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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Auch in deutschen Städten So "entwaffnen" Aktivisten weltweit SUVs
In einer koordinierten Aktion haben Umweltschützer die Luft aus den Reifen von knapp 900 SUVs gelassen. Das ist ihre Methode.
In der Nacht von Montag auf Dienstag haben Aktivistinnen und Aktivisten in sieben europäischen Ländern sowie in New York City Hunderte SUVs lahmgelegt. Das berichtet das Kollektiv "Tyre Extinguishers", zu Deutsch "Reifenlöscher", in einer Pressemitteilung am Dienstagmittag. Die lose organisierte Gruppe ließ die Luft aus den Reifen von rund 900 Wagen ab.
Es sei die bisher größte koordinierte Maßnahme gegen Fahrzeuge mit besonders hohen CO2-Emissionen. Weitere Aktionsnächte sollen folgen, heißt es von den "Tyre Extinguishers". In Deutschland traf es insgesamt 124 Wagen, darunter 50 SUVs im Berliner Nobelbezirk Dahlem, 26 Fahrzeuge im Essener Reichenviertel Heisingen, 25 Wagen in den wohlhabenden Hannoveraner Stadtteilen Zoo, Oststadt und List sowie 14 Autos in Saarbrücken und 9 in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn.
Die Aktivistinnen und Aktivisten der "Tyre Extinguishers" zielen laut einer Anleitung auf ihrer Webseite dezidiert auf Luxus- und Mittelklasseviertel ab, um dort Geländewagen zu "entwaffnen". Nach diesem Muster sind sie auf ihrem jüngsten Streifzug nicht nur in deutschen Städten, sondern auch in Zürich, Winterthur, Innsbruck, Paris, Lyon, Amsterdam, Enschede, Bristol, Leeds, London, Dundee, Malmö, Uppsala und New York City vorgegangen.
Auf Fotos von der Aktion sind vor allem die Marken Range Rover, Porsche und BMW zu sehen. Darunter anscheinend auch einige Elektro-Modelle.
Auch Elektro-SUVs betroffen
"Hybrid- und Elektroautos sind auch zum Abschuss freigegeben", so die "Tyre Extinguishers". Die Elektrifizierung des Individualverkehrs sei nicht der Weg aus der Klimakrise, da es nicht genug seltene Erden gebe, um alle Verbrenner zu ersetzen, und der Abbau dieser Metalle in vielen Förderländern großes Leid verursache.
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Außerdem bestünden auch bei Elektro-SUVs eine erhöhte Unfallgefahr sowie überdurchschnittliche Luftverschmutzung durch den Abrieb von Reifen- und Bremsbelägen.
Gleichzeitig warnt die Gruppe eindringlich davor, bei Autos von Händlern, Lieferanten, Menschen mit Behinderung, Kleinbussen und "normalgroßen" Personenkraftwagen die Luft abzulassen.
Sachbeschädigung auch ohne Gewalt
Statt die Reifen zu zerstechen oder aufzuschlitzen, lässt die Gruppe die Luft über Druck auf die Ventilnippel ab: "Dreh die Ventilkappe auf und lege eine Linse hinein. Schraube die Kappe wieder auf, bis du ein Zischen hörst", beschreibt ein Video den Vorgang. Nach dem Ablassen der Luft sind die Aktivisten angehalten, einen Flyer hinter die Scheibenwischer zu klemmen, um die Autobesitzer zu informieren.
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Ihre Aktionen begründet die Gruppe damit, "dass SUVs und Geländewagen ein Desaster für die menschliche Gesundheit, die Sicherheit im Straßenverkehr und das Klima sind." Vor allem seien die meisten dieser Wagen völlig unnötig und reine Statussymbole, da drei Viertel aller entsprechenden Autobesitzer in Städten lebten.
"Wir wollen zeigen, dass jeder überall etwas für den Klimaschutz tun kann, um die Dominanz riesiger Autos in Städten weltweit zu beenden. Alles, was man braucht, ist ein Flugblatt und eine Linse", sagte Marion Walker, Sprecherin der "Tyre Extinguishers".
Zumindest in Deutschland ist das Ablassen der Luft aus mehr als einem Autoreifen jedoch strafbar. Ein Urteil des Bundesgerichtshofes von 1959 sieht darin eine "erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung" – selbst dann, wenn die Ventile und Reifenmäntel unbeschädigt bleiben.
Was ist dran?
In Deutschland gilt inzwischen knapp jede dritte Neuzulassung einem SUV. Eine Studie des amerikanischen Insurance Institute for Highway Safety aus dem Sommer 2022 belegt für diese Wagen eine deutlich höhere Unfallwahrscheinlichkeit mit Blick auf Kollissionen mit Fußgängerinnen und Fußgängern.
Forschungsergebnisse aus Deutschland gibt es bisher nur aus 2012, einer Zeit, in der SUVs und Geländewagen hier noch kaum unterwegs waren. Die damaligen Ergebnisse der Unfallforschung der Versicherer und der Technischen Universität Berlin zeigen zwar kein erhöhtes Risiko für Passanten, unterstreichen jedoch bereits ein deutlich erhöhtes Todesrisiko für andere Autofahrerinnen und Autofahrer.
Bei einem Frontalzusammenstoß mit einem SUV ist die Wahrscheinlichkeit demnach viermal höher, dass die Insassen eines normalen PKW umkommen, als bei einer Kollision mit einem durchschnittlich großen Wagen. Auch die Klimabelastung durch SUVs ist tatsächlich höher.
Bei einem Vergleich des Statistikportals Statista schlug der CO2-Ausstoß eines Mercedes-SUV mit jährlich 569 kg mehr zu Buche als Limousinen-Modelle desselben Herstellers. Allein diese Differenz übersteigt die Emissionen, die ein Einpersonenhaushalt durch den Stromverbrauch eines gesamten Jahres verursacht. Auch bei der Atemluftverschmutzung schneiden SUVs schlechter ab.
Da Feinstaub vor allem durch Bremsen- und Reifenabrieb entsteht, produzieren große und schwere Fahrzeugen davon automatisch mehr als kleinere, leichtere Modelle. Das gilt auch für Elektro-SUVs: Laut einer OECD-Studie erzeugen große Elektroautos mit ihren schweren Batterien sogar bis zu 8 Prozent mehr der besonders gesundheitsschädigenden Kleinstpartikel als entsprechende Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor.
- Pressemitteilung der "Tyre Extinguishers" (29.11.2022): "Nearly 900 SUVs hit in eight countries in huge night of anti-SUV action"
- Webseite der "Tyre Extinguishers"
- Kraftfahrt-Bundesamt: Zulassungszahlen Oktober 2022
- BGH-Beschluss (1959): Az: 1 StR 296/59
- Journal of Safety Research (2022): "The association between pedestrian crash types and passenger vehicle types"
- Brockmann, Siegfried (2011): "Sport Utility Vehicles (SUV) im Unfallgeschehen"
- Axel Malczyk, Gerd Müller, Tina Gehlert (2012): "The increasing Role of SUVs in Crash Involvements in Germany, Unfallforschung der Versicherer"
- Statista (2019): "So viel mehr CO2 stoßen SUVs aus"
- OECD (2020): "Non-exhaust Particulate Emissions from Road Transport- an Ignored Environmental Policy Challenge"