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Olaf Scholz' Beteiligung am Hamburger Hafen: Brutal wie nie


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China und der Hamburger Hafen
Brutal wie nie


Aktualisiert am 26.10.2022Lesedauer: 5 Min.
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Olaf Scholz: Brutal durchgeboxt. (Quelle: IMAGO/Chris Emil Janssen)
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Erst Atomkraft, jetzt Hamburger Hafen: Innerhalb kürzester Zeit drückt Olaf Scholz der Regierung zweimal seinen Willen auf. Der Frust in der Koalition ist größer denn je.

Manchmal sind es die heftigsten Auseinandersetzungen, die am leisesten zu Ende gehen. Jedenfalls ist es so am Mittwochmorgen im Berliner Regierungsviertel. Um kurz nach 9 Uhr endet mit einer maximal nüchternen Pressemitteilung ein politischer Kampf, der die Ampelregierung fast zerrissen hätte und sie noch lange beschäftigen wird.

"Das Bundeskabinett hat heute eine Teiluntersagung im Investitionsprüfverfahren Hamburger Hafen beschlossen", verkündet das Wirtschaftsministerium. So, als sei die Sache eine Entscheidung wie jede andere, als sei die Beteiligung des chinesischen Unternehmens Cosco an einem Terminal des Hamburger Hafens mindestens ein einmütiger Kompromiss der Regierung.

Doch eigentlich ist es keines von beidem. Im Gegenteil: Es ist innerhalb von zehn Tagen das zweite Durchgreifen eines Kanzlers, dem oft mangelnde Führung vorgeworfen wurde. Bei dem sich einige angesichts des ständigen Ampelgezänks schon fragten, ob er überhaupt noch im Amt sei.

Vergangene Woche dann entschied Olaf Scholz im Alleingang, wie es mit der Atomkraft weitergeht – mit Verweis auf seine Richtlinienkompetenz in einem knappen Brief an seine Minister. Bereits diese Aktion ließ viele verwundert zurück.

Jetzt weiß man: Scholz kann noch ganz anders, es gibt neben dem freundlich-verbindlichen auch den knallharten Olaf. Denn beim Durchboxen des Deals zugunsten der Chinesen in seiner politischen Heimatstadt Hamburg sparte sich der SPD-Mann öffentliche Erklärungen gleich ganz. Er verhinderte einfach hinter den Kulissen, dass der geballte Widerspruch aus den Ministerien zur Regierungspolitik werden konnte. Es war gewissermaßen eine bürokratische Rambo-Aktion, mit der Scholz Fakten schaffte.

Ein ziemlich brutaler Trick.

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Im Gegensatz zur Atomdebatte, die sich monatelang hinzog und aufschaukelte, ging dabei diesmal alles ganz schnell. Dass China sich in ein Terminal am Hamburger Hafen einkaufen wollte, war lange bekannt.

Doch am vergangenen Donnerstag berichteten NDR und WDR erstmals, dass die sechs entscheidenden Ministerien in der Bundesregierung große Bedenken gegen den Deal haben. Kritische Infrastruktur. Größere Abhängigkeit von China, obwohl man im Falle Russlands gesehen hat, wozu das führt. Das waren nur einige Argumente.

Sie sind nicht neu. Aber der Krach ging erst richtig los.

Aus den Ministerien wurde gestreut, das Kanzleramt wolle den Deal trotz ihrer berechtigten Bedenken durchdrücken. Im Kanzleramt hingegen wurde argumentiert, man warte derzeit noch auf eine belastbare Begründung der ablehnenden Haltung aus dem Wirtschaftsministerium.

Das wiederum wollte man sich im Wirtschaftsministerium offensichtlich nicht vorwerfen lassen. Jedenfalls fand Anfang dieser Woche eine interne Risikoanalyse den Weg in die Medien. Es bestehe die Gefahr einer "erhöhten Anfälligkeit für einseitige China-Maßnahmen und einer Einschränkung der strategischen Autonomie Europas" heißt es in der Verschlusssache laut "FAZ". Das Fazit: "Der Erwerb sollte daher untersagt werden".

Indiskretionen als Waffe

Besonders deutlich ließ auch das Auswärtige Amt seinen Widerstand durchblicken. Ministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnt seit Langem eindringlich vor den Gefahren der Abhängigkeit von der autoritären Volksrepublik – und sie war es auch, die in einem Interview öffentlich Stellung gegen die Hamburg-Pläne Chinas bezog.

In ihrem Ministerium wurde in dieser Woche noch ein weiterer Punkt betont, nämlich eine, wie es heißt, "fatale Symbolwirkung".

Die Sorge der Diplomaten: Nachdem Deutschland bei Verbündeten wegen seiner Energiepolitik mit Russland gerade erst im Kreuzfeuer der Kritik gestanden habe, erschüttere man schon wieder das Vertrauen der Partner in Europa und Amerika. Man säe Zweifel, ob die Deutschen die Zeichen der Zeit überhaupt erkannt hätten.

Es sind bemerkenswerte Vorgänge. Die Ampelregierung, die sich sonst ständig dafür rühmt, vertraulich hinter verschlossenen Türen zu verhandeln, nutzte diesmal offensichtlich gezielt die Medien, um Druck aufzubauen. Nicht bei irgendeinem Dritten, sondern untereinander. Indiskretionen wurden zur Waffe im innerkoalitionären Machtkampf.

Blockade per Tagesordnung

Das lag wohl auch daran, dass die Macht diesmal noch ungleicher verteilt war als ohnehin schon. Denn die Wunderwaffe des Kanzlers war anders als im Falle der Atomkraftwerke nicht seine Richtlinienkompetenz, sondern die schnöde Herrschaft des Kanzleramts über die Tagesordnung des Bundeskabinetts: Scholz und seine Leute entscheiden, was darauf kommt, und damit, worüber die Bundesregierung entscheidet.

Und das kam der Regierungszentrale diesmal besonders gelegen. Denn die Zeit lief für Scholz – und die Chinesen. Hätte das Kabinett den Deal bis zum 31. Oktober nicht untersagt oder zumindest die Frist verlängert, wäre er automatisch in Kraft getreten. Scholz nutzte das eiskalt aus, so muss man interpretieren, was aus den Ministerien und dem Kanzleramt nach außen drang.

Das Kanzleramt weigerte sich demnach schlicht, den kompletten Stopp des Deals auf die Tagesordnung zu setzen. Und was nicht auf der Tagesordnung steht, kann nicht beschlossen werden. Hätte sich also niemand in der Regierung bewegt, wäre Cosco künftig mit 35 Prozent am Terminal Tollerort beteiligt gewesen. Und das Kanzleramt verspürte offenbar keinen großen Bewegungsdrang. Es hatte ja keine Bedenken.

Noch am Dienstagnachmittag wurde verhandelt

Also musste ein Kompromiss her, so wird nun bei den Gegnern des Deals argumentiert. Weil man schlicht keine andere Wahl gehabt habe. Wobei Beteiligte schon das Wort Kompromiss meiden. Am Montagabend berichtete die "Süddeutsche Zeitung" erstmals, wie eine Lösung aussehen könnte: mit 24,9 Prozent Beteiligung statt 35 Prozent am Terminal. Und entsprechend weniger strategischem Einfluss. (Lesen Sie hier mehr zu den Details.)

Was jedoch in der Zeitung wie ein abgemachter Deal klang, war in Wahrheit auch am Dienstag noch hochumstritten in der Bundesregierung. Nach t-online-Informationen gaben die sechs Ministerien dem Kanzleramt erneut zu verstehen, dass sie den Einstieg der Chinesen eigentlich gar nicht wollen. Nicht 35, nicht 24,9, nicht 10 Prozent. Noch bis Dienstagnachmittag wurde auf Ebene der Staatssekretäre über die Details gestritten.

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Am selben Abend stand der Kompromiss schließlich und ging in die sogenannte Ressortabstimmung. Nur wenn alle Ministerien ihr Okay geben, kann das Bundeskabinett nämlich anschließend überhaupt etwas beschließen.

Doch selbst als die Sache, die nicht Kompromiss heißen darf, längst ausgemacht war, gab man in den Ministerien nicht einfach so klein bei, wie es sonst in einer Bundesregierung üblich ist. "Eine Teiluntersagung ist eine Notlösung, die den Schaden begrenzt", hieß es noch am Dienstagabend aus Regierungskreisen. "Nach wie vor gilt, dass eine Volluntersagung aus unserer Sicht der richtige Schritt gewesen wäre, um unsere Infrastruktur zu schützen", argumentierten die Gegner weiter.

"Irgendwann knallt es"

Notlösung, Schadensbegrenzung. Das sind auch die Worte, die nun vor allem von den Grünen ständig wiederholt werden. Daran, dass sie eigentlich etwas anderes wollten, soll kein Zweifel aufkommen.

Die Grünen waren in den vergangenen Tagen die lautesten Gegner des Geschäfts. Und sind nun nicht nur wegen des wachsenden chinesischen Einflusses alarmiert. Denn schon nach der Kanzler-Entscheidung zur Atomkraft hieß es in der Bundesfraktion, dass solche Alleingänge des Regierungschefs keinesfalls zur neuen Normalität dieser Koalition werden dürften.

Dabei konnte man die einsame Entscheidung des Kanzlers bei der Atomkraft noch deutlich versöhnlicher lesen: Als letzten Versuch, einen Kompromiss für einen Konflikt zu finden, den angesichts der historischen Krise fast niemand mehr verstand. Indem Scholz die Entscheidung an sich zog, nahm er sie eben auch den hoffnungslos ineinander verkeilten Ministern Christian Lindner und Robert Habeck ab.

Ein gut gemeintes Machtwörtchen, mit dem am Ende zumindest in der Regierung alle leben konnten.

Beim Hamburger Hafen jedoch ist Scholz definitiv nicht der Retter in der Not, der eine Lösung bringt, wenn seine Minister sich nicht einigen können. Diesmal boxte er seinen Willen schlicht gegen die einhelligen Warnungen seiner Fachressorts durch.

Entsprechend sind nun die Reaktionen bei den Grünen. Unfassbar sei das eigentlich, ist zu hören. Manche spielen mit dem Gedanken, dass man es Scholz nun eigentlich mal heimzahlen müsse. Die Stimmung jedenfalls ist auf dem Tiefpunkt. Besserung? Nicht in Sicht. Im Gegenteil. Ein Grüner sagt: "Irgendwann knallt es."

Verwendete Quellen
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