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Deutsch-iranische Parlamentarier: So torpedierten AfD-Politiker ein Gremium


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Aus für Parlamentariergruppe
Wie AfD-Politiker ein Gremium im Bundestag torpedierten


Aktualisiert am 02.03.2023Lesedauer: 7 Min.
AfD-Politiker Roger Beckamp: Er leitete die deutsch-iranische Parlamentariergruppe - bis zu diesem Donnerstag.Vergrößern des Bildes
AfD-Politiker Roger Beckamp: Er leitete die deutsch-iranische Parlamentariergruppe. (Quelle: Sergei Malgavko/Imago)

Eklat im Bundestag: Die deutsch-iranische Parlamentariergruppe ist vorerst Geschichte. Das hat nach Informationen von t-online der Ältestenrat beschlossen. Rekonstruktion einer politischen Posse.

Für Carlos Kasper ist dieser Donnerstag ein guter Tag. Denn der SPD-Abgeordnete ist Mitglied der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe. Oder präziser: Er war Mitglied.

Der Ältestenrat des Bundestags hat nach Informationen von t-online am Donnerstag beschlossen, dass die kleine Gruppe vorerst auf Eis gelegt werden soll. Kasper und die SPD haben sich mit der FDP dafür eingesetzt. “Angesichts des brutalen Vorgehens des iranischen Regimes gegen die mutigen Demonstrierenden im Land und der Rückendeckung durch iranische Abgeordnete, kann es keine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen den Parlamenten geben", sagte Katja Mast, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD im Bundestag, t-online zu der Entscheidung. Die Aussetzung des Gremiums sei deswegen ein "wichtiges Zeichen".

Seit Herbst 2022 demonstrieren viele Iraner gegen das Regime in Teheran, das mit Brutalität gegen die Proteste vorgeht. Das Parlament im Iran stützt den Kurs der Mullahs: Im November sprach es sich mehrheitlich für die Todesstrafe für inhaftierte Demonstranten aus.

Als "richtiges und wichtiges Zeichen in Richtung Iran" bezeichnet Kasper die Aussetzung der Parlamentariergruppe im Gespräch mit t-online. "Wir als Abgeordnete des Deutschen Bundestags senden so das Signal, dass wir es keinesfalls gutheißen, wenn sich alle Abgeordneten im Parlament für die Todesstrafe aussprechen." Der wichtigste Grund für die Auflösung ist laut Kasper der brutale Kurs des iranischen Regimes.

Doch es gibt noch einen weiteren Grund: die AfD.

Kasper: Verbreitung von Propaganda verhindern

Die AfD hat mit Roger Beckamp den Vorsitz in der Gruppe. Es ist nicht das erste Mal, dass es zum Eklat im Zusammenhang mit Parlamentariergruppen und der AfD kommt: In der vorangegangenen Wahlperiode lief es bei der deutsch-russischen Gruppe ähnlich. Mitglieder warfen dem Vorsitzenden eine "Anbiederung an die russische Führung" vor. Immer mehr Abgeordnete anderer Parteien boykottierten die Sitzungen, am Ende nahmen laut dem "Spiegel" nur noch AfD-Politiker teil.

Dass die deutsch-iranische Parlamentariergruppe ein vergleichbares Schicksal erleidet, liegt dieses Mal auch an der AfD-Dominanz. Der SPD-Politiker Kasper macht daraus keinen Hehl: "Es ist auch wichtig, dass wir die Parlamentariergruppe jetzt aussetzen, um der AfD nicht das Mittel in die Hand zu geben, im Bundestag Propaganda des iranischen Regimes zu verbreiten." Nicht nur Kasper wirft Beckamp vor, einen zu iranfreundlichen Kurs zu verfolgen, der nicht den Beschlüssen des Bundestages entspreche. Im Raum steht ein unmissverständlicher Vorwurf: Die AfD habe die Gruppe mit immer mehr Abgeordneten "kapern" wollen.

Und tatsächlich verfügt die AfD in dem Gremium inzwischen über eine deutliche Mehrheit: Von nun mehr nur noch vier Mitgliedern stammen drei aus der AfD. Das liegt allerdings auch daran, dass das Interesse anderer Parteien an der Gruppe von Anfang an gering war – und dann auch noch mehrere Mitglieder das Gremium verließen oder nicht mehr aktiv an der Arbeit teilnahmen.

Aber wie kann das eigentlich sein? Die Rekonstruktion der Ereignisse ist mühsam, die Parlamentariergruppen tagen nicht öffentlich, die offiziellen Angaben auf der Homepage des Bundestags sind unvollständig.

Beckamps Iran-Kurs ist auch in der AfD umstritten

Der Vorsitz in den Parlamentariergruppen wird – ähnlich wie der Vorsitz der Ausschüsse – nach der Stärke der Fraktionen vergeben. SPD, Union, Grüne und FDP dürfen also zuerst zugreifen, entscheiden sich aber für Gruppen, die Kontakt zu anderen Ländern halten. Wie viele Abgeordnete in eine Gruppe kommen dürfen, ist genauso wenig geregelt wie ein Fraktionsproporz.

Im April vergangenen Jahres, also mehr als ein halbes Jahr nach der Bundestagswahl, konstituiert sich die deutsch-iranische Parlamentariergruppe. Den Vorsitz übernimmt Roger Beckamp. Der AfD-Politiker ist für seinen iranfreundlichen Kurs sogar in der eigenen Partei umstritten. Während die AfD dem autoritären Regime in Russland mehrheitlich aufgeschlossen gegenübersteht, sind die Positionen beim Iran komplexer: Als dezidiert islamkritische Partei befürworten viele Mitglieder einen harten Kurs gegen das Mullah-Regime.

Beckamp hat in den vergangenen Monaten zusammen mit Parteikollegen wie Eugen Schmidt immer wieder versucht, einen neuen Kurs in seiner Fraktion durchzusetzen. Er brachte mehrere Papiere ein und eröffnete Diskussionsrunden, in denen er auf eine stärkere wirtschaftliche Kooperation mit dem Iran pochte, Gaslieferungen von dort nach Deutschland befürwortete und eine Wiederaufnahme des Atomabkommens forderte.

"Die Proteste sind selbstverständlich sympathisch!"

"Die Proteste im Iran sind selbstverständlich sympathisch! Die AfD ist die Partei der Freiheit! Sanktionen und Schaufensterreden aber schaden", heißt es in einem Papier, das im Oktober von Beckamps Mitarbeiter geschrieben wurde und später Eingang in einen von Beckamp aufgesetzten Entwurf für ein Positionspapier der Fraktion fand. Das Papier liegt t-online vor. Es fordert eine "abgewogene Realpolitik in deutschem Interesse" und konstatiert: "Die AfD sollte für eine kooperative Politik mit dem Iran eintreten."

Es gibt in der Fraktion allerdings erbitterte Gegner dieses Schmusekurses mit dem iranischen Regime. Abstimmungen zu dem Thema werden von der Tagesordnung genommen, Diskussionen enden ohne Einigung, die Positionierung der Fraktion ist nach wie vor unklar.

Manch einer in der AfD erklärt sich so auch Beckamps Interesse für den Vorsitz der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe: Es sei "plausibel", dass es ihn und Schmidt in die Gruppe ziehe, sagte ein AfD-Politiker t-online. "In der Fraktion hatten sie nämlich keine Mehrheit. Man hatte offenbar die Hoffnung, dass man hier seinen Plan weiterverfolgen könne."

Weiteres Mitglied als Rechtsextremist eingestuft

In der Parlamentariergruppe ist nach übereinstimmenden Angaben von Beckamp und von Politikern anderer Parteien von Anfang an auch der AfD-Abgeordnete Hannes Gnauck Mitglied. Er wird vom Militärischen Abschirmdienst als Rechtsextremist eingestuft. Auf der Homepage des Bundestages ist er allerdings nicht als Mitglied der Gruppe aufgeführt.

Im Laufe der Monate gesellte sich außerdem der AfD-Abgeordnete Jan Wenzel Schmidt hinzu, der im Herbst Schlagzeilen machte, weil er einen rechtsextremen und wegen Gewalttaten verurteilten Mitarbeiter im Bundestag beschäftigt. An mehreren Terminen sollen zudem andere AfD-Politiker als Gäste teilgenommen haben, darunter Eugen Schmidt.

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So groß das Interesse der AfDler ist, so überschaubar fällt es bei anderen Fraktionen aus. Grüne und Union entsenden von Anfang an niemanden in die Gruppe. Anfragen von t-online zu den Gründen bleiben von beiden Fraktionen unbeantwortet.

Für die Linke nimmt Ali Al-Dailamani der konstituierenden Sitzung teil. Offiziell wird er auch weiterhin als Mitglied geführt – nach der ersten Sitzung aber erscheint er nach übereinstimmenden Angaben nicht mehr. Neben den drei AfDlern sind deswegen bald nur noch der SPD-Abgeordnete Carlos Kasper und der FDP-Abgeordnete Rainer Semet aktive Mitglieder. Die AfD hat also die Mehrheit.

Teures Geschenk für den iranischen Botschafter

Fünfmal tagt die deutsch-iranische Parlamentariergruppe im vergangenen Jahr. Im Juli besuchen Teile der Gruppe den iranischen Botschafter. Beckamp organisiert ein nicht gerade günstiges Geschenk für den Diplomaten: eine Karte des alten Persiens, die laut Recherchen der "Welt" 220 Euro gekostet hat.

Im Oktober, nach Ausbruch der Proteste gegen das Regime im Iran, verschickt Beckamp als Vorsitzender an die Mitglieder der Gruppe unkommentiert eine Stellungnahme des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi. Darin verurteilt dieser die Proteste als Gefährdung für die iranische Gesellschaft. Sie seien getrieben von den "Feinden der islamischen Revolution".

Die Kritik bei den Vertretern der anderen Parteien in der Gruppe wächst. Ab Januar plädieren die Vertreter von SPD wie FDP öffentlich für eine Auflösung der Gruppe, der FDP-Abgeordnete Rainer Semet tritt aus.

Anfang Februar verschickt Beckamp dann einen Entwurf für eine Pressemitteilung, die er nach Diskussion in der Gruppe im Namen des Gremiums veröffentlichen will. Der Entwurf liegt t-online vor. Darin heißt es unter anderem: "Wirtschaftssanktionen schaden. Wir treten darum gegenüber der Bundesregierung dafür ein, dass sie wirksame Maßnahmen gegen die von den USA verhängten Wirtschaftssanktionen ergreift." Es ist Beckamps Kurs, nicht der des Bundestages.

Semet (FDP): War "immer in der Minderheit"

Wie sein SPD-Kollege Kasper sieht auch FDP-Mann Rainer Semet den Hauptgrund für die Aussetzung der Gruppe in der sich verschlechternden Situation der Menschenrechte im Iran. "Das Parlament im Iran stützt den brutalen Kurs des Regimes", sagte er t-online. "Die FDP verurteilt dieses Vorgehen eindeutig, im Parlament und bei Demonstrationen auf der Straße.“

Doch auch für Semet spielt die Dominanz der AfD eine Rolle für seine Entscheidung: "Im Laufe des vergangenen Jahres haben immer mehr AfD-Abgeordnete an den Sitzungen der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe teilgenommen. Ein pluralistisches Arbeiten war so nicht mehr möglich." Er habe sich mit einer Haltung, die mit Abstand die Mehrheit im Bundestag vertrete, "immer in der Minderheit" befunden.

AfD-Mann Beckamp bestreitet die Vorwürfe im Gespräch mit t-online. Es habe nie Beschwerden in der Gruppe über Inhalte gegeben, die hätten ihn lediglich über die Presse erreicht. Er ist sich sicher: "Ich glaube, dass Hauptgrund für die Aussetzung der Gruppe ist, dass die AfD den Vorsitz hat."

Als Vorsitzender habe er unterschiedliche Gesprächspartner eingeladen und sei offen gewesen für Anregungen von anderen. So sei es etwa zu einem Treffen mit Iranern auf Anregung der SPD gekommen, das gut verlaufen sei.

Das Präsent für den Botschafter sei einfach ein "besonderes Geschenk" gewesen, sagte Beckamp. Das Statement von Raisi habe er auf Anfrage von der iranischen Botschaft erhalten und als Information weitergeleitet. "Ich enthalte mich als Vorsitzender da zunächst Bewertungen. Das halte ich für unangebracht."

Trotz der Niederschlagung der Proteste im Iran durch das Regime und den zweifelhaften Kurs des Parlaments in Teheran will Beckamp die Gesprächskanäle offenhalten. "Wenn ich mit Parlamenten nicht mehr im Gespräch bleiben würde, die die Todesstrafe befürworten, wäre ich mit einigen Ländern nicht mehr im Gespräch – zum Beispiel auch den USA", sagte er t-online.

Am Donnerstag beschließt der Ältestenrat des Bundestags die Aussetzung der Parlamentariergruppe. Linke, Grüne und Union unterstützen das. "Wir begrüßen die Suspendierung der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe, da dort zurzeit keine konstruktiven Gespräche mit iranischen parlamentarischen Delegationen mehr möglich sind", teilte die Grünen-Abgeordnete Lamya Kaddor t-online mit, die in ihrer Fraktion Berichterstatterin für den Iran ist.

AfD-Politiker Roger Beckamp ist mit seinem Iran-Schmusekurs im Bundestag weitgehend isoliert.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Gespräche mit und Anfragen an Carlos Kasper (SPD), Rainer Semet (FDP), Ali Al-Dailami (Linke), Grüne- und Unionsfraktion sowie Roger Beckamp
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