Flüchtlinge aus arabischen Ländern Migration nach Europa könnte weiter zunehmen
Zehn Jahre nach den arabischen Aufständen gibt es in der Region eine hohe Bereitschaft zur Migration. Das geht aus einer Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung hervor. Gleichzeitig sorgt Corona für Druck auf Europa.
Im Libanon und in Tunesien gaben jeweils rund ein Drittel der Befragten an, sie hätten in den vergangenen zwölf Monaten darüber nachgedacht, ihr Land zu verlassen. Eine große Mehrheit habe dafür wirtschaftliche Gründe genannt. Ziel sind demnach überwiegend Länder im Westen, vor allem Europa.
Allerdings ist der Libanon das einzige Land, in dem die Bereitschaft im Vergleich zu einer Umfrage 2018 stieg - und zwar von 26 auf 34 Prozent. Während sie in Tunesien der Studie zufolge unverändert blieb (jetzt 31 Prozent), sank sie in Marokko auf 19 Prozent, in Libyen und Algerien auf jeweils 16 Prozent. Die Studienautoren vermuten als Grund dafür die strikten Reisebeschränkungen während der Corona-Pandemie.
Bürger in Tunesien frustriert
In Tunesien fällt auch die Zustimmung zur Demokratie am geringsten aus. Nur 33 Prozent bejahten dort die Frage, ob ihr Land ein parlamentarisches System mit freiem Parteienwettbewerb haben solle. Generell sehen nur relativ wenige Befragte ein repräsentatives Parlament als Teil der Lösung. Stattdessen fokussiere sich eine Mehrheit auf einen Anführer und seine Fähigkeit, notwendige Reformen zu machen. Die Bürger der Region seien frustriert, weil die Regierungen dabei versagt hätten, die zentralen Probleme zu beheben, die zum Ausbruch der Aufstände 2011 geführt hätten, so die Autoren.
Organisation: Corona-Flüchtlinge wollen bessere Versorgung
Als Folge der Corona-Pandemie wird die Zahl der Flüchtlinge in Europa in diesem Jahr nach Einschätzung der Migrationsorganisation ICMPD steigen. Die Verfügbarkeit von Impfstoffen und die Versorgung von Patienten sorgten nach Einschätzung des in Wien ansässigen ICMPD (International Centre for Migration Policy Development) mit dafür, dass mehr Migranten nach Europa wollten. "Die gute Gesundheitsversorgung in Europa ist ein Anziehungspunkt für illegale Immigranten", sagte ICMPD-Chef Michael Spindelegger dem "Handelsblatt". "In der EU wird man gratis geimpft. Das ist sehr attraktiv für Flüchtlinge aus Afrika, Lateinamerika und Asien. Deshalb erwarten wir eine Zunahme der illegalen Immigration", so der frühere österreichische Vizekanzler und Außenminister weiter.
Die ICMPD-Experten beobachten, dass sich die illegale Einwanderung nach Europa neue Routen erschließe. Als Beispiele nennt das ICMPD die Fluchtrouten vom Libanon ins EU-Land Zypern oder von Mauretanien auf die Kanarischen Inseln. Dort sei die Zahl der Migranten um 900 Prozent gestiegen. In der zentralen Mittelmeerroute über Tunesien legte ihre Zahl im vergangenen Jahr demnach um 155 Prozent zu.
Das ICMPD (International Centre for Migration Policy Development) wurde 1993 auf Initiative Österreichs und der Schweiz gegründet. Der Organisation mit rund 380 Mitarbeitern gehören 18 europäische Staaten an - seit dem vergangenen Jahr auch Deutschland.
- Nachrichtenagentur: dpa