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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ergebnisse der Leserumfrage zum Teil-Lockdown "Warum hat keiner rechtzeitig die Reißleine gezogen?"
Der Teil-Lockdown soll die zweite Welle der Corona-Pandemie in Deutschland eindämmen. Seit etwas mehr als einer Woche ist das Leben der Menschen wieder stärker eingeschränkt. Die meisten t-online-Leser finden das grundsätzlich richtig. Doch an der konkreten Umsetzung gibt es auch viel Kritik.
Seit dem 2. November befindet sich Deutschland in einem Teil-Lockdown, die Gastronomie ist geschlossen, Kulturveranstaltungen sind abgesagt und die Anzahl der persönlichen Kontakte beschränkt. Die erste Woche in dieser Ausnahmesituation ist inzwischen verstrichen. Wir haben dies zum Anlass genommen, die t-online-Leser um ihre Meinung zum bisherigen Verlauf zu bitten. Ganz persönlich wollten wir wissen: Wie geht es Ihnen und wie wirken sich die Maßnahmen auf Ihr Leben aus? Darüber hinaus haben wir gefragt, für wie sinnvoll die Leser die Maßnahmen insgesamt halten und welche Befürchtungen oder Hoffnungen sie bezüglich des Erfolges des Teil-Lockdowns haben.
Deutlich mehr als 800 Leserinnen und Leser haben sich an der nicht repräsentativen Umfrage beteiligt. Viele von ihnen haben uns sehr umfassende und persönliche Eindrücke über ihre aktuelle Situation, ihre Gedanken, Sorgen und Nöte mitgeteilt.
So fühlen sich die Leserinnen und Leser von t-online
Trotz der für alle schwierigen Situation geben 65,9 Prozent der Befragten an, dass es ihnen aktuell gut gehe oder zumindest meist eher gut. Und das, obwohl zum Zeitpunkt der meisten Einsendungen die freudige Nachricht vom Vorankommen des Impfstoffes noch nicht bekannt war. Allerdings gab auch ein Fünftel der Teilnehmer an, dass ihr Befinden in der aktuellen Situation nicht so gut sei. 12,3 Prozent sagten gar, dass es ihnen schlecht gehe. Deutlich ist, dass die Stimmungslage unter den Leserinnen und Lesern insgesamt recht stabil ist. Unter starken Stimmungsschwankungen leiden lediglich knapp 13 Prozent.
Die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie – Top oder Flop?
Der ganz überwiegende Teil der t-online-Leser hält die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie grundsätzlich für angemessen und richtig. Viele Befragte schreiben allerdings auch, dass sie die Maßnahme für nicht weitreichend genug, in ihrer Konzeption und Durchführung für etwas inkonsequent oder gar "halbherzig" erachten.
Leserin Uschi P. ärgert sich wie einige andere auch über den späten Zeitpunkt des Teil-Lockdown: "Die Verantwortlichen haben viel zu spät reagiert! Dass eine zweite Welle kommt, wussten die alle, doch warum hat keiner rechtzeitig die Reißleine gezogen?" Andere Leser wünschen sich noch härtere Maßnahmen und vor allem ein konsequenteres Durchgreifen in Bezug auf deren Einhaltung. So fordert beispielsweise Leserin Gabriele: "Beim Verlassen der Wohnung, Maske auf! Bessere Kontrollen durch das Ordnungsamt sind unbedingt erforderlich."
Die Entscheidung, welche Einrichtungen schließen müssen und was geöffnet bleiben darf, können viele nicht ganz nachvollziehen. Leser F. Gabriel moniert: "Lächerlich! Kinos müssen schließen, aber Busse und Bahnen fahren total überfüllt rum." Besonders die Schließung von Restaurants und Kultureinrichtungen stößt oft auf Unverständnis. So schreibt Ingrid Dobbeck: "Gerade diese Betriebe haben sich sorgfältig auf die notwendigen Maßnahmen eingerichtet und extra auch investiert, das ist nicht durchdacht." Auch die Weiterführung des Präsenzunterrichts in der Schule sehen einige kritisch. Heidi Mautner schreibt dazu: "Ich finde es unverantwortlich, dass die Schulen nicht geschlossen werden! Es gibt keinen Abstand im Bus oder Klassenzimmer."
Nur wenige Leser halten die Maßnahmen für unverhältnismäßig oder überzogen. Diese fühlen sich vorrangig in ihren Freiheitsrechten eingeschränkt oder sehen die Krankheit als nicht so gefährlich an. Entsprechend schreibt Leser Stefan: "Das Leben ist aber weit mehr als nur eine Ansammlung vieler Körperzellen, die man auf diese Weise vielleicht eine Zeit lang schützen könnte."
So wirkt sich der Lockdown aufs Leben der Leser aus
Tatsächlich haben uns sehr viele t-online Leser geschrieben, dass sie kaum einen Unterschied zum Normalzustand bemerken. Viele von ihnen sind ohnehin schon älter oder leben in Kleinstädten oder auf dem Land. So schreibt Renate Metzger: "Geändert hat sich für mich nichts. Da ich zur Risikogruppe gehöre, war ich dieses Jahr immer vorsichtig. War nur zwei Mal in der Gastronomie und das draußen. Ich gehe seit dem Frühjahr auch nicht zum Einkaufen nach Stuttgart."
Bei den Einsendungen hingegen, die einen deutlichen Einschnitt im Leben verspüren, liegt der Frust über verringerte soziale Kontakte weit vorne. Hierzu schreibt Leser Ari: "Ich sehe meine Familie in diesem Jahr nun gar nicht mehr. Das ist sehr traurig." Darüber hinaus machen sich viele Gedanken über ihre persönliche Situation. Leser Bernd bringt das kurz und knapp auf den Punkt: "Meine Existenz ist bedroht."
In anderen Fällen sind es sehr individuelle persönliche Dinge, die sich im Leben geändert haben und die den Lesern zu schaffen machen: Leser R. Tebben schreibt eindrücklich über seine problematische Situation: "Da ich Rollstuhlfahrer bin, muss ich schon weite Einschnitte in meinem Alltag in Kauf nehmen: beim Einkauf, bei der Lebensmittelversorgung oder beim Friseurbesuch. Letzterer ist mir wegen der Notwendigkeit des Haarewaschens derzeit gar nicht mehr möglich."
Leser Mathias macht hingegen das Homeoffice zu schaffen: "In Wohnungsnähe gibt es keine guten Spaziermöglichkeiten. Normalerweise spaziere ich in der Mittagspause nahe der Arbeitsstätte im Naturschutzgebiet. Im Homeoffice fehlt mir die körperliche Ertüchtigung und der innere Antrieb. Müdigkeit und Motivationsverlust sind die Folge."
Hoffnungen und Ängste: Was kommt dabei raus?
Die Hoffnungen, die die Leser in den Teil-Lockdown setzen, sind groß. Sie wünschen sich, dass die Zahl der Infektionen abnimmt und die Welle gebrochen wird. Sehnsüchtig warten viele der Umfrageteilnehmer darauf, wieder zu einem normalen Alltag mit einer höheren Lebensqualität durch mehr Sozialkontakte zurückkehren zu können.
Am Glauben daran, dass diese Verbesserung des Lebens schnell eintreten wird, mangelt es allerdings noch. Sie fürchten, dass andere Menschen sich nicht an die Kontaktbeschränkungen halten und auch, dass die Zahl der Corona-Leugner durch die Frustration steigen könnte. Viele Leser gehen davon aus, dass der Lockdown deutlich länger dauern wird als aktuell angesagt. Sie fürchten noch viele weitere Pleiten und Insolvenzen sowohl im privaten, als auch im geschäftlichen Bereich.