Virchowbund kritisiert Gesundheitsminister "Lauterbach wird zum Vater der Zwei-Klassen-Medizin"
Gesundheitsminister Karl Lauterbach will Hausärztinnen und Hausärzte von überflüssiger Bürokratie befreien. Ein Gesetz dazu soll noch im Januar kommen.
Der Virchowbund, ein Berufsverband der niedergelassenen Ärzte, kritisiert die Ergebnisse des Krisengipfels zwischen den ärztlichen Verbänden und Bundesgesundheitsminister Lauterbach. Lauterbachs "Versuch, einseitig die hausärztliche Versorgung zu fördern und die Fachärzte weiterhin zu ignorieren, ist ein Versuch, die Ärzteschaft zu spalten und das Gesundheitssystem komplett umzubauen", erklärte der Virchowbund-Vorsitzende Dirk Heinrich in einer Pressemitteilung.
Es liege nun auf der Hand, dass der Minister die Fachärzte auf mittlere Sicht in den Krankenhäusern statt in deren Praxen sehe. Eine fachärztliche Grundversorgung werde es dann im bisherigen Umfang nicht mehr geben. "Damit wird Lauterbach zum Vater der Wartelistenmedizin und des Endes der freien Arztwahl in Deutschland. Und er wird damit auch zum Vater der Zwei-Klassen-Medizin, weil sich Patienten aus dieser Wartelistenmedizin herauskaufen werden", kritisierte Heinrich den Minister.
Lauterbach: Wartezeiten sollen kürzer werden
Nach Plänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sollen Hausärztinnen und Hausärzte mehr finanzielle Freiräume bekommen, um Wartezeiten und Engpässe zu vermeiden. "Wir wollen auch die Hausarztpraxen ent-ökonomisieren", sagte der SPD-Politiker am Dienstag nach einem Gespräch mit Vertretern von niedergelassenen Medizinern und gesetzlichen Krankenkassen in Berlin.
Im Vordergrund stehen solle nicht mehr, wie oft ein Patient einbestellt werden müsse, damit Praxen das volle Honorar auslösen können. Es werde damit weniger Patienten im Wartezimmer geben, sodass sich Praxen auf jene konzentrieren könnten, die medizinisch versorgt werden müssten.
Patientenschützer fordern Überprüfung der Hausärzte
Konkret sollen für Hausärzte Budgets mit Obergrenzen bei der Vergütung durch die Kassen aufgehoben werden. Dies soll dazu führen, dass alle in den Praxen erbrachten Leistungen bezahlt werden. Zudem soll sich der bürokratische Aufwand verringern. Die Ampel-Koalition hatte den Schritt bereits im Koalitionsvertrag angekündigt. Der auch bei anderen Arztgruppen existierende Deckel bei der Bezahlung war im vergangenen Jahr bereits bei den Kinderärztinnen und -ärzten aufgehoben worden.
Kritik an den Plänen Lauterbachs kam zuvor vom Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz: "Die Entbudgetierung allein ist keine Zauberformel für alle Probleme", so Eugen Brysch zu der Deutschen Presse-Agentur. Er fordert Qualitätsprüfungen bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten in Deutschland. "Patientinnen und Patienten brauchen vor allem eine verlässliche und gute ambulante medizinische Versorgung." Doch Qualität und Therapieerfolg würden im niedergelassenen Bereich nicht überprüft.
Abrechnungen sollen vereinfacht werden
Vereinfachungen kommen sollen auch bei erwachsenen Versicherten mit chronischen Erkrankungen, die kontinuierlich Arzneimittel benötigen. Für sie sollen Hausärzte künftig nur noch einmal jährlich eine Versorgungspauschale beim ersten Kontakt abrechnen – unabhängig von folgenden weiteren Terminen. Dies soll die Zahl vermeidbarer Praxisbesuche deutlich senken und mehr Behandlungszeit ermöglichen. Auch mögliche Sprechstunden per Telefon sollen die Abläufe vereinfachen.
Wenn Praxen zudem bestimmte Kriterien wie Hausbesuche oder eine Mindestzahl an Versicherten in Behandlung erfüllen, sollen sie eine gesetzlich geregelte "Vorhaltepauschale" bekommen können. Dies soll Praxen eine Förderung bringen, die besonders zur Versorgung beitragen. Einmal pro Jahr sollen Hausarztpraxen auch eine qualifizierte Hitzeberatung für Risikogruppen mit der Kasse abrechnen können.
Gesetz soll noch im Januar kommen
Die Pläne besprach Lauterbach am Dienstag auf einem Krisentreffen mit Ärzteschaft und Krankenkassen. Noch im Januar soll ein Gesetz dazu verabschiedet werden, teilt der SPD-Politiker auf dem Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter, mit. Allen Ärzteforderungen will er jedoch nicht nachkommen. Es wird sich also zeigen, ob Lauterbach die Hausärzte mit seinen Plänen zufriedenstellen kann.
Zwischen den Jahren hatten Tausende Praxen geschlossen, nachdem Ärzteverbände dazu aufgerufen hatten, so ihren Protest gegen die Gesundheitspolitik auszudrücken. Bereits an einem Brückentag im Oktober waren viele Arztpraxen aus Protest geschlossen geblieben.
Der Chef des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Beier, mahnte, nun dürfe es nicht bei Absichtserklärungen bleiben. Ohne konkrete gesetzgeberische Schritte in den kommenden Wochen und Monaten drohe sich die Situation zuzuspitzen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Konkret bedeutet das, dass immer mehr Patientinnen und Patienten keine Hausarztpraxis mehr finden, die sie noch aufnehmen kann, und gleichzeitig die Wartezeiten immer länger werden".
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- twitter.com: @Karl_Lauterbach