"Radikal auf Kosten anderer Menschen" Habeck attackiert Weselsky für neuen GDL-Streik
Der neue Streik der GDL-Lokführer stößt in der Bundesregierung auf Unverständnis. Ein Experte warnt derweil vor den Folgen für die deutsche Wirtschaft.
Führende Bundespolitiker haben zum erneuten Streik der Lokführergewerkschaft GDL Stellung bezogen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kritisierte im Gespräch mit den Sendern RTL/n-tv den GDL-Chef Claus Weselsky. "Mein Verständnis ist tatsächlich nicht mehr ausgeprägt", sagte der Grünen-Politiker demzufolge am Donnerstag.
Direkt auf Weselsky angesprochen sagte Habeck, es sei dringend der Moment gekommen, wo eine Lösung hermüsse. "Das muss möglich sein, eine Lösung zu finden und die Interessen, die man hat, jetzt nicht auf Kosten anderer Menschen so radikal auszutragen, das finde ich nicht mehr richtig", so Habeck weiter.
Das GDL-Personal streikt seit Mittwochabend, nachdem die Gewerkschaft die Tarifverhandlungen mit der Bahn am Montag abgebrochen hatte. Außerdem plant sie zukünftig sogenannte Wellenstreiks, die ohne vorherige Ankündigung erfolgen sollen.
Wissing: "Gründe zum Streiken statt Lösungen"
Auch Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) nahm Weselsky am Donnerstag in die Pflicht. "Wir können nicht anfangen, Tarifkonflikte politisch oder von Regierungsseite her zu lösen", sagte Wissing (FDP) dem ARD-Hauptstadtstudio. Klar sei, dass die Bahn im Eigentum des Bundes stehe. "Aber klar ist auch, dass sie ein Unternehmen am Markt ist." Als solches müsse sie als Tarifpartei verhandeln.
Zu den falschen Darstellungen Weselskys eines Zwischenstands der Verhandlungen mit der Bahn sagte Wissing zuvor: "Ich finde es nicht nachvollziehbar, weshalb Herr Weselsky das Schlichterpapier falsch verstanden hat. Denn das Schlichterpapier ist nicht missverständlich formuliert. Und ich muss schon einfordern, dass hier professionell und auch verantwortungsbewusst verhandelt wird."
Weselsky hatte am Dienstag einen "Denkfehler" eingestanden: Am Montag hatte er die abermaligen Streiks damit begründet, dass das Papier der Schlichter nur eine Stunde Verkürzung der Wochenarbeitszeit ohne Lohnverlust vorschlage. Tatsächlich ist darin jedoch von einer Reduzierung um zwei Stunden auf 36 Wochenstunden die Rede. Die GDL fordert eine 35-Stunden-Woche für ihre Lokführer. Hier lesen Sie mehr dazu.
Linken-Politikerin greift Bahnvorstand an
Die Vorsitzende der Gruppe Die Linke im Deutschen Bundestag, Heidi Reichinnek, verteidigte die GDL hingegen. "Streiks sind ja ein wichtiges Instrument im Arbeitskampf und die Menschen streiken ja nicht einfach, weil sie Spaß daran haben, sondern die streiken für bessere Löhne und für bessere Arbeitsbedingungen", sagte Reichinnek RTL/n-tv. Gewerkschaftsführer Weselsky nannte sie einen "guten Mann", der "seine Kolleginnen und Kollegen ziemlich gut" vertrete.
Auch dafür, dass Weselsky der angebotene Kompromiss der 36-Stunden-Woche nicht genug war, äußerte Reichinnek Verständnis. "Gerade in dem Bereich mit Schichtarbeit, auch mit dem Druck, den man da hat, ist das schon ein wichtiges Ziel." Die GDL habe es geschafft, mit 28 anderen Tarifpartnern Verträge abzuschließen. Nur die Deutsche Bahn stelle sich quer.
"Ich würde das Problem nicht bei den Streikenden suchen, die für ihre Rechte kämpfen, sondern bei denen, die den Streikenden nicht entsprechend entgegenkommen", so Reichinnek. Sie verwies stattdessen auf den Bahnvorstand, der sich gerade wieder Millionen-Boni ausgezahlt habe.
Ökonom warnt vor wirtschaftlichen Folgen
Derweil warnte der Leiter des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, dass der GDL-Streik zusammen mit dem parallel stattfindenden Streik des Lufthansa-Bodenpersonals und der Luftsicherheit der angeschlagenen deutschen Wirtschaft einen weiteren Dämpfer versetzen werde. "Das ist eine zusätzliche Belastung, die wir eigentlich nicht gebrauchen können."
Fuest sagte: "Die Wirtschaft schrumpft, und wenn so etwas noch dazukommt, dann fehlen ja plötzlich Teile in der Produktion, die nicht geliefert werden können, oder es können Menschen nicht zu Meetings kommen, vielleicht auch nicht zur Arbeit." Die Bahn und der Luftverkehr seien systemisch wichtige Bereiche. "Deshalb muss man schon überlegen, ob das alles noch verhältnismäßig ist." Fuest schlug strengere Regeln wie etwa längere Ankündigungszeiten für Streiks vor.
Die Schärfe der Tarifauseinandersetzungen ist aus Sicht des Ökonomen auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Wirtschaft schwächelt. "Der Kuchen wird ja kleiner. Das, was wir verteilen können, wird kleiner, und dann nimmt der Streit zu. Es ist viel leichter, in einer wachsenden Wirtschaft Zugeständnisse zu machen." Fuest fügte hinzu: "Man muss aber sagen, dass in Deutschland die Gewerkschaften insgesamt sehr vernünftig sind." In den zurückliegenden zehn Jahren habe es in Frankreich vier- bis fünfmal so viele Streiktage gegeben wie in Deutschland.
- Nachrichtenagentur dpa
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