholz und Habeck reden
Damit spricht der FDP-Mann einen Vorschlag an, den Lindner schon am Dienstag gemacht hatte. Auf X postete Lindner: Friedrich sollte mit Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und ihm das Gespräch suchen. "Wir werden gemeinsam das Problem lösen."
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Ob es zu einem solchen Treffen kommt, blieb bis zuletzt offen. CDU-Politiker Frei erklärte am Morgen im Deutschlandfunk dazu, die Union sei weiter gesprächsbereit. "Grundsätzlich stehen die Türen offen", sagte er. "Grundsätzlich sind wir gesprächsbereit, egal auf welcher Ebene. Aber am Ende muss etwas dabei herauskommen." In den gescheiterten Gesprächen sei aber "keine gemeinsame Basis" für die Fortsetzung gefunden worden.
Griechischer Ministerpräsident kritisiert deutsche Debatte
Im Ausland schlägt die Asyl- und Migrationsdebatte derweil zunehmend Wellen. In der Kritik stehen vor allem mögliche Einreiseverbote für Flüchtlinge, die aus anderen EU-Staaten nach Deutschland kommen.
Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis sagte am Donnerstag in einem Radiointerview, auf zunehmende Migration dürfe nicht mit einer einseitigen Abschaffung des grenzkontrollfreien Schengen-Raums reagiert werden. Das Problem würde so an die Länder mit europäischen Außengrenzen weitergereicht. Mitsotakis plädierte für einen "fairen Kompromiss" zwischen allen europäischen Ländern, der die Notwendigkeit des Schutzes der europäischen Außengrenzen berücksichtige.
Zuvor hatte Österreich wiederholt Widerstand angekündigt und betont, das Land werde keine Personen entgegennehmen, die an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden. Der Nachbar habe zwar das Recht, Menschen zurückzuschicken, wenn ein anderes EU-Land für den Asylantrag zuständig sei. Dafür seien aber ein formelles Verfahren und die Zustimmung des betroffenen Mitgliedsstaates nötig, heißt es aus Wien.
- Statement von FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer
- Mit Material der Nachrichtenagenturen AFP und dpa