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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Lauterbach über Beherbergungsverbot "Das ist eine ideale Vorbereitung für die heute-show"
Karl Lauterbach hat angesichts der steigenden Zahlen eine gute und eine schlechte Nachricht. Das
Die Zahlen der Neuinfektionen steigen und das Robert Koch-Institut (RKI) warnt vor einer unkontrollierten Verbreitung des Coronavirus. Die Bundesländer reagierten am Mittwoch mit einem Beherbergungsverbot für Menschen aus deutschen Risikogebieten. Doch nicht alle Länder zogen mit. Berlin und Thüringen stellten sich quer, andere Länder wollen den Beschluss erst noch prüfen.
Der SPD-Gesundheitsexperte und studierte Epidemiologe Karl Lauterbach hält nichts von der Regelung. Im Interview erklärt er, welche Maßnahmen seiner Meinung nach besser wären und für wie dramatisch er die Situation hält.
t-online: Herr Lauterbach, Sie halten das gestern beschlossene Beherbergungsverbot für unsinnig. Wieso?
Karl Lauterbach: Das Beherbergungsverbot würde einen Sinn machen, wenn es viele Infektionen bei Übernachtungen in Deutschland gegeben hätte. Dafür gibt es aber keinerlei wissenschaftliche Hinweise. Es sind viel eher private Feiern, wie Großhochzeiten oder große Veranstaltungen in geschlossenen Innenräumen, bei denen die Infektionen weitergegeben werden. Die Maßnahme ist deswegen aus meiner Sicht bürokratisch und ohne Wirkung.
Welche Maßnahmen halten Sie für geeigneter, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen?
Das Wichtigste ist, dass wir private Feiern auf maximal 25 Leute reduzieren. Das sollte aus meiner Sicht nicht nur eine Empfehlung, sondern ein ganz klares Verbot sein und das müsste auch kontrolliert und bestraft werden. Darüber hinaus müssen wir die Schulen besser ausstatten: Umbauten der Fenster, sodass gelüftet werden kann, Luftfilteranlagen. Sonst wird das regelmäßige Lüften, wie es benötigt wird, kaum möglich sein.
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Wir liegen bei 4.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden. RKI-Chef Lothar Wieler sagt, die aktuelle Situation beunruhige ihn sehr. Virologe Hendrick Streeck sagt hingegen, 20.000 Neuinfektionen pro Tag sollten uns keine Angst machen. Als wie dramatisch schätzen Sie die Lage ein?
Ich persönlich hätte Angst vor 20.000 Neuinfektionen pro Tag. Wenn wir eine so hohe Zahl an Neuinfektionen hätten, die gleichmäßig über die Altersgruppen verteilt sind, müssten wir mit 200 Toten pro Tag rechnen. Das wäre eine riesige menschliche Katastrophe.
Also teilen Sie die Einschätzung von RKI-Chef Wieler?
Die Einschätzung von Wieler teile ich deswegen ohne Wenn und Aber. Die 4.000 Neuinfektionen sind ja keine Fälle von Menschen, die sich in den letzten 24 Stunden infiziert haben. Die haben sich letzte Woche infiziert. Wir müssen also mit weiter steigenden Fallzahlen in den nächsten Tagen rechnen.
In Paris waren vor wenigen Wochen auch vor allem die jungen Leute mit wenigen Symptomen betroffen. Nun hat sich das Virus aber ausgebreitet und 40 Prozent der Intensivbetten sind mit Covid-19-Patienten belegt. Sind die deutschen Krankenhäuser denn für eine neue Welle gerüstet?
Die gute Nachricht ist: Die deutschen Krankenhäuser können eine sehr große Zahl von Intensivpatienten aufnehmen. Wir haben Kapazitäten wie kaum ein anderes Land. Wenn wir alles umbauen, könnten wir bis zu 30.000 Patienten versorgen. Die schlechte Nachricht ist, dass trotzdem 25 Prozent dieser Patienten auf den Intensivstationen sterben und dass die meisten von den Überlebenden – trotz intensivmedizinischer Behandlung – bleibende Schäden erleiden werden.
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In vielen Nachbarländern gibt es eine weitaus dramatischere Entwicklung – und trotzdem haben wir nun Maßnahmen wie Sperrstunden und Beherbergungsverbot. Sind wir hier zu alarmistisch?
Ich mag diese Begrifflichkeit "alarmistisch" nicht, auch von Panik zu sprechen ist daneben. Wenn man versucht, unnötige Todesfälle und schwere Behinderungen zu vermeiden, dann ist das nicht alarmistisch, sondern konsequent. Wir haben in der ersten Welle auch vernünftig gehandelt, und das hat uns gut durch diese Zeit gebracht.
Aber können Sie verstehen, dass viele das nicht mehr nachvollziehen können, vor allem bei einem solchen Hin und Her wie beim Beherbergungsverbot?
Ja, die Regeln sind teilweise unsinnig. Zum Teil zählt Neukölln als einzelner Bezirk, zum Teil Berlin als ganze Stadt. Wenn man aus einem Hotspot in Bayern kommt, zählt das bei einer Übernachtung in Bayern nicht als Hotspot. Das ist absurd und eine ideale Vorbereitung für die ZDF-heute-show. Das wird auch nicht lange zu halten sein, weil wir bald so viele Hotspots haben, dass sich das kein Mensch mehr merken kann. Das Beherbergungsverbot ist sicherlich kein Höhepunkt der Pandemiebekämpfung in Deutschland.
Gesundheitsminister Jens Spahn sagte heute Morgen, die Pandemie sei ein Charaktertest für die Gesellschaft. Leser schreiben uns nun, sie seien wütend auf die "Partyidioten", wegen denen sie nicht mehr in den Urlaub fahren können. Ist der gesellschaftliche Zusammenhalt noch derselbe wie im Frühjahr?
In Deutschland ist der gesellschaftliche Zusammenhalt nach wie vor hervorragend. Ich glaube auch nicht, dass die Gesellschaft bisher Charakterschwächen hat erkennen lassen. Wir brauchen einfach bessere Regeln. Gut begründete und in ganz Deutschland geltende Regeln werden dann auch von den Menschen mitgetragen werden.
- Telefongespräch mit Karl Lauterbach