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Steuerschätzung: Ampelstreit um Haushalts droht – Wie reagiert Lindner?


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Streit ums Geld
Es wird ernst


31.10.2023Lesedauer: 4 Min.
Berlin: Finanzminister Christian Lindner in der Hauptstadt.Vergrößern des Bildes
Berlin: Finanzminister Christian Lindner in der Hauptstadt. (Quelle: IMAGO/Florian Gaertner)
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Nach der Steuerschätzung ist klar: Es gibt nur wenig zusätzliches Geld zu verteilen. In der Koalition droht neuer Krach um Grundsatzfragen, der Finanzminister will standhaft bleiben. Kann das funktionieren?

Es ist kurz vor zwölf an diesem Dienstag, als Christian Lindner in Düsseldorf vor die Presse tritt und gleich zur Sache kommt. Es geht um die Schuldenbremse. Lindner, gestreifte Krawatte, ernster Blick, sagt: "Die Schuldenbremse ist eine Inflationsbremse." Wenn man diese aussetze, habe das große Folgen, so Lindner: "Wir würden die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen riskieren."

Lindner hat das schon oft gesagt. Doch Rolf Mützenich, der Fraktionschef der SPD, hatte kürzlich gesagt, dass man die Schuldenbremse wieder aussetzen könne. Obwohl man sich sogar im Koalitionsvertrag auf eine Einhaltung verständigt hatte. Überlegen könne man trotzdem mal, heißt es plötzlich aus der SPD.

Davon hält Christian Lindner nichts. Und um die SPD-Bewegung möglichst kleinzuhalten, bezieht er schnell und deutlich dagegen Position. Auch deshalb redet er in Düsseldorf, wo er die FDP-Landtagsfraktion besuchte, zuerst über Bundespolitik. Es ist ein Teil seiner Botschaft, mit der er aktuell durch Fernsehinterviews zieht: Das Geld des Staates ist endlich, höhere Schulden müssen von der nächsten Generation zurückgezahlt werden, deshalb muss man damit sparsam umgehen und die Rückkehr zur Schuldenbremse ist beschlossene Sache.

Der Ton wird rauer zwischen den Partnern

Die vereinbarte Finanzplanung nicht mehr umwerfen, keinen Raum für Diskussionen aus dem linken Lager über mehr Schulden geben – das ist die Agenda des Finanzministers. Wer eine Debatte nicht früh genug einfängt, den kann sie irgendwann überrollen. Und das will Lindner unbedingt verhindern. Doch noch ist nicht sicher, ob sein Plan aufgehen wird.

Denn es knirscht in der Koalition. Die Steuerschätzung vergangene Woche machte klar, dass nicht mit großen zusätzlichen Einnahmen zu rechnen ist. Vor der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses des Bundestages, die am 16. November stattfindet, brechen deshalb alte Debatten auf. Die Parteien stehen sich unversöhnlich gegenüber. Jeder möchte möglichst viel Geld für die eigenen Anliegen sichern. Der Ton zwischen den Regierungspartnern wird rauer, die Verhandlungen um das viele Geld zeigen, wie weit die Parteien voneinander entfernt sind. Mancher befürchtet, dass der Zwist den Regierungsalltag künftig lähmen könnte.

Bei seinem Statement in Düsseldorf am Dienstagmorgen spricht Lindner noch über einen der großen Streitpunkte. Es geht um die Energiekosten im Land, die auch Firmen belasten: "Kurzfristig kann über Veränderungen bei der Stromsteuer nachgedacht werden." Lindner argumentiert deutlich gegen den Industriestrompreis, mit dem die Grünen liebäugeln. Grenzen ziehen, auch hier.

Lindners Signal: "Ich bin offen, wie wir das nennen, schauen wir mal"

Und dann sagt Lindner über eine Senkung der Stromsteuer: "Wenn es den gemeinsamen Willen in der Koalition in Berlin gibt, dann bin ich sicher, würde es auch eine Finanzierungsmöglichkeit, zum Beispiel aus dem Klima- und Transformationsfonds geben." Damit würde direkt Geld abfließen aus einem Topf, zur Finanzierung von nachhaltiger Klimapolitik gedacht war – zusätzlich zum Haushalt.

Lindner korrigiert sich deshalb schnell: "Oder ich sage besser: im Zusammenhang mit dem Klima- und Transformationsfonds. Nicht 'aus' dem Klima- und Transformationsfonds." Das ist aus zweierlei Hinsicht klug von Lindner: Einerseits ist es das Signal an die Grünen: Wenn ihr einen günstigeren Strompreis haben wollt, könnt ihr dafür die Mittel ja aus einem Geldtopf, mit dem ihr eurer Vorhaben finanzieren wolltet, bereitstellen – ich bin demgegenüber nicht verschlossen. Und wie wir das nennen, schauen wir dann mal.

Gleichzeitig erklärt Lindner damit indirekt, dass er keine Mittel aus dem Kernhaushalt der Regierung dafür verwenden will – und erst recht nicht dafür gesondert Schulden aufnehmen. Bei den Grünen heißt es dagegen, dass man den Klima- und Transformationsfonds dafür nur ungern nutzen würde. Es dürfte noch knirschen.

"Die Kürzungen widersprechen dem Koalitionsvertrag", heißt es bei den Grünen

Wie weit die Regierungspartner in ihrem Blick auf die Haushalts- und Finanzpolitik auseinanderliegen, ließ sich an einer Debatte über das Bafög in diesen Tagen erkennen. Die FDP-Politikerin Ria Schröder hatte dem "Spiegel" ein Interview gegeben. Es erschien unter der Überschrift: "Warum gehen manche Leute nicht neben dem Studium arbeiten?" Schröder sagte indirekt, es sei alles in Ordnung mit dem Bafög. Das war besonders deshalb bemerkenswert, weil im Haushalt für das kommende Jahr Mittel für das Bafög gekürzt werden sollten – weil nach der Fraunhofer-Prognose weniger Studenten das wohl in Anspruch nehmen werden.

Die Folge: Ein Sturm in den linken Reihen der Koalition. Plötzlich war der alte Ärger wieder da über die FDP, die angeblich zu wenig gegen Armut tue. Regionalzeitungen ließen Studenten zu Wort kommen: "Für Essen und Freizeit bleiben 35 Euro pro Woche." "Die Kürzungen beim Bafög sind eine Absage an Chancengerechtigkeit und widersprechen dem Koalitionsvertrag", sagte der Grünenpolitiker Kai Gehring der Nachrichtenagentur AFP. Immerhin, Schröder sagte auch, dass die Haushaltsverhandlungen noch laufen würden.

Ein weiterer Streitpunkt ist die Migrationspolitik. Deshalb spricht Lindner am Dienstagmittag in Düsseldorf auch darüber. Etliche Bundesländer haben vor der anstehenden Ministerpräsidentenkonferenz schon mehr oder weniger deutlich signalisiert, dass sie mehr Geld vom Bund erwarten. Lindner sagt dazu: "Wir werden über eine weitere Unterstützung der Länder bei dieser Aufgabe sprechen." Doch gleichzeitig hätten die Bundesländer eine "Mitverantwortung" und dürften "nicht nur auf den Bund verweisen".

 
 
 
 
 
 
 

In zwei Sätzen zeigt sich die Argumentation des Finanzministers

Es wird nicht einfach für den Finanzminister. Die Ausgabenwünsche sind enorm. Teil der liberalen DNA ist es jedoch auch, für solide Haushaltspolitik einzutreten. Lindner versucht ein wenig Kompromissbereitschaft zu signalisieren und gleichzeitig zu betonen, dass er die großen Linien seiner Politik nicht verändern will.

Das zeigt sich in zwei Sätzen, die Lindner in letzter Zeit von sich gab. Die grundsätzliche Rechtfertigung seiner Politik, goss Lindner bei der Vorstellung seiner Haushältspläne für 2024 in eine Verneinung: "Von einem Kahlschlag kann keinesfalls die Rede sein." Doch deutlicher wird er eben bei den eigenen Positionen. Bei der Vorstellung der Steuerschätzung sagte Lindner jetzt: "Zusätzliche Verteilungsspielräume gibt es nicht."

Es ist die Agenda, die er selbst ausgegeben hat. Nun ist die Frage, ob er sie im Druck der Koalitionspartner bis zum 16. November durchhalten kann.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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