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Merkels Lockdown-Strategie: Sind die neuen Corona-Maßnahmen nicht streng genug?


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Forscher wollten radikalere Strategie
Wieviel "Zero Covid" steckt im neuen Corona-Plan?


Aktualisiert am 20.01.2021Lesedauer: 5 Min.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU): Drang mit ihren Forderungen bei den Ländern offenbar nicht durch.Vergrößern des Bildes
Kanzlerin Angela Merkel (CDU): Drang mit ihren Forderungen bei den Ländern offenbar nicht durch. (Quelle: Hannibal Hanschke/dpa)
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Bund und Länder wollen den Lockdown verlängern, verschärft wird allerdings kaum. Eine Absage an das Konzept namhafter Forscher, die die Corona-Zahlen in einem Kraftakt auf null drücken wollen?

Sie plädieren für harte Lockdownmaßnahmen, deutlich mehr Tests und klare Zielmarken. "Zero Covid" heißt die Strategie, die namhafte Wissenschaftler am Montag bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorgestellt hatten. Mit dem Konzept glauben die Forscher, Neuinfektionen und Todesopfer verhindern und Perspektiven für eine Rückkehr zur Normalität eröffnen zu können. Wie viel von diesem Ansatz findet sich im neuen Beschluss von Bund und Ländern wieder?

In einem Gastbeitrag für t-online hatten einige der Autoren die Grundzüge des Konzepts erläutert. Sie schlagen darin eine erste Phase sehr strikter Beschränkungen vor, um die Neuninfektionen rasch auf nahezu null – deshalb "Zero Covid" – zu senken. Im Anschluss sollen die Infektionszahlen durch gezielte Eingriffe auf diesem Niveau gefestigt und schließlich Einschränkungen aufgehoben werden.

Die Forscher nennen keine konkreten Maßnahmen, wie die Zahlen im Alltag so schnell gedrückt werden könnten. Sie sagen allerdings, andere Länder hätten erfolgreich vorgemacht, dass sich auch hohe Ansteckungsraten binnen kürzerer Zeit drastisch senken ließen. Die Bundesregierung war offenbar auch bereit, über die derzeit geltenden Regelungen hinauszugehen. So war in der vergangenen Woche etwa von einer bundesweit einheitlichen Regelung für eine nächtliche Ausgangssperre und einer weiteren Einengung der Kontaktmöglichkeiten die Rede.

Von beidem fand sich im Beschluss vom Dienstag nur noch wenig wieder. Selbst bei der Frage nach Ausgangsbeschränkungen in Ländern und Landkreisen mit anhaltend hoher 7-Tage-Inzidenz herrschte Uneinigkeit. Bei den Kontaktbeschränkungen bleibt es bei der bestehenden Regel, dass Zusammenkünfte "im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstandes und mit maximal einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person" gestattet sind. Der Plan der Bundeskanzlerin, von dem in der vergangenen Woche die Rede war, Treffen nur noch mit einer festen Person zuzulassen – verworfen.

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Die "Zero Covid"-Autoren schlagen weiter Quarantäne-Unterkünfte für Infizierte vor, um Ansteckungen im eigenen Haushalt zu verhindern. In Israel beispielsweise wird Ähnliches seit Monaten praktiziert. Dort müssen sich Einreisende aus besonders betroffenen Ländern in von der Armee bewachte Hotels begeben und dort ihre Quarantäne-Zeit absitzen.

In der Gipfel-Vorlage werden solche Einrichtungen nicht erwähnt. Gleichwohl gibt es in einzelnen Ländern Pläne für einen härteren Umgang mit Personen, die wiederholt die Quarantäne brechen. Sie könnten demnächst in zentralen Sammelstellen, Kliniken oder Jugendarrestanstalten zwangseingewiesen werden.

Ein heikler Punkt ist die Forderung der Wissenschaftler nach schärferen Grenzkontrollen. Wiederholt hatten Politiker in den vergangenen Monaten bekräftigt, eine Situation wie im Frühjahr 2020 vermeiden zu wollen; damals hatten Deutschland wie auch mehrere Nachbarländer vorübergehend Grenzkontrollen eingeführt. Die Autoren von "Zero Covid" halten aber genau das für zweckmäßig, weil Grenzkontrollen die Mobilität von Menschen reduzierten, was sich positiv auf das Infektionsgeschehen auswirke.

Zuletzt schloss die Bundesregierung nationale Grenzkontrollen wegen der Pandemie auch nicht mehr aus. Es lägen alle Optionen auf dem Tisch, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Montag. Zuvor hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine einheitliche europäische Corona-Strategie angemahnt. "Sollte dies weiter nicht gelingen, wären Grenzkontrollen sinnvoll." Im Beschluss von Bund und Ländern spielen sie allerdings nun keine Rolle mehr.

Die Forscher fordern weiter, "möglichst umfassend und flächendeckend" auf Homeoffice zu setzen, wie es in dem Gastbeitrag heißt. In ihrem Aufruf im Internet gehen sie sogar noch weiter, schlagen die Schließung von Fabriken und Büros sowie die Aussetzung der Arbeitspflicht vor. Mehrere Bundesländer hatten Berichten zufolge im Vorfeld des Corona-Gipfels auf eine Homeoffice-Pflicht gedrängt. Zwar verzichten Bund und Länder laut Beschlussvorlage weiter auf Zwang. Gleichwohl hat die Regierung eine Verordnung angekündigt, wonach "Arbeitgeber überall dort, wo es möglich ist", den Beschäftigten das Arbeiten von zu Hause aus "ermöglichen müssen".

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) warnte Arbeitgeber im Gespräch mit der "Bild" davor, die Möglichkeit zum Homeoffice willkürlich abzusagen und kündigte Kontrollen an: "Sie müssen klar sagen, wo es geht – und auch, wo es nicht geht", sagte der Minister. "Wo es möglich ist, sollen sie es ermöglichen und das wird im Zweifelsfall auch von Arbeitsschutzbehörden überprüft."

In Zentrum von "Zero Covid" steht die Forderung, Perspektiven für einen Weg aus der Pandemie zu entwickeln. Die Wissenschaftler schlagen vor, einen "positiven Wettbewerb" der Regionen um möglichst niedrige Fallzahlen zu starten, und dass jene, die bestimmte Marken erreicht haben, ihre Bürger mit Lockerungen belohnen. Anders als durch vage Pläne ohne absehbares Ende würden dadurch Vertrauen geschaffen und die Bürger motiviert, meinen die Autoren.

Eine derartige Exit-Strategie kommt in den Überlegungen von Bund und Ländern nicht vor. Sie setzen darauf, dass mit der Impfkampagne die Wende kommt. Die Opposition im Bundestag hat das wiederholt kritisiert. FDP-Chef Christian Lindner etwa stellte sich im Dezember zwar hinter die Verschärfung des Lockdowns, monierte aber zugleich: "Die Notbremse ersetzt nicht eine dauerhaft durchhaltbare Strategie." Ohne eine solche bestehe die Gefahr, dass man sich von einem Lockdown zum nächsten hangle, so Lindner. Auch Linksfraktionschef Dietmar Bartsch forderte in der vergangenen Woche eine langfristige Strategie zur Pandemiebekämpfung ein.

"Realtitätsfern" und "demotivierend"

Dass "Zero Covid" den Weg aus der Krise weisen könnte, bezweifeln allerdings zahlreiche Kollegen der Unterzeichner des Aufrufs. Im ZDF nannte der Epidemiologe Klaus Stöhr das Ziel von null Infektionen durch annähernd null Kontakt "realtitätsfern" und am Ende "demotivierend". Sein Leipziger Kollege Prof. Markus Scholz sagte, es sei nicht machbar, dass es wirklich gar keine Kontakte mehr gibt. Bestimmte Grundversorgungen müsse es einfach geben. Das Virus binnen zwei Wochen auszurotten, habe noch nirgendwo geklappt – auch nicht in China, wo es Anfang 2020 härteste Beschränkungen gegeben hatte.

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Die Corona-Berater des neuen CDU-Chefs und NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet legten am Dienstag eine Art Gegenentwurf zu "Zero Covid" vor und übten zugleich deutliche Kritik am bisherigen Krisenmanagement. In ihren "Eckpfeilern für eine Langfriststrategie" fordern Experten wie der Virologe Hendrik Streeck, der Wirtschaftswissenschaftler Michael Hüther und die Medizinethikerin Christiane Woopen, nicht länger nur "situativ auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren". Zum einen sei dies sachlich nicht zielführend. Zum anderen laufe die Politik dadurch Gefahr, "die Bevölkerung als Ganzes nicht mehr zu erreichen und zu überzeugen".

Die Forscher fordern, die Pandemie von ihrem Ende her zu denken. Entscheidungen sollten sich an einem Verständnis "künftiger Normalität" orientieren, wie die Gesellschaft, aber auch der Einzelne, mit – und nicht ohne – das Virus leben könne. Denn auch Impfstoffe würden SARS-CoV-2 wahrscheinlich nicht vollständig verschwinden lassen, sagen die Experten. Aus dieser Überlegung heraus sollte über die Fortführung des aktuellen Lockdowns, den Prozess der sukzessiven Öffnung und das Verhindern eines dritten Lockdowns diskutiert werden.

Verwendete Quellen
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