Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Parteiaustritt Ein kluger Schachzug von Boris Palmer
Statt sich rauswerfen zu lassen, tritt Boris Palmer lieber selbst bei den Grünen aus. Das ist ein kluger Schachzug – an dem sich auch Gerhard Schröder ein Beispiel nehmen könnte.
Mit diesem Schritt hatte bis zuletzt keiner gerechnet: Boris Palmer, Tübingens Oberbürgermeister, ist aus seiner Partei Bündnis 90/Die Grünen ausgetreten. Damit kommt Palmer dem Rauswurf zuvor, das Parteiausschlussverfahren gegen ihn läuft seit Monaten.
Viele in der Öko-Partei halten diesen Schritt für richtig und überfällig (mehr dazu lesen Sie hier). Diese Perspektive ist verständlich und erwartbar, hatte Palmer doch zuletzt immer wieder vor allem durch Provokationen Aufsehen erregt und nicht durch seine Politik. So weit ist das alles wenig beachtlich.
Interessant ist Palmers Entscheidung vielmehr deshalb, weil er damit Einsicht und Reue zeigt, ja darauf sogar Taten folgen lässt: Er selbst zieht den Schlussstrich unter seine Parteilaufbahn. Er tritt lieber aus, statt sich rauswerfen zu lassen.
Das ist beispielhaft. Und davon sollten andere Politiker, die sich von ihrer Partei entfernt haben, lernen, und sich Palmer zum Vorbild nehmen. Allen voran Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD).
Was ist schon "parteischädigend"?
Wie die Grünen Palmer versuchten zuletzt die Sozialdemokraten Schröder loszuwerden. Der Grund: seine Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, sein Festhalten an lukrativen Posten in der russischen Energiewirtschaft. Allein: Schröder sträubte sich, ist sich bis heute keiner Schuld bewusst. Er will Mitglied bleiben – und darf das nach einer Entscheidung vom März auch.
Hintergrund dafür ist der große Ermessensspielraum in der Frage, was genau nachweislich "parteischädigend" ist. Welche Äußerungen, welches Verhalten fügt nach Paragraf 10, Absatz 4 des Parteiengesetzes einer Partei "schweren Schaden" zu, der einen Rauswurf rechtfertigt?
Eindeutig zuungunsten Schröders konnte das SPD-Schiedsgericht diese Fragen nicht klären. Er bleibt SPD-Mitglied. Dennoch sind Folgen angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine absehbar: weitere Anträge zum Parteiausschluss, weitere Anwaltsscharmützel, noch mehr Schlagzeilen, Ärger ohne Ende.
Genau das erspart Palmer "seinen" Grünen jetzt. Damit beweist er Anstand. Aus Sicht der SPD würde man sich wünschen, dass Schröder das auch tut.