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AfD im Umfragehoch: "Wir als CDU sollten die Wut nicht noch verstärken"


Umfragehoch der AfD
"Wir sollten die Wut nicht noch verstärken"

Von dpa, afp, reuters, t-online
05.06.2023Lesedauer: 6 Min.
Karin PrienVergrößern des Bildes
Karin Prien, stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende (Archivbild): Sie fordert ihre Partei dazu auf, sich nicht auf "Nebenkriegsschauplätzen" zu verkämpfen. (Quelle: Michael Kappeler/dpa/dpa)

Woran liegt der Umfrageerfolg der rechtspopulistischen AfD? Die anderen Parteien schieben sich gegenseitig die Schuld zu – nur manche zeigen sich selbstkritisch.

Die AfD liegt in der Wählergunst so weit vorne wie nie zuvor – und die anderen Parteien sind auf der Suche nach einem Schuldigen. In der vergangenen Woche waren die Rechtspopulisten gleich in mehreren Umfragen bei fast 20 Prozent gelandet.

In der Sonntagsfrage des ARD-DeutschlandTrends ist die AfD mit der SPD gleichgezogen und lag in der vergangenen Woche bei 18 Prozent. Dies sei der Bestwert der Partei, berichtete die Tagesschau am Donnerstag. Zuvor habe sie lediglich im DeutschlandTrend des Morgenmagazins im September 2018 einmal 18 Prozent erreicht. Die CDU/CSU blieben dem Bericht zufolge mit 29 Prozent (-1) stärkste Kraft.

Am Wochenende konnte die AfD dann auch in einer Insa-Erhebung für die "Bild am Sonntag" mit der SPD gleichziehen. Demnach hätte die Partei, wäre am Sonntag Bundestagswahl gewesen, 19 Prozent (+1) der Stimmen holen können. Das sei der höchste Wert, den das Meinungsforschungsinstitut Insa jemals für die AfD gemessen habe, hieß es bei der "Bild".

Merz macht Gendersprache mitverantwortlich

CDU-Chef Friedrich Merz reagierte mit einer Kampfansage an die AfD und scharfer Kritik an der Ampel-Koalition auf die hohen Umfragewerte. "Bei näherer Betrachtung sind die Ursachen doch seit langem ziemlich klar", schrieb er am Samstag in seinem Newsletter "MerzMail". "Eine schwache und beständig streitende Regierung löst Gegenreaktionen aus. Mit der AfD können die Bürgerinnen und Bürger heftige Denkzettel verpassen. Diese Denkzettel treffen derzeit vor allem die Grünen", die mittlerweile nur noch die eigene Klientel erreichten, "aber außerhalb davon mit ihrer penetrant vorgetragenen Volkserziehungsattitüde auf besonders starken Widerstand stoßen".

Daneben machte er jedoch auch den Gebrauch geschlechterneutraler Sprache für das Erstarken der AfD mitverantwortlich. "Mit jeder gegenderten Nachrichtensendung gehen ein paar hundert Stimmen mehr zur AfD", schrieb er. Hier lesen Sie mehr zur Reaktion von Friedrich Merz.

Prien: "Wir sollten die Wut der Menschen nicht noch verstärken"

CDU-Vize Karin Prien zeigte sich hingegen selbstkritischer: "Natürlich trägt die Politik der Ampel zu diesen Umfragewerten bei, aber wir als CDU sollten die Wut der Menschen nicht noch verstärken", sagte sie "Welt".

Die demokratischen Parteien müssten klar erkennbare unterschiedliche Angebote für die Menschen machen; das tue die Union etwa beim Gebäudeenergiegesetz. Dabei komme es auf eine sachliche Tonlage an, so Prien. "Auch sollte sich die Union nicht auf Nebenkriegsschauplätzen verkämpfen. Kulturkampf hat noch nie zum Zusammenhalt der Gesellschaft beigetragen."

Haßelmann: "Immer mehrere Gründe"

Die Ampelparteien wiesen die alleinige Verantwortung von sich. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sah die Ursache für das Erstarken der AfD ausdrücklich bei allen demokratischen Parteien. "Es gibt immer mehrere Gründe, Faktoren, die für ein solches Umfragehoch eine Rolle spielen", sagte Haßelmann am Montag im ARD-"Morgenmagazin". Es sei "völlig falsch zu sagen: Es gibt einen Grund und es ist eine Partei".

"Ich sehe Verantwortung bei allen demokratischen Parteien von Union über SPD, FDP und Grünen", sagte sie. Die Parteien müssten sich fragen, was bei den Menschen für Verunsicherung sorge und warum sie mit den demokratischen Parteien unzufrieden seien. Doch gab sie sich selbstkritisch: "Wir als Grüne, wir als Ampel müssen uns fragen: Sind wir überzeugend genug nach außen, können wir die Handlungsfähigkeit an dem Punkt deutlich machen", sagte Haßelmann. Hinterfragt werden müsse auch, wie gut Vorhaben etwa beim Thema Klimaschutz erklärt werden.

Grünen-Chefin Ricarda Lang twitterte am Samstag: "Statt mit dem Finger auf andere zu zeigen und monokausalen Schuldzuweisungen sollten alle demokratischen Parteien, auch gemeinsam, überlegen, wie wirksame Strategien gegen die AfD aussehen."

Aus ihrer Partei kam jedoch auch heftige Kritik an den Äußerungen aus der Union. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz bezeichnete diese bei Twitter als "groteskes" "AfD-Erklär-Narrativ". "Niemand anders kann diesen spalterischen Wahnsinn beenden als die Verantwortlichen und Mitglieder der CDU selbst. Ich erwarte, dass das jemand tut, denn diese Strategie von Merz und anderen spaltet die Mitte des Landes und führt zwangsläufig nach ganz rechts draußen."

FDP: Anlass zur Selbstkritik

Auch von den Liberalen kam ein Aufruf zur Selbstkritik. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai bezeichnete die jüngsten Umfragerekordwerte der AfD als "erschütternd". "Sie müssen allen demokratischen Parteien Anlass zur Selbstkritik sein", sagte er bereits am Freitag der Deutschen Presse-Agentur.

"Die Zustimmung für die AfD in den Umfragen ist kein Zeichen für einen gesellschaftlichen Rechtsruck", betonte Djir-Sarai. "Um frustrierte Wählerinnen und Wähler wieder zurückzuholen, ist es essenziell, dass Politik und konkrete Gesetzgebung die Menschen mitnimmt, ihre Sorgen ernst nimmt und nicht losgelöst von der Lebenswirklichkeit der Bürgerinnen und Bürger gemacht wird."

FDP-Fraktionschef Christian Dürr glaubt hingegen nicht, dass Streit in der Ampel ausschlaggebend für die Entwicklung ist. "Es ist gut und richtig, dass es klare Unterschiede zwischen den demokratischen Parteien gibt. Nur dann haben die Menschen eine echte Wahlmöglichkeit." Man solle nicht der Erzählung der AfD auf den Leim gehen, alle demokratischen Parteien wollten ohnehin das Gleiche.

Scholz: "Schlechte Laune-Partei"

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) machte als Grund für den Umfrage-Höhenflug der AfD vor allem die Unsicherheit in krisenhaften Zeiten aus. Auch angesichts des Erfolgs rechtspopulistischer Parteien in anderen europäischen Ländern stelle sich für ihn die Frage "Warum gibt es solche Schlechte-Laune-Parteien?", sagte er am Samstagabend bei der Veranstaltung "Lange Nacht der Zeit" in Hamburg.

AfD-Vorsitzende Alice Weidel wies diese Bezeichnung ihrer Partei prompt zurück. "Den Bürgern ist tatsächlich das Lachen gründlich vergangen", sagte Weidel der Deutschen Presse-Agentur. "Das liegt aber nicht an einer vermeintlich übellaunigen AfD, sondern an einer Laienspieltruppe, die im Bundeskabinett täglich ein trauriges Polit-Kabarett abliefert."

Scholz sagte weiter: "Wir leben in einer Zeit der Umbrüche, in der ganz viele Bürgerinnen und Bürger in unseren Ländern nicht so sicher sind, ob die Zukunft auf ihrer Seite ist und ob sie eine haben." Das schaffe Unsicherheit "und Resonanz für Parteien, die schlecht gelaunt das Vergangene loben".

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Kühnert: "Die AfD ist begeistert vom Gestern"

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert warf der AfD vor dem Hintergrund ihres Umfrage-Hochs vor, die Bevölkerung zu verunsichern. "Die AfD nutzt die Verunsicherung in der Gesellschaft bewusst aus. Sie schürt Ängste und gaukelt den Menschen vor, dass eine gute Zukunft ohne jeden Wandel möglich sei", sagte der Politiker am Freitag. Doch das sei eine populistische Lüge.

Um den Populisten Einhalt zu gebieten, brauche es standfeste Demokraten in Regierung und Opposition, betonte Kühnert. Er appellierte deshalb an die Union, sie solle sich gut überlegen, ob sie tatsächlich aus taktischen Motiven die Umfragewerte der AfD zum bundesweiten Stimmungsbarometer aufwerten möchte. Das mache den rechten Rand mächtiger, als er sei. "Eine solche Strategie schadet auf Dauer nicht der Ampel, sondern unserer liberalen Demokratie. Jeder trägt sein Stück der Verantwortung", sagte Kühnert.

"Die AfD ist begeistert vom Gestern. Für die Gegenwart und Zukunft hat sie nichts im Angebot", kritisierte Kühnert. Niemand müsse AfD wählen, um in der Demokratie Unzufriedenheit auszudrücken. Er räumte zugleich ein: "Wir wissen auch, dass die letzten Wochen kein Paradebeispiel für tolle politische Debatten waren." Für die Zukunft müsse gelten: "Probleme nach innen klären, Politik nach außen sorgfältig erklären und deutlich machen, dass wir gemeinsam an den besten Lösungen für unser Land arbeiten."

Dreyer: "Und dann fragen, wer das Feuer löschen kann"

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat vor dem Hintergrund des Umfragehochs der AfD die CDU kritisiert. "Ich bin fassungslos darüber, wie scheinheilig und unverfroren die Union die Gründe für das Umfragehoch der AfD bei anderen sucht", sagte Dreyer der Deutschen Presse-Agentur in Mainz am Samstag.

Dreyer sagte, die Umfragewerte der AfD seien schon einmal so hoch gewesen. "Das war im Sommer 2018, als die Unionsschwesterparteien CDU und CSU sich einen derart erbitterten Asylstreit lieferten, die Stimmung in der Bevölkerung damit aufheizten und einen Regierungsbruch riskierten, als der ehemalige CDU-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen gewaltsame Ausschreitungen eines rechten Mobbs in Chemnitz verharmloste und Markus Söder einen vermeintlichen Asyl-Tourismus anprangerte."

Das Muster sei jetzt wieder das gleiche, sagte Dreyer: "Zuerst die Stimmung in der Bevölkerung anfeuern und dann fragen, wer das Feuer löschen kann."

AfD-Chef Tino Chrupalla wertete die Umfragewerte als Bestätigung des Kurses seiner Partei und hob besonders die klare Abgrenzung zu den Grünen hervor. "Die Bürger sehen, wohin die wertegeleitete Politik der Grünen führt. Nämlich zu Wirtschaftskrieg, Teuerung und Deindustrialisierung", sagte er den Funke-Zeitungen.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen AFP, dpa und Reuters
  • welt.de: "Die AfD will unsere Demokratie zersetzen" (kostenpflichtig)
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