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Corona-Impfstoff — Skepsis unter Pflegern: Warum ausgerechnet sie zögern


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Impfskepsis unter Pflegern: Warum zögern ausgerechnet sie?


Aktualisiert am 14.01.2021Lesedauer: 4 Min.
Personal der Intensivstation des RKH Klinikum Ludwigsburg im Einsatz: In den ersten Tagen der Impfkampagne war von größerer Skepsis unter den Pflegenden die Rede.Vergrößern des Bildes
Personal der Intensivstation des RKH Klinikum Ludwigsburg im Einsatz: In den ersten Tagen der Impfkampagne war von größerer Skepsis unter den Pflegenden die Rede. (Quelle: Sebastian Gollnow/dpa)
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Die Politik streitet derzeit über eine Impfpflicht für Pflegeberufe. Hintergrund sind Berichte über eine geringe Impfbereitschaft beim Personal von Kliniken und Heimen. Woher kommt das?

Kurz vor dem Jahreswechsel richtete Gesundheitsminister Jens Spahn einen Appell an das Personal in deutschen Kliniken und Pflegeheimen. "Es ist eine Frage der Vernunft. Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, tragen eine besondere Verantwortung. Es geht darum, die Personen zu schützen, die man versorgt."

Der Minister bezog sich damit auf die Impfmüdigkeit unter Mitarbeitern im Bereich der Pflege, wie sie seit dem Start der deutschen Impfkampagne aus einigen Einrichtungen berichtet wurde. Eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin sowie der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), die nach Angaben der Autoren nicht repräsentativ ist, scheint den Eindruck mit Zahlen zu untermauern. Rund drei Viertel der befragten Pflegekräfte gaben zwar an, Impfungen gegen SARS-CoV-2 grundsätzlich für wichtig zu halten. Doch nur etwa die Hälfte wolle sich tatsächlich impfen lassen.

Unbegründete Furcht vor Unfruchtbarkeit

Auch Florian ist skeptisch. Der 25-Jährige arbeitet als Pfleger auf der Intensivstation einer Klinik in Norddeutschland. Er kommt dort aktuell täglich mit schwer erkrankten Covid-19-Patienten in Kontakt, hat also auch schon in der derzeit laufenden ersten Phase Anspruch auf eine Impfung.

Als vor etwa zwei Wochen Impflisten in seiner Klinik herumgingen, entschied sich Florian – anders als die meisten Mitarbeiter auf seiner Station – für Nein. Zu t-online sagte er, für ihn hätten medizinische Gründe den Ausschlag gegeben. Ihm bereiteten mögliche Auswirkungen auf die Fortpflanzungsfähigkeit Sorge. Oder genauer gesagt: Er weiß nicht, ob es Auswirkungen geben könnte. "Es ist eben noch nicht klar, wie sich die Impfung auf die Potenz auswirkt", meint Florian. "Ich will aber noch Kinder bekommen."

Covid-19-Patienten klagen über Spätfolgen

Bislang haben Wissenschaftler keinerlei Hinweise gefunden, dass sich eine Corona-Impfung nachteilig auf die Fortpflanzungsfähigkeit auswirken könnte. Das betonte auch Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), am Donnerstag bei einem Pressebriefing: Eine Beeinträchtigung der Fertilität sei wissenschaftlich eindeutig nicht belegbar und die Daten würden solche Probleme momentan ausschließen, so Cichutek.

Hingegen haben Covid-19-Patienten wiederholt von Störungen der Sexualfunktion berichtet, als Spätfolgen, die noch Monate nach der Erkrankung auftraten. Forscher erklären das mit der Besonderheit der Krankheit, die eben nicht nur die Lungen angreift, sondern auch die andere Organe wie Herz, Nieren – und auch das Gehirn schädigen. Mehrere Studien liefern zudem inzwischen Hinweise, dass das Virus auch die männlichen Fortpflanzungsorgane angreift.

Berufskollegen von Florian hatten auch die kurze Entwicklungszeit der Impfstoffe als Grund für ihre Skepsis genannt. Eine Berliner Krankenpflegerin berichtete der "Deutschen Welle" von ihrer Vorsicht: "Weil ich irgendwo immer noch ein bisschen Angst davor habe, weil der Impfstoff jetzt noch nicht so lange da ist, dass man sagen kann: Okay, ich bin jetzt zu einhundert Prozent davon überzeugt." Wissenschaftler haben allerdings wiederholt betont, dass das hohe Tempo nicht zulasten der Sicherheit gegangen sei. Neue Verfahren der Herstellung, aber auch ein reger internationaler Austausch unter den Forschern halfen diesmal dabei, die Entwicklungsprozesse erheblich zu beschleunigen.

"Kein anderer Weg als die Impfung"

Andere Pflegekräfte können deshalb nicht nachvollziehen, weshalb ihre Kollegen so skeptisch bei dem Thema sind. Eine Intensivpflegerin aus Trier schilderte in der "Zeit", wie sehr der verzweifelte Überlebenskampf der Covid-19-Patienten auf ihrer Station sie erschüttert habe, und wie groß ihre Angst dabei war, sich selbst anzustecken. "Wir sollten es besser wissen", sagte sie. "Erst recht, weil es keinen anderen Weg als die Impfung gibt, um so schnell wie möglich wieder unser normales Leben zurückzuerlangen."

Auch PEI-Chef Cichutek sagte am Donnerstag dazu: "Langzeitdaten werden auch während der laufenden Impfungen weiter erhoben." Aus Erfahrungen könne man aber sagen, dass die Sicherheitsbasis im allgemeinen gut sei, wenn solche Impfstoffe bereits seit dem Frühling tausenden Probanden geimpft wurden. "Mit einem Piks wird hier ein Schutz auch vor einem schweren oder sogar tödlichen Verlauf verhindert", mahnte Cichutek. Das, so meint er, sollte gegenüber möglichen Spätfolgen schwerer wiegen.

Berufsverband warnt vor Generalverdacht gegenüber Pflegenden

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe warnte am Dienstag zugleich davor, die Fachkräfte jetzt unter Generalverdacht zu stellen. "Ausgerechnet diejenigen anzugehen, die seit fast einem Jahr an und über der Belastungsgrenze arbeiten, ist unsäglich", erklärte die DBfK-Präsidentin Christel Bienstein. Derzeit lägen noch keine belastbaren Zahlen dazu vor, wie hoch die Impfbereitschaft tatsächlich sei und aus welchen Gründen einige der Pflegenden der Impfung skeptisch gegenüberstehen. "Sowohl die beruflich Pflegenden als auch die Menschen mit Pflegebedarf werden durch eine solche Debatte unnötig verunsichert."

Die Kritik des Verbandes richtete sich vor allem gegen Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), der zuvor eine Pflicht zur Corona-Impfung für bestimmte Berufsgruppen ins Gespräch gebracht hatte. Söder sagte im ZDF, wenn man höre und lese, dass sich wenige Pflegekräfte impfen lassen wollen, müsse der Ethikrat über ein solches Vorgehen zumindest diskutieren. Für seinen Vorschlag wurde der CSU-Politiker auf breiter Front kritisiert, erhielt aber auch Zustimmung, etwa von Weltärztebundchef Frank-Ulrich Montgomery.

Florian betont, dass er nicht grundsätzlich gegen das Impfen sei. Auch die anderen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, etwa Kontaktbeschränkungen oder das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung, unterstütze er uneingeschränkt. Er habe sich sogar gewünscht, dass die Politik im Spätherbst zu noch härteren Maßnahmen bereit gewesen wäre. Der Lockdown light war aus seiner Sicht ein Fehler.

Beim Impfen wartet Florian trotzdem noch ab. Was nicht heißen muss, dass er es später nicht noch nachholt. Sobald die Forschung überzeugende Daten liefere, "bin ich auch dabei", sagt er. Für den Pflegeverband ist Aufklärung der Schlüssel zu mehr Vertrauen. "Gute Informationen für die unterschiedlichen Zielgruppen und eine Aufklärungskampagne sind aus unserer Sicht die Mittel, mit denen die Impfbereitschaft in der gesamten Bevölkerung erhöht wird", erklärte DBfK-Präsidentin Bienstein.

Verwendete Quellen
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