Harter Lockdown? Das wäre eine Bankrotterklärung der politischen Klasse
Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Die Politik will beim Bund-Länder-Gipfel an diesem Donnerstag neue Corona-Maßnahmen beschließen, aber keinen strikten Lockdown. Ist das der richtige Weg durch die vierte Welle?
Deutschland bekommt die Corona-Pandemie nicht in den Griff. Vor allem die Bundesländer Bayern, Sachsen und Thüringen sind Hotspots. Aber auch in der restlichen Bundesrepublik laufen die Intensivstationen voll. Planbare Operationen müssen verschoben werden.
In einer Forsa-Umfrage sprachen sich 71 Prozent der Befragten für einen neuen Lockdown aus. 31 Prozent sind gegen schärfere Maßnahmen – auch bei steigenden Infektionszahlen. Auch in unserer Redaktion stellen wir uns die Frage:
Braucht es einen neuen, knallharten Lockdown in Deutschland?
Pro
Moritz Serif, SEO-Redakteur
Obwohl die Inzidenzen fallen, ist die Corona-Lage nach wie vor angespannt. Vor allem auf den Intensivstationen. Ohne die Maßnahmen zu verschärfen, kann es noch lange dauern, bis sich die Hospitalisierungsrate wieder auf einem entspannten Niveau einpendelt.
Daher braucht es jetzt einen knallharten Lockdown – für zwei bis drei Wochen. Ein Salami-Shutdown, wie im vergangenen Jahr, der sich über mehrere Monate hinzog, kann niemandem mehr zugemutet werden.
Raus aus der Endlosschleife
Alles außer Schulen sollte schließen, auch wenn es wehtut. Homeoffice muss wirklich zur Pflicht werden. Daran gekoppelt ist endlich eine Langzeitstrategie nötig. Heißt: Impfpflicht einführen und proaktiv Impfstoff bestellen sowie die Impfzentren dauerhaft offen lassen.
Soforthilfen müssen sofort und schnell auf den Weg gebracht werden. Es darf nie wieder geschehen, dass Menschen insolvent werden, weil die Politik versagt. Auch darf es danach keinen weiteren Lockdown mehr geben.
Die Impfung wurde uns allen als Ausweg aus der Pandemie versprochen. Wir müssen endlich rauskommen aus der Endlosschleife. Ein Leben ohne Clubs, Bars, Restaurants und Kultur macht depressiv und ist nicht lebenswürdig.
Kontra
Christoph Cöln, Chef vom Dienst
Es reicht. Noch mal wochenlang durch leere Straßen spazieren wie in einem Endzeitfilm? Keine Restaurantbesuche, kein Kino, keine Feiern? Das Gemüt eine Bleiweste, die Aussicht verhagelt? Nein, einen weiteren Lockdown für alle darf es nicht geben.
Es wäre nicht nur eine schreiende Ungerechtigkeit gegenüber denen, die seit fast zwei Jahren alles dafür tun, dieser Pandemie den Garaus zu machen, den Kindern, Eltern, Alten, Ärzten und vor allem: den Geimpften. Gegenüber all jenen, die Solidarität geübt haben und es auch weiterhin tun. Ein neuerliches Herunterfahren des Landes wäre vor allem eine Bankrotterklärung der politischen Klasse.
Das Vertrauen in die Kompetenz der demokratischen Repräsentanten ist in der Corona-Krise ohnehin schon tief erschüttert worden. Durch chronisches Herumeiern der Bundes- und Landespolitik, durch kleinmütiges, auf Umfragen schielendes Phlegma, und bisweilen auch einen fatalen Mangel an Weitblick. Denn mit jedem Tag, an dem die Inzidenzen steigen, die Statistik der Toten wächst und die Pfleger erschöpft aufgeben, wird die Kluft zwischen "denen da oben" und den anderen größer. Das ist die eigentliche, die langfristige Gefahr dieser Krise.
Gesellschaftsvertrag droht brüchig zu werden
Wenn die Bürger das Gefühl bekommen, dass diejenigen, die sie regieren, nicht mehr wissen, was sie tun, wenn sich der Eindruck verfestigt, die Politik wiederholt ihre Fehler aus Angst, das Falsche zu tun, ist der Punkt gekommen, an dem der Gesellschaftsvertrag brüchig wird und der Souverän sich verselbständigt. Erste Tendenzen dieser Entwicklung sind längst zu besichtigen, in den sozialen Medien und auf den Straßen.
Deshalb braucht es jetzt schnelles, entschlossenes und umsichtiges politisches Handeln. Eine Impfpflicht, konsequente Einschränkungen für Ungeimpfte, hohe Sonderprämien für Pfleger, bessere Kontrollen existierender Maßnahmen. Also das, was in den vergangenen Monaten gefehlt hat. Einen neuen Lockdown für alle braucht es dagegen nicht.
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