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AfD-Umfragerekord: Welche Wähler am stärksten mit den Rechten sympathisieren


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AfD-Wähler
Sie ignorieren die Gefahr

  • Theresa Crysmann
Von Theresa Crysmann

Aktualisiert am 04.07.2023Lesedauer: 7 Min.
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Björn Höcke bei einer AfD-Demo: Die Anhänger der Partei eint vor allem ihre Ablehnung von Zuwanderung. (Quelle: IMAGO/Jacob Schršter)
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Die AfD hat Rückenwind wie selten zuvor. Die höchsten Zustimmungswerte ihrer Geschichte werfen auch ein Licht auf die Unterstützer der Partei: Wer klatscht da so laut?

Der Sommer 2023 bringt der AfD einen Höhenflug nach dem nächsten: Rekordwerte von bundesweit bis zu 21 Prozent in den Umfragen, erstmals eine Landratsposition, ein erstes Exklusivinterview samt Cover für die Bundesvorsitzende Alice Weidel bei einem der größten Wochenmagazine des Landes und jetzt noch ein Bürgermeisteramt.

Nachdem der Verfassungsschutz die ganze Partei samt Jugendorganisation im vergangenen Jahr als "rechtsextremen Verdachtsfall" eingestuft hatte, fühlt man sich in der AfD nun so stark wie schon lange nicht mehr.

Die beflügelte Parteispitze rief unlängst gar zu Neuwahlen auf, wo es gerade so gut läuft mit den Wählern und Sympathisanten. Doch wer ist das eigentlich?

Enttäuschte Mehrheit oder extreme Basis?

Die Mehrheit der Wahlberechtigten, die mit der AfD liebäugeln, sind von der Partei nach eigener Aussage nicht überzeugt. Stattdessen geht es ihnen um einen Denkzettel für die Regierungsparteien, wie der ARD-Deutschlandtrend vom Juni zeigt. Demnach kommt die AfD für mehr als zwei Drittel ihrer potenziellen Unterstützer deshalb infrage, weil sie von den anderen Parteien enttäuscht sind. Nur 32 Prozent der Befragten, die ihre Stimme der AfD geben würden, geben an, dies aus Überzeugung tun zu wollen.

Protestwähler also, die wegen des unliebsamen Heizungsgesetzes zahlreicher sind als sonst? Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, hält von dieser Interpretation nichts: "Ich warne jedenfalls davor, die Wahl der AfD noch als Protest zu begreifen", sagte er jüngst im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Das sei eine Verharmlosung, die einem spätestens dann bewusst werde, wenn man sich mit dem Programm der Partei auseinandersetze. Krüger nennt "rassistische, antisemitische und menschenfeindliche Positionen", die im Ernstfall dazu führten, "dass marginalisierte Menschen sich Sorgen machen müssen. Und das sind nicht nur Zuwanderinnen und Zuwanderer, sondern auch Teile der Gesellschaft mit einer politischen Einstellung, die sich nicht deckt mit der AfD", so Krüger.

Migration als wichtigstes Thema

Tatsache ist: Egal ob Überzeugte oder Enttäuschte – als Motiv für ihre AfD-Präferenz nennen die Befragten im ARD-Deutschlandtrend ein Thema noch deutlich vor der Energie-, Umwelt-, Klima- und Wirtschaftspolitik. Es geht ihnen vor allem um Zuwanderung und Migrationspolitik in Deutschland.

Auf diesem Feld ist die Partei seit dem Frühjahr mit einem Aufruf zur "Migrationswende" unterwegs. Um diese zu stemmen, trommelt sie unter anderem in den sozialen Medien mit Begriffen wie "Asylansturm", "völliger Kontrollverlust" und "unkontrollierter Massenmigration" gegen die Asyl- und Migrationspolitik der Bundesregierung. Und nicht nur gegen diese, heißt es in einer neuen Analyse des Deutschen Instituts für Menschenrechte.

Die Partei verfolge "das Ziel einer Einheit von Staat und Volk nach ihren national-völkischen Vorstellungen" und unterscheide "Menschen nach rassistischen Kategorien in ihrer Wertigkeit", so die Kurzversion. Wer aus Sicht der AfD trotz deutscher Staatsangehörigkeit nicht als Deutscher gelte, verfüge nach Ansicht der Partei auch über keine Grund- und Menschenrechte. Dies sei eine Gefahr für die freiheitlich rechtsstaatliche Demokratie, mahnt das Institut.

Während die Forscher dies als Steilvorlage für ein mögliches Parteiverbot sehen, scheint die AfD zumindest bei einigen Wählern gerade damit Anklang zu finden. Ein Blick in den Osten der Republik, wo die Partei aktuell doppelt so hohe Umfragewerte genießt wie in den alten Bundesländern – je nach Umfrage bis zu 29 Prozent –, deutet an, dass die Sympathisanten der AfD durchaus die politischen Inhalte der AfD unterstützen.

Fremdeln mit der existierenden Demokratie

So zeigt eine neue repräsentative Studie der Universität Leipzig, wie fremd einem beachtlichen Teil der ostdeutschen Bevölkerung die gelebte Demokratie geworden ist: "Jeder Zweite wünscht sich eine 'starke Partei', die die 'Volksgemeinschaft' insgesamt verkörpert. Statt pluralistischer Interessensvielfalt wird eine völkische Gemeinschaft gewünscht", fasst Co-Studienleiter Elmar Brähler die Ergebnisse zusammen.

Zusammen mit seinem Kollegen Oliver Decker und dem gemeinsamen Team hat er für die Studie mehr als 3.500 Menschen nach ihrer Einstellung zur Demokratie und zu rechtsextremen, nationalistischen, antisemitischen und sozialdarwinistischen Aussagen befragt. Statt demokratischer Teilhabe und dem Schutz von Grundrechten wie der Menschenwürde, der Pressefreiheit und dem Asylrecht sehnten sich demnach viele in Ostdeutschland nach der vermeintlichen Sicherheit eines autoritären Staates, so Decker. Die Forscher sehen darin einen starken Nährboden für die AfD.

Besonders hohes Wählerpotenzial im Osten

"Hier ist damit das Potenzial für extrem-rechte und neonazistische Parteien, Wähler zu finden, besonders hoch", sagt Brähler. Die Studienergebnisse zeigen, wie ausgeprägt die Akzeptanz rechtsextremer Aussagen in Ostdeutschland ist:

Mehr als 40 Prozent stimmten beispielsweise der Aussage zu, dass Ausländer nur nach Deutschland kämen, "um unseren Sozialstaat auszunutzen". Nochmals knapp 30 Prozent widersprachen nicht – für die Wissenschaftler eine implizite Zustimmung.

Außerdem deuten die Studienergebnisse auf vergleichsweise weitverbreitete antisemitische Positionen hin. Mehr als ein Drittel der Befragten stimmte demnach ganz oder teilweise der Behauptung zu, dass jüdische Menschen auch heute noch "zu großen Einfluss" hätten, rund 30 Prozent verdächtigen sie, "mehr als andere Menschen mit üblen Tricks zu arbeiten".

Die Forscher trafen auch immer wieder auf sozialdarwinistische Positionen, die an die Lehren des Nationalsozialismus angelehnt sind. So sprachen sich 35 Prozent der Befragten ganz oder teils dafür aus, dass sich in der Gesellschaft immer der Stärkere durchsetzen solle, "so wie in der Natur". Jeder Zehnte hält die Deutschen außerdem für ein "von Natur aus überlegenes Volk" und glaubt, es gebe "unwertes Leben" – einst der Grundpfeiler der Euthanasiemorde im Nationalsozialismus.

Und: Jeder Fünfte stimmt zumindest implizit zu, dass Adolf Hitler als "großer Staatsmann" gelten würde, wenn man die Judenvernichtung außen vor lasse. Knapp ein Drittel stimmte, mindestens teilweise, zu, dass eine Diktatur "im nationalen Interesse unter bestimmten Umständen" die bessere Staatsform sei.

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Neu sind diese rechtsextremen Tendenzen in den neuen Bundesländern den Forschern zufolge zwar nicht. Allerdings seien sie für die Wahlentscheidung vieler Menschen wichtiger geworden – zum Vorteil der AfD. Ihr ist es bereits gelungen, ein extrem rechtes Wählerpotenzial an sich zu binden, zeigt die Studie.

AfDler stechen hervor

Insgesamt sind der Studie zufolge rechtsextreme Positionen besonders stark in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vertreten. Und unter AfD-Wählern.

Demnach stimmten AfD-Anhänger in der Befragung mit Abstand am häufigsten extrem rechten Inhalten zu. Unter ihnen äußerten sich zwei Drittel explizit ausländerfeindlich, zur Hälfte befürworteten sie die Haltung, dass Deutschland sich in allen Belangen rücksichtslos durchsetzen sollte – was sich als eine Art bundesdeutsche Version von Trumps "America First"-Ideologie interpretieren lässt. Ein Fünftel sprach sich zudem explizit für die Diktatur als bessere Regierungsform aus.

Großes Wählerpotenzial sehen die Forscher für die AfD zudem unter den Wahlberechtigten mit rechtsextremen Neigungen, die zu den Nichtwählern zählen – aktuell rund 22 Prozent, dazu 15 Prozent, die unsicher sind, ob sie wählen gehen. "Sollte es der AfD oder einer anderen extrem rechten Partei gelingen, diese Menschen zur Wahl zu bewegen, wird ihr Stimmenanteil in den Parlamenten steigen", mahnen die Studienautoren.

Männlich, Mittelschicht, mittleren Alters

Neben jener Studie zu Ansichten und Haltungen im Osten Deutschlands gibt auch die offizielle Wahlstatistik Aufschluss über die Zusammensetzung der AfD-Wähler. Wer die Partei bereits auf Bundesebene gewählt hat, ist demnach tendenziell männlich und zwischen 35 und 59 Jahre alt. Und anscheinend wirtschaftlich nicht viel schlechter dran als die Wähler anderer Parteien.

Dass rechtsextreme Positionen durch eine eigene prekäre Lage bedingt sein könnten, verneinen auch die Studienautoren aus Leipzig. Die Einschätzung der eigenen finanziellen Situation spielt ihnen zufolge dabei "überhaupt keine Rolle". Das scheint auch die Selbsteinordnung der AfD-Sympathisanten im ARD-Deutschlandtrend zu unterstreichen.

Ihre persönliche wirtschaftliche Situation ist dabei nach eigener Einschätzung zwar etwas schlechter als bei den Anhängern anderen Parteien. Dennoch geben 53 Prozent an, es gehe ihnen finanziell gut oder sehr gut. Zum Vergleich: Eine Stufe höher ordnen sich die SPD-Wähler ein, denen es aus eigener Perspektive zu 62 Prozent gut oder sehr gut geht.

Auch Politikwissenschaftler Gideon Botsch weist darauf hin, dass AfD-Wähler sich nicht zwingend in finanzieller Schieflage befänden – im Gegenteil. "Auffallend ist, dass es sich oft um Menschen mittleren Einkommens, Unternehmer im gewerblichen oder handwerklichen Mittelstand, Arbeiter und Angestellte handelt", sagte er dem "Tagesspiegel" in Bezug auf die Wählerschaft in Sachsen-Anhalt. In diesem Segment sei die AfD unter männlichen Wählern inzwischen oft die stärkste Kraft.

Besonders verschwörungsgläubig

Stattdessen erklären die Forscher der Uni Leipzig das Vorhandensein rechtsextremer Sichtweisen anders: Am stärksten ausschlaggebend seien hierfür die Neigung, Verschwörungserzählungen zu glauben und die existierende Demokratie abzulehnen. Auch die Identifikation als Ostdeutscher und das Gefühl, ein Verlierer der Wende zu sein, hätten etwas mit dem Entstehen einer rechtsextremen Einstellung zu tun, hätten aber deutlich weniger Erklärungskraft.

In einer früheren Studie hatte das Forscherteam bereits gezeigt, dass die Verschwörungsmentalität unter Anhängerinnen und Anhängern der AfD besonders stark verbreitet ist. 73,5 Prozent von ihnen sind demnach generell bereit, hinter gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen ein absichtlich böses Handeln einflussreicher und geheimer Gruppen zu vermuten. Ein deutlich höherer Anteil als bei den Unterstützern anderer Parteien im Bundestag, wo dieser Wert zwischen 37 Prozent (FDP) und 18,1 Prozent (Grüne) schwankt.

Die höchsten Werte aller Zeiten

Fest steht: Das Umfragehoch der AfD ist echt. Zwar sind Wählerumfragen immer mit einer gewissen Unsicherheit versehen – es sind schwankende Momentaufnahmen, keine Naturwissenschaft –, doch der jüngere Trend zeigt eine klare Entwicklung: Die AfD hat seit Herbst 2022 zunehmend an Zustimmung gewonnen.

Lag diese zuvor lange zwischen zehn und zwölf Prozent, stieg die blaue Säule bei den Ergebnissen der Sonntagsfrage im Winter und Frühjahr erst langsam, in den vergangenen zwei Monaten dann rasant in die Höhe. Erst am Dienstag kam eine Insa-Umfrage für die "Bild"-Zeitung zu dem Ergebnis: Die AfD hat einen neuen Rekordwert erreicht, liegt nun deutlich vor der SPD und nur noch 4,5 Prozentpunkte entfernt von der erstplatzierten Union.

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Dabei gilt jedoch auch: Gerade in der Mitte einer Legislaturperiode werden Regierungsparteien häufig unbeliebter – gut für die Opposition in Umfragen, aber auch in Wahlen auf Landes- und Kommunalebene. "Viele Wähler protestieren auf der ihnen gerade zur Verfügung stehenden Ebene gegen die Bundesregierung", schreibt Politikwissenschaftler Andreas Wüst.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die AfD auch 2018 und 2019 zwischenzeitlich deutlich in den Umfragen zulegen konnte, bevor die Partei sich wieder mit niedrigen zweistelligen Werten begnügen musste.

Und doch: Immerhin ein knappes Drittel der Bevölkerung in Deutschland sieht die AfD laut dem jüngsten ZDF-Politbarometer inzwischen als normale demokratische Partei. Noch 65 Prozent bejahen, dass von ihr eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland ausgeht.

Verwendete Quellen
  • wahlrecht.de: "Sonntagsfrage 03.07.2023, INSA"
  • stern.de: "Alice Weidel, was können Sie eigentlich außer Hass?"
  • Twitter-Kanal von Alice Weidel, AfD-Bundesvorsitzende
  • Infratest Dimap: "ARD Deutschlandtrend Juni 2023"
  • rnd.de: "Chef der Bundeszentrale für politische Bildung: 'Die Wahl der AfD ist kein Protest mehr'"
  • institut-fuer-menschenrechte.de: "Warum die AfD verboten werden könnte"
  • efbi.de: "EFBI Policy Paper 2023-2: Autoritäre Dynamiken und die Unzufriedenheit mit der Demokratie"
  • taz.de: "Fremdeln mit der Demokratie"
  • wahlrecht.de: Landtagswahlumfragen"
  • bpb.de: "Wahlergebnisse und Wählerschaft der AfD"
  • tagesspiegel.de: "Ein Politikforscher erklärt, wer die AfD-Wähler in Sachsen-Anhalt sind"
  • zeit.de: "Haben Landtagswahlergebnisse Effekte auf die Bundestagswahl?"
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