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Kampf gegen Coronavirus: Die Corona-App muss schnellstmöglich kommen


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Kampf gegen die Pandemie
Die Corona-App muss schnellstmöglich kommen

MeinungVon Malte Spitz, Konstantin von Notz (Die Grünen)

Aktualisiert am 30.03.2020Lesedauer: 5 Min.
Französische CoronApp: In Frankreich gibt es bereits eine Smartphone-App, die Bürger freiwillig nutzen können.Vergrößern des Bildes
Französische CoronApp: In Frankreich gibt es bereits eine Smartphone-App, die Bürger freiwillig nutzen können. (Quelle: Hans Lucas/imago-images-bilder)

Im Kampf gegen Corona wurde die flächendeckende Auswertung von Mobilfunkdaten ins Spiel gebracht, um Infektionsketten zu identifizieren. Warum dies rechtsstaatlich bedenklich ist und welche technischen Alternativen es gibt, erläutern die Grünen-Politiker Malte Spitz und Konstantin von Notz im Gastbeitrag.

Corona betrifft uns alle. Die Pandemie macht keinen Halt, weder vor Jung noch Alt, Arm oder Reich, Alteingesessen oder Neuzugezogen. Wir befinden uns derzeit zweifellos in einer Ausnahmesituation, als Gesellschaft und als Demokratie. Der Umgang mit dieser Krise wird den Charakter unserer Gesellschaft für die Zukunft prägen. Gerade deswegen müssen die eingesetzten Mittel zur Bekämpfung der Pandemie rechtsstaatliche sein und dürfen keine "Kollateralschäden" erzeugen. Die Aufzeichnung von Kontakten könnte ein wichtiger Baustein zur weiteren Eindämmung des Coronavirus sein. Hierfür bedarf es jedoch rechtskonformer Lösungen, die in der Lage sind, zu halten, was sie versprechen. Nur mit solchen, digitalen Lösungen werden wir die weitere Ausbreitung des Coronavirus nachhaltig verlangsamen.

Sieht man sich den Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz von 2012 an, so wird schnell klar, dass wir noch immer am Anfang einschneidender Entwicklungen stehen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind die spürbaren Auswirkungen der Eindämmungsmaßnahmen hoch, der Kontakt mit dem Virus und den Konsequenzen daraus aber für die meisten Menschen noch überschaubar. Das wird sich ändern. Carolin Emcke beschreibt es so: „Es ist wie vor einem Tsunami: man steht noch mit festem Boden unter den Füßen am Strand und sieht das Meer sich zurückziehen und weiß, bald wird das Wasser in einer sehr, sehr langen Welle anrollen.“

Die Corona-Krise stellt Rechtsstaat vor Herausforderungen

So ist es auch derzeit – die Sonne strahlt, der Frühling erwacht. Wir ahnen aber, was da noch kommt und dass bestimmte Strukturen davon überfordert sein werden. Strukturen, die bei der Abwehr der Pandemie helfen sollen, die aber eher auf Faxgeräten als auf vernetzten Datenbanksystemen aufbauen. Wenn die oberste Maxime lautet: „Flatten The Curve“, also den Anstieg an Neuinfektionen abzuflachen, ist eines der wichtigsten Instrumente die Nachvollziehbarkeit von Infektionswegen. Potentiell angesteckte Personen schnellstmöglich ausfindig zu machen, sie zielgerichtet befragen und im Zweifel testen, behandeln und isolieren zu können, kann und wird Leben retten, und zwar sowohl das der Betroffenen als auch von deren Kontaktpersonen.

Hieran arbeiten momentan Zehntausende Menschen im ganzen Land, unermüdlich und unerschrocken, in Gesundheitsämtern, Krankenhäusern und bei Hilfseinrichtungen. Ihnen gebührt Respekt, Dank und große Anerkennung. Potentiell Infizierten hinterher zu telefonieren ist zweifellos wichtig, auch, um mehr Menschen testen zu können. Diese aufwändige Praxis wird aber mit immer höheren Fallzahlen schnell an ihre Grenzen stoßen. Deshalb müssen innovative, skalierbare Lösungen her – und das schnellstmöglich. Um der Pandemie entschlossen zu begegnen, braucht es digital vernetzte Anwendungen.

Malte Spitz ist Mitglied im Parteirat von Bündnis 90/Die Grünen und Generalsekretär der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), Konstantin von Notz ist stv. Fraktionsvorsitzender der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Wenn man der Bundeskanzlerin folgt, stellt die Corona-Krise unsere Gesellschaft und unseren demokratischen Rechtsstaat vor die größten Herausforderungen seit dem Zweiten Weltkrieg, und das bedeutet wohl die größten, die die demokratisch verfasste Bundesrepublik jemals gesehen hat. Außergewöhnliche Krisen erfordern außergewöhnliche und auch unkonventionelle Schritte. Aber gerade in Krisen bewährt sich der Rechtsstaat. Auch in einer Ausnahmesituation wie der momentanen gilt: Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Unsere verfassungsrechtlich verbrieften Freiheitsrechte sind eben keine Verhandlungsmaße in Krisenlagen – gerade in Situationen wie der Momentanen muss ihre Gültigkeit betont und praktiziert werden. Deswegen müssen die eingesetzten Instrumente verhältnismäßig, umsetzbar und zielführend sein.

Massendatenabgriff ist rechtlich höchst umstritten

Bislang propagierte die Bundesregierung auf das Auswerten sogenannter Funkzellendaten als Lösung. Doch ein solcher Massendatenabgriff ist nicht nur rechtlich höchst umstritten, sondern auch wenig zielführend, weil extrem ungenau, und damit ungeeignet. Schon früh wurde darauf verwiesen, dass App-Lösungen sehr viel geeigneter wären. Dennoch hielt die Bundesregierung viel zu lang an dem Ansatz der Auswertung von Funkzellendaten fest.

Die Bundesregierung wäre gut beraten, diejenigen, die sich derzeit landauf und landab um rechtssichere und zielgerichtete Lösungen bemühen, zu unterstützen. Denn eine solche, rechtskonforme, freiwillige und zielgenaue App kann und muss ein wesentlicher Baustein zur weiteren Eindämmung des Coronavirus werden. Spätestens, wenn wir in der Situation sind, aus dem "Lockdown" wieder hochzufahren, bedarf es solcher Anwendungen, um die Fallzahlen einzugrenzen und neue Fälle schnell und wirksam nachzuverfolgen. Hierfür müssen jedoch einige Bedingungen von vornherein mitgedacht werden.

Für uns hat die Freiwilligkeit des Downloads und der Nutzung einer solchen App herausragende Bedeutung, mit der Nutzerinnen und Nutzer ihre Kontakt- und ggf. Bewegungsdaten lokal auf ihrem Gerät selber aufzeichnen und im Falle einer Infizierung ihre während der Inkubationszeit protokollierten Daten zum Abgleich mit anderen App-Nutzerinnen und –Nutzern freiwillig bereitstellen. Die retrograde Zurückverfolgung bliebe damit zeitlich eng begrenzt.

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Man braucht mehr als nur Standortdaten

Es braucht technische Anwendungen, die tatsächlich die Qualität an Daten liefern, die notwendig ist, um das bisherige analoge System der Kontakterkennung zu überwinden. Um die Kontaktnähe bestmöglich zu bestimmen, bedarf es zwingend der Ermittlung von Bluetooth-Geräten die sich engmaschig im direkten Umfeld um einen herum bewegen, zusätzlich könnte man weitere Daten freiwillig erheben, um die Qualität der Identifikation weiter zu verbessern, bspw. WLAN-Netze oder sogar klassische Standortdaten Daten wie GPS. Aus diesen Daten kann ein Bild entstehen, das zeigt, wer tatsächlich mit wem im engeren Kontakt war. Auch wenn eine solche Anwendung sicher kein Allheilmittel wäre, da nie alle Bürgerinnen und Bürger mitmachen würden oder technisch könnten, könnten bestehende Lücken in der Kontaktermittlung geschlossen und die Benachrichtigung von Kontaktpersonen verbessert werden.

Die Herausforderung wird zudem sein, keine Monster-Datenbank mit höchst aussagekräftigen Kontakt- und Bewegungsprofilen, zu erzeugen. Das würde die Missbrauchs- und IT-Sicherheitsrisiken massiv steigern. Daher müssen die Daten dezentral auf den Endgeräten der Nutzer*innen aufbewahrt und einer sehr strengen Zweckbindung unterliegen. Für die freiwillige Weitergabe der eigenen Daten und den Abgleich mit anderen App-Usern braucht es eine weitgehend anonymisierte oder zumindest solide pseudonymisierte Infrastruktur. Der Zugriff auf diese Daten müsste für staatliche Stellen, allen voran Sicherheitsbehörden, klar ausgeschlossen sein. Zudem bräuchte es eine eigene, gesetzliche Verankerung dieses Schutzes.

Schutz der Gesundheit und der Privatsphäre

Durch eine solche App erhielten die Nutzerinnen und Nutzer untereinander eine automatisierte Risikobewertung. Wenn eine Person positiv getestet wurde, würden die Daten dezentral bei den Nutzern abgeglichen, um zu erkennen, wo ein naher Kontakt und damit ein Infektionsrisiko bestand. Durch den Verbleib der Daten beim Einzelnen, erreicht man nicht nur einen hohen individuellen Privatheitsschutz, sondern gleicht auch fehlende technische Möglichkeiten öffentlicher Stellen aus. In der Computerwissenschaft werden solch dezentrale, lernende und damit selbst verbessernde Ansätze "federated learning" genannt, also verteiltes Lernen.

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Der Anreiz, sich einer solchen digitalen Selbstkontrolle zu unterziehen bestünde darin, nicht nur die Pandemie zu bekämpfen, sondern, neben der eigenen Gesundheit auch eine erhöhte Bewegungsfreiheit für möglichst Viele als grundrechtsschonender Alternative zu Ausgangssperren und Co. zu erhalten. Eine solche App wäre damit ein zentraler Baustein um Menschenleben zu retten. Sie wäre verhältnismäßig und wirksam.

Die in Gastbeiträgen geäußerte Meinung ist die der Autoren und entspricht nicht unbedingt derjenigen der t-online.de-Redaktion.

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