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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Debatte bei "Markus Lanz" Reporter über Lauterbach: "Das birgt noch ganz großen Zündstoff"
Wird Karl Lauterbach zum Stresstest für den neuen Kanzler? Ein Reporter stellt eine Prognose. Und: Könnte es bei der Impfpflicht einen Alleingang der Länder geben?
Karl Lauterbach als Bundesgesundheitsminister war die mutigste Personalentscheidung des designierten Bundeskanzlers. "Ich hätte nicht gedacht, dass Olaf Scholz über seinen Schatten springt", zollte "Welt"-Journalist Robin Alexander dem Sozialdemokraten am Dienstag bei "Markus Lanz" Respekt. Er hegte allerdings den Verdacht: "Das ist Scholz wahnsinnig schwergefallen." Der politische Beobachter vermutete nämlich zur Causa Lauterbach: "Das birgt noch ganz, ganz großen Zündstoff."
Die Gäste
- Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident Baden-Württembergs
- Georg Maier (SPD), Innenminister von Thüringen
- Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie
- Olaf Sundermeyer, Rechtsextremismus-Forscher
- Robin Alexander, stellvertretender "Welt"-Chefredakteur
Der Mediziner könnte nach Ansicht von Alexander gleich an mehreren Stellen störend auf die Schaltkreise der Ampelkoalition wirken. Das beginne beim designierten Bundeskanzler. "Scholz setzt auf Kontrolle – und Lauterbach ist nicht dafür bekannt, sich kontrollieren zu lassen", meinte der Journalist. "Er sagt einfach: Ich habe hier eine neue Studie aus Harvard gelesen und das müssen wir jetzt so machen und da frage ich nicht vorher den Koalitionspartner."
Lanz: SPD wollte Lauterbach verhindern
Lanz hegte den Verdacht, dass die Partei sich die Personalie am liebsten ersparen wollte. "Die SPD hat viel dafür getan, dass Karl Lauterbach gar keine Rolle mehr spielt nach dieser Bundestagswahl", meinte der Moderator mit Blick auf den ungünstigen Listenplatz des unbequemen Wissenschaftlers. Der war allerdings über ein Direktmandat in den Bundestag eingezogen. Im Kabinett trifft Lauterbach künftig regelmäßig auf den FDP-Bundesjustizminister Marco Buschmann – den "Architekten der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, dass die ganze Politik, die Lauterbach immer verfochten hat, verfassungswidrig sei", sagte der "Welt"-Journalist. "Diese Spannung in der Regierung ist schon heftig."
Zur ersten großen Bewährungsprobe für Lauterbach und Scholz wird die Einführung einer Impfpflicht in Deutschland. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) bekräftigte seine Unterstützung für eine allgemeine Impfpflicht. Im Kampf gegen die vierte Corona-Welle sei eine Impfquote von über 90 Prozent notwendig. "Ich wüsste nicht, wie man das hinbekommen soll ohne eine allgemeine Impfpflicht." Kretschmann erwartete zwar zunächst einen "Riesenprotest". Danach aber könne sie die Gesellschaft "befrieden", da dann klare Verhältnisse herrschten und die Regierung die Verantwortung für die Entscheidung an sich ziehe.
Aber was, wenn sich Bundestag und Bundesrat nicht auf eine allgemeine Impfpflicht verständigen können?, fragte Lanz. "Machen Sie es notfalls allein?", wollte er mit seinem Dauerbrenner-Hinweis auf Paragraf 28 des Infektionsschutzgesetzes wissen. Das ermächtigt Landesregierungen dazu, für "bedrohte Teile der Bevölkerung" unter anderem Schutzimpfungen vorzuschreiben, "wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist" und das Bundesgesundheitsministerium von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch macht.
Alleingang der Länder bei Impfpflicht?
"Ich schließe nichts aus, was im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung möglich ist", schien Kretschmann am Ende dem Nachbohren des Moderators nachzugeben. "Das ist doch mal eine Ansage", freute sich Lanz. Allerdings hatte der Ministerpräsident zu Beginn der Sendung klargestellt, dass ein solcher Alleingang von Bundesländern "wirklich nur theoretisch möglich" wäre: "Das halte ich für politisch völlig ausgeschlossen."
Genau so sah es auch Georg Maier (SPD), Innenminister von Thüringen. "Wir können nicht isoliert die Impfpflicht einführen", widersprach er Lanz und übte Kritik an dem Gastgeber: "Sie versuchen, das auf eine Sache zuzuspitzen, die unrealistisch ist." "Eine Impfpflicht nur in Erfurt macht keinen Sinn", räumte Lanz ein. Sie schwebte ihm eher für die Bundesländer im Süden und Südosten vor. Hier verließ Dauergast Alexander ausnahmsweise mal die gemeinsame Linie mit dem Moderator. "Wenn wir sagen: Wir impfen alle über 60 und Thüringer, Sachsen und Bayern – dann wird es irgendwann echt ein bisschen schwierig", fand der Journalist.
Für ihn dürfte ein solcher Schritt nicht in den Ländern beschlossen werden. "Das ist doch eine Entscheidung, die ein Bundeskanzler treffen muss", forderte Alexander von dem neuen Regierungschef, dem er bislang ein eher "diffuses" Auftreten attestierte – von der Ernennung Lauterbachs mal abgesehen. Bei der Impfpflicht müsse der Sozialdemokrat endlich Führungsstärke demonstrieren: "Das ist die erste große Entscheidung der Ampelregierung und Olaf Scholz muss sagen, wie er sich das vorstellt."
- "Markus Lanz" vom 7. Dezember 2021