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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kanzler im ARD-Interview Scholz: Würde mich bei G20-Gipfel mit Putin an einen Tisch setzen
Der Kanzler zeigt sich nach dem G7-Gipfel als souveräner Weltpolitiker. Auf den nächsten Gipfel mit Russland und China im Herbst zu verzichten, wäre Scholz zufolge ein "großer Fehler".
Eigentlich war das ARD-Interview mit Olaf Scholz zum Abschluss des G7-Gipfels "aus dem Garten" von Schloss Elmau geplant, aus dem so viele Bilder um die Welt gingen. Doch aus Wettergründen befragten Hauptstadtstudioleiterin Tina Hassel und ARD-Chefredakteur Oliver Köhr den Bundeskanzler dann im Saal. Das nach der 20.00-Uhr-"Tagesschau" gesendete Interview wurde am frühen Nachmittag aufgezeichnet, auch weil Scholz bald darauf zum Nato-Gipfel in Madrid aufbrach.
Sichtlich zufrieden und im gewohnt leisem Gestus sprach der Kanzler von "ganz wichtigen Signalen", die in Elmau gesetzt wurden: "Die Demokratien der Welt stehen zusammen", nicht nur die sieben größten Industrieländer, sondern auch Schwellenländer wie Indien und Indonesien, deren Regierungschefs eingeladen waren.
So isoliert, wie es die G7 gerne hätten, ist der Aggressor Russland gar nicht, warf Hassel mit Blick auf indische Ölgeschäfte ein. Man müsse auch andere Perspektiven anhören und sie verstehen, entgegnete Scholz. Zumindest bei Fragen der territorialen Integrität von Staaten habe es "keinen Dissens" zwischen den G7 und ihren in Elmau vertretenen Gästen gegeben.
Scholz: Würde mich bei G20 mit Putin an einen Tisch setzen
Die Frage, ob sich die schwierige Idee eines Preisdeckels für russisches Öl realisieren lässt (was nicht zuletzt an Indiens Haltung hängen würde), kam im ARD-Interview allerdings nicht zur Sprache. Dafür ging es wiederholt um das im Herbst in Indonesien anstehende G20-Gipfeltreffen.
Da würde Scholz sich auch mit Wladimir Putin "an einen Tisch setzen", sagte er auf Fragen Köhrs: Auf das G20-Format, bei dem die G7 mit Staaten wie Russland und China zusammentreffen, zu verzichten, "das wäre ein großer Fehler in der Weltpolitik, das kann man nicht kleiner sagen".
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Hart formulierte Fragen hatte auch Hassel in petto. Kann Scholz den Bundesbürgern das Versprechen geben, dass ihre Wohnungen warm bleiben? Der Kanzler gab keine konkrete Antwort.
Seine Regierung tue alles, um das Land auf eine "sehr schwierige Situation vorzubereiten". Nicht nur einmal machte er seiner Vorgängerin Vorwürfe, ohne freilich Angela Merkel beim Namen zu nennen. "Jahrelange Versäumnisse", etwa die Gasspeicher zu füllen, habe seine Regierung früh ausgebügelt.
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Energiespar-Tipps von Scholz? – "Nö"
Einige Antworten von Scholz fielen knapp, fast schon schroff aus. "Nö", lautete seine komplette Antwort auf Kröms Frage, ob er Dusch- oder andere Energiespar-Tipps wie der Vizekanzler hätte. "Sehr gut", warf er ein, als Hassel wieder "eine ernsthaftere Ebene" eröffnete und nach Klimapolitik fragte.
Keine Überraschung, dass Scholz die Kritik von Klimaverbänden an den G7-Vereinbarungen zurückwies – einerseits mit einer Aufzählung, was Deutschland alles mit einer "Intensität wie noch nie" tue, um erneuerbare Energien auszubauen, andererseits mit dem Hinweis, dass afrikanische Staaten eben andere Perspektiven haben.
Als ein Erfolg des Gipfel-Gastgebers wird der "Klimaklub" gewertet, den die G7 auf Scholz' Initiative beschloss. Doch "wie verbindlich ist so ein Gremium?", fragte Köhr. Der nächste US-Präsident könnte ja einfach wieder austreten. Stimmt, "wir haben keine Weltregierung", hielt Scholz dagegen, gerade deshalb sei es wichtig, sich auch "informell privat zu unterhalten und Vertrauen aufzubauen". Sozusagen auf Klubebene.
Scholz setzt die letzten Themen der Sendung
Ein "Machtwort" zum Koalitionsstreit über die Frage, wie Deutschland auf EU-Ebene zum Aus für Verbrenner-Autos abstimmen solle, gab Scholz im Fernsehen auch nicht, schon weil der Vorschlag, über den schließlich abgestimmt wird, noch gar nicht feststehe.
Die letzten Themen in der Sendung setzte Scholz selber. Er erwähnte wiederholt seinen breit akzeptierten Vorschlag des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens und betonte, dass die Bundeswehr in den nächsten Jahren "im Schnitt 70-80 Milliarden Euro pro Jahr für Verteidigung ausgeben" und so zur "größten konventionellen Armee im NATO-Rahmen in Europa" werde.
Fazit: Die Weltlage und die Zukunft sind unter vielen Aspekten ungewiss. Aber der Bundeskanzler scheint in seinem Element zu sein – in der Weltpolitik oder zumindest auf Gipfeln, deren Inszenierung in seiner Hand liegt.
- ARD-Interview mit Olaf Scholz am 28. Juni 2022