Rechtsextremismus Bericht: Seehofer ließ Verfassungsschutzkritik an AfD abmildern
Sollte der Verfassungsschutz die AfD als Verdachtsfall einstufen? Eine erste Bewertung dazu wurde offenbar abgeschwächt – nach einem vertraulichen Treffen mit dem damaligen Innenminister Horst Seehofer.
Der frühere Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) setzte sich nach Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" dafür ein, die Verfassungsschutzkritik an einigen problematischen AfD-Aussagen abzumildern. So geht es aus internen Dokumenten hervor.
Der damalige Innenminister, der noch bis 2019 Parteichef der CSU gewesen war, nutzte demnach ein vertrauliches Treffen mit seinem Geheimdienstchef Thomas Haldenwang im Januar 2021, um im letzten Moment auf dessen AfD-Bewertung einzuwirken.
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Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Verfassungsschutz intern bereits dafür entschieden, gegen die AfD vorzugehen. Mehr als einen Monat lang ließ Seehofer demnach die AfD-Bewertung des Verfassungsschutzes noch einmal überarbeiten. Die Kritik des Inlandsgeheimdienstes an bestimmten AfD-Äußerungen wurde dabei deutlich abgeschwächt.
Darum geht es bei dem Gutachten
Bei dem Gutachten geht es um die Begründung einer härteren Gangart des Geheimdienstes gegen die Gesamtpartei. Der Verfassungsschutz wollte die AfD darin etwa dafür kritisieren, dass sie den Islam pauschal verteufele. "Aus der Annahme, der Islam könne grundsätzlich nicht zu Thüringen gehören und dort nicht beheimatet sein, folgt, dass auch muslimische Bürgerinnen und Bürger nicht zu Thüringen gehören könnten", hieß es in einer ersten Fassung des Papiers, die dies als grenzüberschreitende Verletzung der Menschenwürde von Musliminnen und Muslimen geißelte.
Nach der Intervention Seehofers fiel die Kritik viel vorsichtiger aus. Dass der Islam "als Ganzes als nicht zugehörig zu Thüringen und zu Deutschland beschrieben wird", begründe "isoliert betrachtet noch keine Verfassungsschutzrelevanz", hieß es nun.
Seehofer: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland"
Den Satz "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" hatte Horst Seehofer selbst am 16. März 2018 in einem Interview geäußert und damit eine breite Diskussion befeuert. Ähnlich hatten sich damals auch andere CSU-Spitzenpolitiker wie etwa Alexander Dobrindt, der Landesgruppenchef im Bundestag, geäußert.
Auch beim Thema Migration milderte der Inlandsgeheimdienst sein Gutachten nach dem geheimen Treffen mit dem CSU-Minister ab. Als CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident hatte Seehofer 2015 und in den Jahren danach starke Kritik an der Zuwanderungspolitik der Bundesregierung geübt.
Selbst die abgemilderte Fassung des AfD-Gutachtens enthält indes noch genügend Vorwürfe gegen die AfD, die aus Sicht des Bundesamts für Verfassungsschutz für eine Beobachtung der gesamten Partei als "Verdachtsfall" des Rechtsextremismus ausreichen.
Ob dies auch juristisch Bestand hat, wird bald ein Gericht entscheiden: Das Verwaltungsgericht Köln hat für den 8. und 9. März eine mündliche Verhandlung angesetzt. Das Innenministerium und das Bundesamt für Verfassungsschutz äußerten sich auf Anfragen unter Verweis auf das Verfahren nicht zu den konkreten Vorgängen
- Vorabbericht der "Süddeutschen Zeitung"