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CSU-Parteitag | "Ich brauche euch!": Markus Söder und seine Jünger


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Söder vor der Bayern-Wahl
In höchster Not


23.09.2023Lesedauer: 5 Min.
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Markus Söder: Der CSU-Chef wettert gegen die Ampel-Regierung. (Quelle: reuters)

Zwei Wochen vor der Landtagswahl liegt die CSU in den Umfragen zwischen 36 und 38 Prozent. Es droht ein erneuter Tiefpunkt. Also versucht Söder etwas Neues. Es funktioniert.

Markus Söder hält sich am Rednerpult fest. Kurz schweift sein Blick durch die Halle. Der Applaus für den Parteivorsitzenden ist verhalten. Die Anspannung groß. Bei Söder – und der CSU.

"Noch zwei Wochen", sagt Söder. Für einen Moment wirkt es, als wollte er es sich selbst noch mal vor Augen führen. Dass in zwei Wochen Landtagswahlen sind. Immerhin steht für keinen so viel auf dem Spiel wie für den bayerischen Ministerpräsidenten.

Er fängt sich. "Ich möchte überhaupt keinen Zweifel lassen: Wir werden diese Wahl als Christlich Soziale Union gewinnen." Und wie bestellt: Die Halle jubelt, der Applaus ist groß. Söder grinst. Auf ein paar Dinge ist einfach Verlass.

Auf dem Parteitag lässt sich keiner etwas anmerken

Auf diesem CSU-Parteitag ist die breite Unterstützung für Söder besonders wichtig. Es ist kurz vor der Wahl. Und die CSU, die im Freistaat einst die absolute Mehrheit hatte, liegt in den Umfragen zwischen 36 und 38 Prozent. Nicht gut. Vor allem für einen nicht: Markus Söder. Der Ministerpräsident steht massiv unter Druck, ein ordentliches Ergebnis für seine Partei einzufahren. Sonst wäre es das zweite Mal in Folge, dass die CSU unter seiner Führung historisch schlecht abschneidet.

Bislang steht die Partei zu Söder, lässt keinen Zweifel daran, dass er der Richtige für Bayern und die CSU ist. Raunen gibt es allenfalls aus den hinteren Reihen. Niemand, der Söder tatsächlich gefährlich werden könnte. Kaum einer in der CSU hat ein Interesse daran, dass es zwei Wochen vor der Wahl noch mal blutig wird. Damit ist keinem geholfen. Das hat man während der Bundestagswahl an Armin Laschet gesehen. Unter dem Ergebnis litt nicht nur Laschet selbst, sondern bis heute die gesamte Union. Söder ist also erst einmal sicher.

Am Ende wählt seine Partei ihn mit 96,6 Prozent wieder zum Parteivorsitzenden. Ein starkes Ergebnis. Fast 10 Prozent besser als das letzte.

Was aber, wenn die Konsequenzen eines schwachen Ergebnisses bei der Landtagswahl doch sichtbar werden? Einige in der Partei denken schon jetzt weit über den 8. Oktober hinaus – und sorgen sich.

Söder, der auf der Bühne ohnehin zu Hause ist, legt auch deshalb heute noch mal einen drauf. Der CSU-Chef ruft den Freistaat zur "Spitzenregion" aus und beschimpft die Ampel als die "wohl schlechteste Regierung, die Deutschland je hatte". Er ledert über die Grünen, setzt die Innenministerin Nancy Faeser mit der ehemaligen und zum Rücktritt gedrängten Verteidigungsministerin Christine Lambrecht gleich und erklärt die CSU zur Bastion der Demokratie gegen die AfD.

Mittlerweile spricht Söder sogar wieder über Migration. Eigentlich wollte er das Thema im Wahlkampf meiden. Schlechte Erfahrungen. Bei der Landtagswahl 2018 hatte er hier vielfach überdreht, zeitweise sogar von "Asyltourismus" gesprochen. Es wirkte, als wollte der CSU-Politiker die AfD rechts überholen. Das Ergebnis war ein historisch schlechtes für die Christsozialen: 37,2 Prozent.

Jetzt fordert der CSU-Chef Obergrenzen von 200.000 Geflüchteten pro Jahr und spricht sich für innereuropäische Grenzkontrollen aus. Die Tatsache, dass Söder das Thema doch noch einmal aufnimmt, zeigt wohl die Lage, in der sich der Ministerpräsident zurzeit befindet. Der Druck aus den Kommunen steigt. Die Überlastung durch die aktuelle Situation ist in weiten Teilen Bayerns längst real. In der CSU herrscht deshalb die berechtigte Sorge, dass die konservativen Wählerinnen und Wähler, also das Urklientel, zu den Freien Wählern abwandern könnten, wenn Söder nicht auf den Tisch haut.

Noch mehr an Zustimmung verlieren?
Das kann sich die CSU momentan nicht leisten.

Bis zum Fall Aiwanger lief alles nach Plan

Es hätte alles so geräuschlos über die Bühne gehen können. Noch im Sommer hatte der CSU-Chef die Situation weitgehend unter Kontrolle. Die Partei stand in den Umfragen stabil bei 40 Prozent, er selbst war der beliebteste Politiker Deutschlands. Alles lief nach Plan.

Und Söder arbeitete hart dafür. Spätestens seit der Bundestagswahl 2021 hatte er sich dem Freistaat mit Leib und Seele verschrieben. Allein in diesem Jahr waren es bislang fast 750 Termine. Man muss dazu sagen: mehr in der Fläche als im Landtag, aber für Söder funktionierte das gut. Die Zustimmungswerte bestätigten ihn.

Und dann kam Hubert Aiwanger.

Im August kamen schwere Vorwürfe gegen den Vorsitzenden der Freien Wähler auf. Ihm wurde vorgeworfen, in seiner Schulzeit ein antisemitisches Flugblatt im Schulranzen mitgeführt zu haben. Umgehend brach in der Öffentlichkeit Empörung aus. Erste Rücktrittsforderungen wurden laut. Es stellte sich die Frage: Ist der Wirtschaftsminister von Bayern ein Nazi?

Aiwanger selbst streitet die Vorwürfe ab. Das Pamphlet sei von seinem Bruder verfasst worden. Wie es in seinen Rucksack kam? Daran will er sich nicht erinnern. Der Freie-Wähler-Chef dreht den Spieß sogar um, spricht von einer "Schmutzkampagne" im Wahlkampf.

Nach langem Abwägen lässt Söder seinen Minister im Amt. Die Belege dafür, dass er das antisemitische Flugblatt geschrieben hat, sind nicht eindeutig genug. Aiwanger sieht sich bestätigt, macht noch mal richtig Stimmung gegen seine Widersacher.

Das Ergebnis der ganzen Geschichte: Die Freien Wähler können in den Umfragen Zugewinne verzeichnen, die CSU verliert, rutscht zeitweise sogar auf 36 Prozent ab.

Die Not der schlechten Umfragewerte vereint

Trotzdem sitzt Söder einstweilen fest im Sattel, das spürt man auf dem Parteitag einmal mehr. So ein gutes Ergebnis bekam lange keiner mehr in der CSU. Zuletzt Edmund Stoiber, übrigens der letzte CSU-Kanzlerkandidat. Er schnitt 2003 mit 96,97 Prozent sogar noch etwas besser ab. Söder bekommt diesen Zuspruch gewiss, weil die Not vor der Wahl vereint. Aber auch, weil er auf der Bühne etwas tut, das weder die CSU und schon gar nicht die Öffentlichkeit in dem Ausmaß von ihm kennt: Er zeigt Demut. Söder lobt die Wahlkämpfer, sein Kabinett, nennt alle beim Namen.

Dann ruft er in den Saal: "Ich verspreche euch jetzt keine Prozentzahl. Es geht nicht um einen Schönheitspreis, sondern um eine stabile Regierung für Bayern. Ich verspreche euch, dass Bayern stark bleibt. Meinen ganzen Einsatz, Kraft und Liebe." Zum ersten Mal sagt der Mann, der sonst als One-Man-Show bekannt ist, in aller Deutlichkeit: "Ich kann meinen Beitrag leisten, aber ich kann es nicht allein. Ihr, die CSU, seid meine Heimat. Es geht nicht ohne euch. Ich brauche euch."

Der Vorsitzende Söder verschreibt sich der Partei – und die Partei verschreibt sich ihm.

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Niemand glaubt an diesem Samstag ernsthaft, dass es in Bayern jemanden gibt, der Söder ablösen könnte. Wenn er ein halbwegs gutes Ergebnis bei der Landtagswahl einfährt, behält er den starken Rückhalt der CSU.

Dennoch muss er aufpassen, dass die Tragweite des Ergebnisses bei der Landtagswahl nicht über die bayerische Landesgrenze hinausgeht, nach Berlin zum Beispiel. Bei der vergangenen Bundestagswahl schaffte es die CSU unter Söder nur knapp über 5 Prozent. Nach neuem Wahlrecht muss die CSU beim nächsten Mal darüber liegen, um in den Bundestag einzuziehen.

Die Union mag gegen das Wahlrecht klagen. Wenn Karlsruhe das Gesetz allerdings nicht bis zur nächsten Bundestagswahl kassiert, könnten die Auswirkungen einer zu schwachen CSU ganz andere sein als ein verlorener "Schönheitspreis". Dann könnte die CSU aus dem Bundestag fliegen. Und rühmt die Partei sich in Bayern nicht damit, den Freistaat in Berlin so mächtig vertreten zu können? Das wäre dann vorbei.

Söder kann an diesem Samstag unbesorgt sein. In Bayern wird im wohl keiner gefährlich. Sollten die CSU-Kollegen in Berlin die schwindende Zustimmung jedoch zu spüren bekommen, könnte sich die Lage für den CSU-Chef schneller ändern, als er "Hendl" sagen kann.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche vor Ort/ Hintergründe
  • bayerntrend
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