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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kanzler angezählt SPD-General will Scholz verteidigen – und scheitert
Bei "Caren Miosga" wird mit Kanzler und Ampel abgerechnet. Der Grüne Jürgen Trittin erklärte, warum gerade das schlechte Wahlergebnis die Regierung zusammenhalten könnte.
Der SPD-Wahlkampfmanager Kevin Kühnert hatte am Sonntagabend die undankbare Aufgabe, das schlechteste Abschneiden einer deutschen Kanzlerpartei in der Geschichte der Europawahlen zu erklären. In Caren Miosgas ARD-Talk, der unter der Überschrift "Europa hat gewählt – wohin steuert Deutschland?" stattfand, zeigte sich Kühnert selbstkritisch hinsichtlich der sozialdemokratischen Wahlstrategie. Diese hatte stark auf dem Thema Frieden und der Figur von Kanzler Olaf Scholz beruht. "Wir haben wirklich etwas aufzuarbeiten", gestand Kühnert ein.
Ein Teil der Wahrheit hinter dem schlechten Abschneiden liege zudem im Erscheinungsbild der SPD-geführten Ampelkoalition, führte Kühnert weiter aus. Zu einer Vertrauensfrage im Parlament oder Neuwahlen, wie sie nach dem ähnlich desaströsen Wahlergebnis vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron ausgerufen worden sind, sah Kühnert allerdings keinen Anlass. Der Kanzler verfüge weiterhin über eine eigene Mehrheit im Parlament. "Dass die Ampel nicht handlungsfähig wäre, das kann ich nun wirklich nicht erkennen", so der SPD-Generalsekretär.
Die Gäste
- Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär
- Jens Spahn, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
- Melanie Amann, stellvertretende Chefredakteurin beim "Spiegel"
- Jürgen Trittin, Grünen-Urgestein
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Mit diesen Versuchen, den Regierungschef aus der Schusslinie zu nehmen, hatte der Sozialdemokrat allerdings keinen Erfolg. Sein Mitdiskutant vom Wahlsieger Union, der CDU-Politiker Jens Spahn, lobte zwar Kühnerts verhältnismäßig ehrliche Analyse, mit Scholz ging er dafür umso härter ins Gericht. Die Diskussion geriet dadurch in Teilen zur offenen Abrechnung mit dem Stil des Kanzlers und der Ampelkoalition.
Jens Spahn: Verhältnis zwischen Kanzler und Volk irreparabel
Scholz habe zwar mit seiner Inszenierung als Friedenskanzler, Abschiebekanzler und Rentenkanzler richtige Schwerpunkte gesetzt, diese aber nicht vermitteln können. Daran zeige sich, dass der Kanzler die Verbindung zu den Deutschen "wohl irreparabel verloren" habe, argumentierte Spahn. "Das lässt sich nicht mehr retten, und man hat den Eindruck, es kümmert ihn gar nicht", fügte der CDU-Bundestagsabgeordnete hinzu.
Daraus ergebe sich für ihn die Frage, ob es mit Olaf Scholz an der Spitze der Regierung noch weitergehen könne. Die Antwort darauf versuchte der Konservative selbst zu geben. "Dass vier von fünf Deutschen der Regierung nicht vertrauen, hat es noch nie gegeben", argumentierte Spahn.
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"Die SPD ist massiv beschädigt", bestätigte Melanie Amann Spahns Ausführungen. Wenn man bedenke, dass die Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP mit führenden Figuren – dem SPD-Kanzler Olaf Scholz, dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck und der liberalen Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann – in den Europawahlkampf gezogen seien, könne man das Ergebnis tatsächlich als Abstimmung über die Regierungspolitik verstehen. Unter dem Strich sei das also eine verheerende Bilanz, konstatierte Amann.
Hält die Ampelkoalition bis 2025 durch?
Ein Hauptproblem erkannte auch die stellvertretende "Spiegel"-Chefredakteurin im Führungs- und Kommunikationsstil des Kanzlers. Man bekomme von Olaf Scholz immer wieder den Eindruck gespiegelt, dass die Unzufriedenheit der Bevölkerung nicht an ihn rankomme. Außerdem könne der vermeintliche "Friedenskanzler" nicht einmal Frieden in der eigenen Koalition herbeiführen. Da müsse man sich die Frage stellen, ob es nicht besser sei, den Stecker zu ziehen, befand Amann und resümierte: "Mir fehlt einfach die Perspektive, wie die sich bis zum regulären Wahltag noch berappeln sollen."
Eine gegensätzliche Prognose hatte Jürgen Trittin parat. Das Grünen-Urgestein durfte den zweiten Teil der von Sportberichterstattung unterbrochenen Talk-Sendung ganz für sich beanspruchen.
"Ich gehe davon aus, dass gerade nach diesem Ergebnis die Ampel bis 2025 regieren wird. Das hat auf den inneren Zusammenhalt eine eher beruhigende Wirkung, so paradox es klingt", erläuterte der ehemalige Bundesumweltminister. Gerade die geringen Wahlaussichten aller Beteiligten erwiesen sich als hilfreich, so Trittin sinngemäß. Die Neigung bei allen drei Parteien, aus Angst vor dem Tod Selbstmord zu begehen, sei nicht besonders groß.
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Für das schlechte Abschneiden seiner eigenen Partei machte Trittin zwei zentrale Gründe aus. Man habe zum einen die Veränderungsbereitschaft der Bevölkerung ein Stück überschätzt, zum anderen die Botschaft der Veränderung nicht mit einer Botschaft der Sicherheit verknüpft.
Dabei hatte CDU-Politiker Spahn zuvor noch an die Ampelparteien appelliert, diesmal keine Kommunikationsprobleme für die Wahlniederlage verantwortlich zu machen. Sein Appell lautete: "Bitte nehmt dieses Ergebnis endlich ernst und versucht mal nicht, die Dinge besser zu erklären, sondern anders zu machen."
- ARD: Sendung "Caren Miosga" vom 9. Juni 2024