Debatte um Teil-Impfpflicht Scholz pocht auf Umsetzung der Länder
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht sorgt derzeit für viele Diskussionen. Mehrere Länder protestieren, Politiker der Ampelparteien verurteilen das scharf. In der Bevölkerung herrscht Unsicherheit, was nun richtig ist.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) pocht auf die Umsetzung der umstrittenen Corona-Impfpflicht für Personal in Pflegeheimen und Kliniken durch die Länder. "Wir gehen davon aus, dass Gesetze eingehalten werden", sagte Scholz nach Angaben des stellvertretenden Regierungssprechers Wolfgang Büchner am Mittwoch in Berlin. Dies sei "einer der Vorzüge des deutschen Rechtssystems".
Büchner verwies auf die gültige Gesetzesregelung, die von Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde. Die Länder hätten den Bund explizit gebeten, diese Impfpflicht als zusätzlichen Schutz für gefährdete Gruppen einzuführen. Für die Umsetzung seien die Länder zuständig.
Lauterbach hofft auf Söders Vernunft
Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geht weiter davon aus, dass Bayern die Impfpflicht für Pflege- und Klinikpersonal ebenso umsetzen wird. Zwar gebe es keine "Mechanik", Ministerpräsident Markus Söder (CSU) dazu zu zwingen. "Ich hoffe, wir können hier mit der ganz normalen Vernunft auch arbeiten", sagte Lauterbach am Dienstagabend im ZDF-"heute-journal". Söder hatte eine Aussetzung des Vollzugs der partiellen Impfpflicht angekündigt.
Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans hingegen sagte am Dienstagabend in den ARD-"Tagesthemen", der Vollzug des Gesetzes sollte bundeseinheitlich ausgesetzt werden, denn es brauche "bundeseinheitliche Anwendungen". "Nur dann ist dieses Gesetz ein gutes Gesetz, derzeit ist es ein schlechtes Gesetz."
Laumann: Bund lässt uns im Stich
Die Länder werden auch nach Ansicht des NRW-Gesundheitsministers bei der Umsetzung der anstehenden Corona-Impfpflicht für Pflege- und Klinikpersonal im Stich gelassen. Die Umsetzung ab 15. März werde für die Bundesländer eine große Herausforderung, sagte Karl-Josef Laumann (CDU) am Mittwoch auf WDR 5 im "Morgenecho". "Es ist einfach so, dass der Bund uns dabei auch etwas im Stich lässt." Es müsse genauer definiert werden, für wen die Impfpflicht gelten solle. "Ich glaube schon, dass die Länder gute Gründe haben zu sagen, lasst uns doch – Bund und Länder gemeinsam – sehen, dass wir bestimmte Parameter gleich auslegen, damit wir auch zu einer gleichen Gesetzesauslegung in ganz Deutschland kommen."
NRW werde das Gesetz umsetzen, bekräftige Laumann. Bis es vor Ort greife, werde es aber wohl Sommer. Den Gesundheitsämtern müssten alle gemeldet werden, die keinen Impfnachweis erbracht hätten. Er gehe davon aus, dass es sich um 50.000 bis 90.000 Fälle handele. Diese seien dann nach und nach im Einzelfall zu prüfen. Die betroffenen Personen müssten angehört werden, es sei genau abzuwägen, ob im Falle eines Betretungsverbots für die ungeimpfte Person noch die Versorgungssicherheit gewährleistet sei.
Grünen-Chef kritisiert Bayern
Aus der Bundespolitik richten sich vor allem Politiker der Ampelparteien scharf gegen den Protest aus den Bundesländern. Der designierte Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour findet es "irritierend", dass Bayern die Impfpflicht für Pflegekräfte vorerst nicht umsetzen will. "Das ist Bundesgesetz und muss umgesetzt werden, das ist überhaupt keine Frage", sagte Nouripour am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin". "Es geht nicht, dass plötzlich ein Land ausscheidet und sagt, wir wollen Recht und Gesetz nicht umsetzen."
Nouripour räumte ein, dass es bei dem Gesetz noch offene Fragen gebe. Es seien alle eingeladen, "sich zusammenzusetzen und Probleme, die es noch geben kann und gibt, zu lösen", sagte er. Der Union warf er vor, dass sie ausgerechnet bei dieser Frage, "die wirklich das gesamte Land umtreibt, wo es wirklich um schnelles Handeln geht", ihre Oppositionsrolle schärfen wolle.
"Brauchen bundeseinheitliche Regelungen"
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) forderte ebenfalls ein bundeseinheitliches Vorgehen bei der Umsetzung. Um jetzt den "Einrichtungen, den Beschäftigten und vor allem den Menschen mit Pflegebedarf Sicherheit zu geben, brauchen wir bundeseinheitliche, klare und gut begründete Regelungen", sagte DBfK-Präsidentin Christel Bienstein dem RND.
Wegen offener Fragen zum weiteren Umgang mit der Corona-Pandemie fordert die Linke für kommende Woche eine Regierungserklärung. Dazu sollten nicht nur Bundeskanzler Olaf Scholz und Gesundheitsminister Lauterbach, sondern auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Parlament Rede und Antwort stehen, verlangte der Parlamentarische Geschäftsführer Jan Korte in einem Brandbrief ans Kanzleramt.
Merz verteidigt Vorstoß der CDU
Die CDU hat eine bundesweite Aussetzung der auch von ihr im Bundestag mitbeschlossenen Teil-Impfpflicht gefordert, die eigentlich ab Mitte März greift. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Tino Sorge, nannte die Maßnahme "im Moment kaum umsetzbar". Auch CDU-Chef Friedrich Merz verteidigte den Vorstoß. "Wir sind deswegen nicht gegen die Impfpflicht in den Einrichtungen. Wir sind sogar der Überzeugung, dass wir sie brauchen", sagte er am Rande von Gesprächen in Brüssel.
Man sehe nun aber, dass in der praktischen Durchführung viele Probleme entstünden und beispielsweise Fragen zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen offen seien. "Die Bundesregierung lässt die Einrichtungen, lässt die Betroffenen, mit den Folgen dieser Impfpflicht völlig allein", sagte Merz. Deswegen habe man vorgeschlagen, das Gesetz auszusetzen, bis die Fragen geklärt seien.
Scharfe Kritik an der Union von der Pflegekammer Rheinland-Pfalz
Die Pflegekammer Rheinland-Pfalz kritisiert die von CSU und CDU angestoßene Debatte über eine Aussetzung der gesetzlichen Vorschrift. Es sei "unsäglich und schräg", sagte der Präsident der Landespflegekammer, Markus Mai.
Mit Blick auf den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und Teile der CDU sprach Mai von "Populismus und Streben nach höheren Beliebtheitsquoten". "Die Mitglieder der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz kommen sich vor wie eine Masse auf einem Verschiebebahnhof, mit der man nach Beliebigkeit verfahren kann", kritisierte der Kammerpräsident.
Deutsche uneinig, ob Pflicht ausgesetzt werden soll
Die Bevölkerung ist einer Umfrage zufolge geteilter Meinung, ob die ab Mitte März greifende Impfpflicht für Personal von Kliniken und Pflegeheimen ausgesetzt werden soll. Rund 46 Prozent bewerteten eine bundesweite Aussetzung in der Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov als sehr oder eher unangemessen. Etwas weniger, nämlich 41 Prozent, halten eine solche Aussetzung laut der am Mittwoch veröffentlichten Umfrage für sehr oder eher angemessen. Der Rest machte keine Angabe.
Das bereits im Dezember von Bundestag und Bundesrat beschlossene Gesetz legt fest, dass Beschäftigte in Pflegeheimen und Kliniken bis 15. März Nachweise als Geimpfte oder Genesene vorlegen müssen – oder ein Attest, nicht geimpft werden zu können. Arbeitgeber müssen die Gesundheitsämter informieren, wenn das nicht geschieht. Diese können die Beschäftigung in der Einrichtung untersagen.
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP