Bei Impfstoff Leopoldina wirft Regierung "grobes Versagen" vor
Auf die Einschätzungen der Leopoldina hatte Kanzlerin Merkel in der Corona-Pandemie Wert gelegt. Nun kritisiert die Organisation die Regierungschefin und erhebt schwere Vorwürfe.
Die Neurologin Frauke Zipp, Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, hat der Bundesregierung schwere Versäumnisse bei der Beschaffung von Impfstoffen in der Corona-Pandemie vorgeworfen. "Ich halte die derzeitige Situation für grobes Versagen der Verantwortlichen", sagte sie der "Welt". "Warum hat man im Sommer nicht viel mehr Impfstoff auf Risiko bestellt?" Es habe diese Angebote gegeben, "wir hätten sie jetzt zur Verfügung". Nach ihrem Kenntnisstand habe das Unternehmen Biontech im Spätsommer wesentlich mehr Impfdosen angeboten.
Die Leopoldina gehört zu den wichtigsten Beratern der Regierung in der Pandemie. Leopoldina-Mitglied Zipp ist Direktorin der Klinik für Neurologie an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Sie erforscht entzündliche neurologische Erkrankungen.
Biontech will mehr Impfstoff liefern
Biontech hatte am Freitag erklärt, mehr Corona-Impfstoff als bisher geplant an die EU liefern zu wollen. Das Unternehmen befinde sich "in fortgeschrittenen Diskussionen, ob und wie wir weitere Impfstoffdosen aus Europa für Europa in diesem Jahr zur Verfügung stellen können", teilte Unternehmenschef Uğur Şahin der Deutschen Presse-Agentur mit. Hintergrund sind Klagen über die Knappheit von Impfstoff in Deutschland und anderen EU-Staaten. Sowohl Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als auch die EU-Kommission müssen sich Kritik anhören.
FDP-Generalsekretär Volker Wissing sagte der "Welt": "Die Kritik an der Impfstoffbeschaffung ist sehr ernst zu nehmen." Am Beispiel Israels und anderer Länder sehe man, dass es möglich sei, schneller zu impfen. "Die Bundesregierung muss sehr gut erklären, warum das in Deutschland so schleppend läuft." Die Gesundheitsexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion, Kordula Schulz-Asche, sagte, dass es "aus heutiger Sicht sicher besser gewesen wäre, mehr und verschiedene Impfstoffe bei den über hundert Entwicklern auf Risiko zu bestellen".
- Nachrichtenagentur dpa