"Unfair und schlecht" Grüne sind gegen Abschaffung von Gratis-Coronatests
Das Gesundheitsministerium erwägt, Corona-Tests für Ungeimpfte kostenpflichtig zu machen. Die Grünen lehnen das klar ab. Sie warnen vor einem neuen "Blindflug in der Pandemie".
Der Gesundheitsexperte der Grünen im Bundestag, Janosch Dahmen, lehnt Pläne für kostenpflichtige Coronatests ab. "Die Debatte kommt zur völlig falschen Zeit. Wenn wir uns das konkret anschauen, sind über 30 Millionen Menschen nach wie vor ungeimpft", sagte der Politiker am Donnerstag im "ARD-Morgenmagazin". Die bisherigen Gratis-Schnelltests ab Herbst kostenpflichtig zu machen, sei "nicht nur unfair, sondern vor allem schlecht, weil es uns in einen neuerlichen Blindflug in der Pandemie bringt".
Die Gratis-Tests haben den Staat in diesem Jahr bisher rund 3,7 Milliarden Euro gekostet. Diese Zahl nannte das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage der "Rheinischen Post". Zum Vergleich: Für die finanzielle Unterstützung von Studierenden und Schülern (Bafög) gab der Bund 2020 rund 2,9 Milliarden Euro aus.
Diskutiert wird derzeit darüber, die Kostenbefreiung bei den Tests künftig für all jene zu beenden, für die es eine Impfempfehlung gibt. Das Ministerium hat dies für Mitte Oktober vorgeschlagen.
Scholz will Tests kostenpflichtig machen
Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat sich hingegen erneut dafür ausgesprochen, Corona-Schnelltests künftig kostenpflichtig zu machen. Dies solle dann gelten, wenn alle Menschen ein Impfangebot bekommen haben. Auf einen Zeitpunkt wollte er sich aber nicht festlegen. Spahn hatte hierfür Mitte Oktober als geeigneten Zeitpunkt ins Gespräch gebracht, um auch noch nicht Geimpften die Möglichkeit zu geben, dies bis dahin nachzuholen.
Mit seinem Vorschlag, außerdem die Corona-Regeln für Ungeimpfte zu verschärfen, stößt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) allerdings auch bei anderen SPD-Politikern auf Kritik. Spahns Position sei nicht die der Bundesregierung, sagte die sozialdemokratische Bundesjustizministerin Christine Lambrecht der "Augsburger Allgemeinen". "Es liegen keine Pläne dieser Art auf dem Tisch." Mehrere SPD-Landesregierungschefs wiesen den Vorschlag des CDU-Bundesministers klar zurück.
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Spahns Ressort hatte in einem Bericht, der an den Bundestag und die Länder ging, Vorschläge aufgelistet, um die vierte Corona-Welle möglichst flachzuhalten. Besonders für Ungeimpfte könnten abhängig von der Impfquote, der Inzidenz und der Rate schwerer Klinikfälle ab bestimmten Grenzwerten erneut weitergehende Einschränkungen notwendig werden, hieß es darin unter anderem. Dazu zählten Kontaktbeschränkungen und die Begrenzung der Teilnahme oder gar ein Ausschluss bei Veranstaltungen und in der Gastronomie – also auch mit negativem Test. Zusammenfassen lässt sich das mit der Formel "2G statt 3G", wobei letzteres für "Geimpft, Genesen, Getestet" steht. Lesen Sie hier die Pläne im Überblick.
"Drohungen bringen uns nicht weiter"
"Für essenzielle Dinge wie öffentliche Verkehrsmittel oder den Rathaus- oder Krankenhausbesuch muss es die Möglichkeit geben, auch nur mit einer Maske oder mit Test Zugang zu haben", erklärte Spahn im "Münchner Merkur". "Aber für Discos, Stadien oder Theater, also Bereiche, die nicht zur Grundversorgung gehören, kann ich mir auch einen Zutritt nur für Geimpfte oder Getestete vorstellen." Auch ein beschränkter Zugang für Ungeimpfte sei denkbar: "Dass zum Beispiel zu einem Fußballspiel im Bayern-Stadion 30.000 Geimpfte und dazu noch 2.000 Getestete kommen dürfen."
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte lehnte das in der "Bild"-Zeitung ab: "Ich halte es für falsch und rechtlich unzulässig, Ungeimpfte vom öffentlichen Leben auszuschließen." Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke sagte: "Niemand soll vom öffentlichen Leben ausgeschlossen werden." Mit negativem Test sollten Ungeimpfte weiter zum Beispiel an Veranstaltungen teilnehmen dürfen. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig erklärte in dem Blatt, es sei wichtig, dass sich mehr Menschen impfen ließen. "Drohungen bringen uns da nicht weiter. Wir müssen überzeugen."
Gastronomen sollten selbst entscheiden können
SPD-Bundestagsfraktionsvize Bärbel Bas sagte der "Welt": "Die bestehenden Testangebote sollten weiter genutzt werden und den Zugang zu Angeboten in Innenräumen auch ermöglichen." Allerdings stellte Bundesministerin Lambrecht zugleich klar, dass private Veranstalter, Geschäftsinhaber und Gastronomen Vertragsfreiheit haben und selbst entscheiden können. "Wer seinen Gästen einen besonderen Schutz anbieten will, kann deshalb auch Angebote machen, die sich nur an Geimpfte richten", sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Die FDP, die im Frühjahr noch gesonderte Lockerungen für Geimpfte gefordert hatte, bekräftigte nun ihre Ablehnung etwaiger staatlicher Einschränkungen für Ungeimpfte. "Wer nicht geimpft oder genesen ist, sollte mit einem tagesaktuellen Negativtest am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Alles andere wäre eine unverhältnismäßige Freiheitseinschränkung", sagte Parteichef Christian Lindner der "Welt". Aufgrund einer regional unterschiedlichen Corona-Lage sei es außerdem falsch, "das ganze Land über einen Kamm zu scheren".
Regierung schließt Pflichtimpfung aus
Parteivize Wolfgang Kubicki hatte zuvor bereits der Bundesregierung Wortbruch vorgeworfen, weil Spahns Vorschlag einer Impfpflicht gleichkomme. Eine Pflichtimpfung schließt die Regierung aber aus.
Der Vizevorsitzende der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, warf dem FDP-Mann Nähe zu Querdenkern und AfD vor. "Es ist die Aufgabe des Bundesgesundheitsministeriums, Corona-Schutzmaßnahmen für eine mögliche vierte Welle vorzubereiten. Die maßlosen Angriffe von Kubicki liegen auf der Linie der Corona-Verharmloser", kritisiert er in einer Erklärung. "Mit dieser Linie ist die FDP nicht regierungsfähig."
Offener für eine Ungleichbehandlung von Geimpften und Genesenen gegenüber lediglich Getesteten sind die Grünen. Baden-Württembergs grüner Gesundheitsminister Manfred Lucha verlangte in der "Welt" einen Paradigmenwechsel ab dem Zeitpunkt, wenn allen ein Impfangebot gemacht worden ist: "Geimpfte erhalten alle Freiheiten zurück, und für Ungeimpfte gelten verschärfte Regeln."
- Nachrichtenagentur dpa