t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeKlimaLeben & Umwelt

"Bundesregierung ist bei Klimaschutz zu langsam": GermanZero-Gründer im Interview


Interview
Unsere Interview-Regel

Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.

"German Zero"-Gründer
"Wollen wir für unsere Kinder eine 4 Grad wärmere Zukunft?"

  • Hanna Klein
InterviewVon Hanna Klein

12.03.2020Lesedauer: 4 Min.
Die "Bundesregierung ist zu langsam": Heinrich Strößenreuther erklärt im t-online.de-Interview, warum er mit seinem Verein German Zero handeln muss.Vergrößern des Bildes
Die "Bundesregierung ist zu langsam": Heinrich Strößenreuther erklärt im t-online.de-Interview, warum er mit seinem Verein German Zero handeln muss. (Quelle: t-online.de)
News folgen

Deutschland hat sich auf ehrgeizige Klimaschutzziele verpflichtet. Doch die bisherigen Maßnahmen reichen nicht aus. Die Initiative "German Zero" will das ändern – und ein eigenes Gesetz schreiben.

Deutschland verfehlt sein Klimaschutzversprechen – so die Aussage eines Gutachtens, das das Bundesumweltministerium vergangene Woche veröffentlicht hat. Auch zahlreiche Experten kritisieren schon länger die Maßnahmen der Bundesregierung.

Heinrich Strößenreuther will einschreiten. Im vergangenen Jahr hat der ehemalige Manager und Greenpeace-Mitarbeiter deshalb den gemeinnützigen Verein German Zero gegründet. Das Ziel der Initiative: Deutschland soll das 1,5-Grad-Versprechen halten und dafür bis 2035 klimaneutral werden. Jetzt bekommt German Zero für seinen eigenen Maßnahmenplan prominente Mitstreiter. In einem Videoaufruf erklären 61 deutsche Stars, die Erstellung und Umsetzung eines neuen Gesetzesvorhaben unterstützen zu wollen.

t-online.de hat mit Initiator Heinrich Strößenreuther darüber gesprochen, was sich ändern muss, um die Klimakrise in den Griff zu bekommen.

t-online.de: Herr Strößenreuther, was kann Ihr Klimaplan besser, als der der deutschen Bundesregierung?

Heinrich Strößenreuther: In unserem Klimaplan haben wir das Ziel von 1,5 Grad wissenschaftlich auseinandergenommen. Das hat gezeigt: Wir müssen die Reduktion unserer Emissionen bis 2023 erreichen, nicht erst 2030 oder gar 2050. Die Bundesregierung verfolgt ein Ziel, das nicht mit ihrem Pariser Versprechen vereinbar ist. Unsere Aufforderung an Politik, Gesellschaft und Unternehmen lautet, bis 2035 klimaneutral zu sein. Jede zusätzliche Tonne, die bis dahin abgelassen wird, muss im Ausland in zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen investiert werden.

Gutachter haben kürzlich bestätigt, dass das derzeitige Klimaschutzprogramm nicht ausreicht, um die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 51 Prozent zu senken. Woran mangelt es dem Maßnahmenpaket?

Es ist nicht schnell genug, nicht ernsthaft genug und die Eingriffstiefe fehlt. Bei der CO2-Steuer spricht die Bundesregierung von 25 Euro die Tonne. Selbst laut Umweltbundesamt müsste die Tonne 180 Euro kosten – berücksichtigt man noch die Schäden für die nächsten 100 Jahre, sind es 640 Euro pro Tonne. De facto haben wir heute Kosten von 0.

Und im Ausbau regenerativer Energien bremst die Bundesregierung ab. Alles, was in den letzten 15 Jahren aufgebaut wurde, ist zurückgedreht worden. 80.000 bis 100.000 Arbeitsplätze sind dadurch verloren gegangen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz wurde in vielen Ländern kopiert. Wir waren da Klimaweltmeister. Das wurde ausgebremst und kaputtgemacht.

Haben wir also eine Idee in die Welt gesetzt, die andere jetzt besser machen?

Viele Länder sind da kräftiger unterwegs, etwa die skandinavischen Länder. Hier in Deutschland haben wir beispielsweise Diskussionen über Abstandsregelungen – das sind Schranken auf dem Weg zu unserem Ziel, in zehn Jahren klimaneutral Energie zu erzeugen.

German Zero will Deutschland bis 2035 klimaneutral machen. Wie realistisch ist das?

Das ist eine ehrgeizige Marke. Einige Experten finden sie zu ehrgeizig und haben damit in Teilen recht. Auf der anderen Seite ist die Technik schon erfunden. Es geht rein um steuerliche Fragen und Förderprogramme. Trotzdem braucht Infrastrukturumbau seine Zeit. Aber alles andere hieße, wir lassen eine Erderhitzung von drei bis vier Grad auf unsere Kinder und Enkelkinder zurauschen.

Sie wollen selbst ein Gesetzespaket mit strengeren Maßnahmen vorlegen. Wie wollen Sie das in Bundestag und Bundesrat politisch durchsetzen?

Wenn wir ein solches Gesetz erarbeitet haben, wird die Überzeugungsarbeit einfach. Es geht nur noch um Ja oder Nein – für oder gegen Klimaschutz, für oder gegen unsere Kinder. Hier wird Zukunft verhandelt. Und deshalb wollen wir Eltern mobilisieren, die den Politikern in die Augen schauen und sie fragen: "Willst du mein Kind in eine Vier-Grad-Zukunft schicken?" Ich glaube, diesem Druck wird sich die Politik nicht entziehen können. Nächstes Jahr ist die Schicksalswahl für unsere Kinder. Das ist die letzte Chance, ein Unheil für sie abwenden zu können. Denn es werden Verteilungskonflikte kommen, Völkerwanderungen, Terroranschläge und Krieg – was wir gerade schon erleben, aber in einer anderen Dimension.

Bei Themen wie dem Aufkommen eines neuen Coronavirus ist die öffentliche Aufmerksamkeit immens. Im Bezug auf die Klimakrise ist die Empörung verhältnismäßig gering. Woran, glauben Sie, liegt das?

Allein in Berlin und Brandenburg hatten wir 2018 rund 800 vorzeitige Tote, weil ältere Menschen nicht mit der Hitze klar kamen. Einen politischen Reflex gab es nicht. Gäbe es einen neuen Anschlag, wäre die Reaktion direkt da. Politik kann, wenn sie will. Unser Job ist es, dabei zu helfen, diesen Willen zu entwickeln.

Was sind die Maßnahmen, die Deutschland treffen muss, um das 1,5-Grad-Ziel zu schaffen?

Wir müssen beim Strom weg von Kohle und Gas, hin Richtung Solar- und Windenergie. Dass man in Berlin kaum Solarpanels auf den Dächern sieht, ist ein Skandal für eine Hightech-Nation wie Deutschland.

Und wir brauchen einen kräftigen Umbau von Verkehrssystemen, vor allem in städtischen Bereichen. Also weg vom Auto hin zu Elektromobilität, Radverkehr und ÖPNV. Und im ländlichen Bereich brauchen wir den Ausbau von ÖPNV auf der einen Seite, aber auch Unterstützung, dass E-Autos auf dem Markt schneller eine Chance haben.

E-Mobilität steht aber auch in der Kritik.

Es gibt kein industrielles Produkt, das ohne Schaden von Natur, Mensch und Umwelt produziert werden kann. Deshalb plädieren wir dafür zu überlegen, wie man steuerliche Anreize schaffen kann für leichtere Autos, die weniger Ressourcen, weniger Strom verbrauchen.

Neben den politischen Maßnahmen, was muss sich gesellschaftlich bewegen?

Wir müssen miteinander aushandeln, was gutes Verhalten hinsichtlich unserer zukünftigen Generationen ist. Die Frage von Konsum und Moral gehört diskutiert. Das ist nicht einfach. Wir sind es ja gewohnt, in den Urlaub zu fliegen, Ski zu fahren, uns ins Auto zu setzen. Die Frage ist, geht es auch mit etwas weniger? Kann ich einen Pulli auch mal zwei oder fünf Jahre tragen statt nur ein Jahr? Kann ich auch mal Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern machen anstatt auf Mallorca?

Das Unterfangen wird nur gelingen, wenn sich Menschen als politische Wesen begreifen, die ihr Kreuz an der richtigen Stelle machen und mit ihren Politikern reden. Und als Wesen, die bewusste Konsumentscheidungen treffen – von morgens bis abends.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website