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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nils Naumann unterlag AfD-Kandidat "Neutrale Berichterstattung gab es nicht"
Nils Naumann trat im sachsen-anhaltinischen Raguhn-Jeßnitz gegen einen AfD-Kandidaten an – und verlor. Im Interview ärgert er sich über die Medien.
Die Bürgermeisterwahl in Raguhn-Jeßnitz ist vorbei. Gewonnen hat Hannes Loth, Mitglied der rechtspopulistischen AfD. Es ist der zweite kommunalpolitische Sieg der Partei innerhalb von zwei Wochen, wenige Tage zuvor gewann Robert Sesselmann die Stichwahl um das Amt des Landrats im thüringischen Sonneberg.
In Raguhn-Jeßnitz trat der Parteilose Nils Naumann gegen Hannes Loth an. Er verlor die Wahl nur knapp, ganze 107 Stimmen trennten ihn von einem Wahlsieg. Zwei Tage nach der verlorenen Wahl hat t-online mit Naumann gesprochen und ihn zu seiner Meinung zum Wahlsieg der AfD befragt.
t-online: Herr Naumann, die Wahl ist vorbei, Ihr Gegner von der AfD hat gewonnen. Wie geht es Ihnen damit?
Nils Naumann: Mir geht es sehr gut. Ich bin froh, dass die Wahl vorbei ist und ich zum normalen Alltag übergehen und Zeit mit meiner Familie verbringen kann.
Was halten Sie von Herrn Loth als Wahlsieger?
Die Wahl ist ein demokratischer Prozess gewesen – und außerdem ein fairer Wettkampf zwischen den Kandidaten. Darüber, was beide Lager im Hintergrund gemacht haben, kann sich jeder eine Meinung im Internet bilden. Die AfD hatte zwar als Partei größere finanzielle und personelle Möglichkeiten, um den Wahlkampf von Herrn Loth zu unterstützen – aber ich glaube, das knappe Ergebnis spricht ja auch für mich als parteilosen Kandidaten. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Wählerinnen und Wählern von Raguhn-Jeßnitz, meiner Familie und meinen Freunden für das Vertrauen und die Unterstützung bedanken.
Im Vorfeld der Wahl gab es einen ziemlichen Medienrummel um Herrn Loth. Wie bewerten Sie das?
Ich habe Ihren Kollegen schon gesagt, dass ich das nicht gut finde. Auf der einen Seite verstehe ich natürlich, dass man darüber berichten möchte, was hier passiert. Aber letzten Endes haben die Medien den Kandidaten der AfD künstlich hochgepusht.
Wie meinen Sie das?
Eine neutrale Berichterstattung gab es ja quasi nicht. Ich will nicht jammern, aber alle Medien – mit Ausnahme der 'Mitteldeutschen Zeitung' – haben überwiegend nur über Herrn Loth berichtet und auch nur sein Bild abgedruckt. Teilweise habe ich mir eine Stunde Zeit für Interviews genommen, um am Ende für fünf Sekunden in einem Beitrag aufzutauchen. Im Endeffekt hat man hier den Wahlkampf der AfD mitgestaltet.
Glauben Sie wirklich, dass die Berichterstattung schuld am Sieg des AfD-Kandidaten ist?
Das ist schwierig zu sagen. Zum Schluss waren es nur knapp zwei Prozent, die uns getrennt haben – das sind nur 107 Stimmen. Allerdings hat sich das Medienkarussell erst so richtig gedreht, nachdem der AfD-Kandidat in Sonneberg gewonnen hat. Da kam dann auch die AfD-Bundesspitze nach Raguhn-Jeßnitz, der Sonneberger Landrat wurde angekündigt, es gab Bratwurst und Bier für die Bürgerinnen und Bürger auf Wahlkampfterminen der AfD.
Das ist jetzt zwar viel Spekulation, aber man kann schon darüber spekulieren, dass das ausschlaggebend war für die 100 Stimmen, die er letzten Endes mehr bekommen hat als ich. Dennoch gratuliere ich Hannes Loth zum Wahlerfolg und wünsche ihm alles Gute und dass wir im Stadtrat zum Wohle der Bevölkerung Entscheidungen treffen.
Sind Sie besorgt, jetzt wo ein Kandidat der AfD auf dem Posten des Bürgermeisters sitzt?
Ich hoffe einfach nur, dass es keine negativen Folgen für das Leben der Bürgerinnen und Bürger in Raguhn-Jeßnitz gibt. Es wird ja weder auf Bundes- noch auf Landesebene mit der AfD zusammengearbeitet.
Da frage ich mich schon, ob die Parteien aus Sachsen-Anhalt oder dem Bund dann künftig mit uns in Raguhn-Jeßnitz zusammenarbeiten wollen. Ich will auch noch mal klarstellen, dass meine Bedenken nicht wegen Herrn Loth da sind – sondern wegen dem Verhalten der anderen Parteien der AfD gegenüber.
Wären Sie besorgt, wenn die AfD in vielen weiteren Kommunen plötzlich Bürgermeister oder Landräte stellen würde?
Nein. Das betrifft mich nicht, ich lebe ja auch in Raguhn-Jeßnitz. Ich mache mir nur Sorgen wegen der Zusammenarbeit der anderen Parteien mit der AfD, die ja bisher kategorisch ausgeschlossen wurde. Aber vielleicht überraschen mich die Parteien und es erfolgt dahingehend ein Umdenken.
Soll man die AfD Ihrer Meinung nach einfach wie jede andere Partei behandeln oder braucht es da eine Strategie, um weitere Wahlsiege zu verhindern?
Hier in der Gemeinde habe ich natürlich auch mit Menschen gesprochen, die von sich sagen, dass sie AfD wählen. Viele haben gesagt, sie würden meinen Kontrahenten wählen, weil er hier so engagiert sei. Aber natürlich meinten einige auch, sie seien mit der bundespolitischen Situation nicht zufrieden. Und darum haben sie dann aus Protest den AfD-Kandidaten als Bürgermeister gewählt. Vielleicht müssen Sie im Hinblick auf eine Strategie auf der bundespolitischen Ebene anfragen.
Vielen Dank für das Gespräch.
- Telefoninterview mit Nils Naumann