Migranten als Ziel Was über die Opfer des Angreifers von Hanau bekannt ist
Der Schütze von Hanau handelte laut den Ermittlern aus rassistischen Motiven. Die meisten Opfer haben offenbar einen Migrationshintergrund. Das ist bisher über sie bekannt.
Der 43 Jahre alte Todesschütze von Hanau hatte es offenbar gezielt auf Menschen mit Migrationshintergrund abgesehen. In einem Video äußerte er rassistische Ansichten. Neun Todesopfer und die meisten Verletzten haben ausländische Wurzeln. Der Generalbundesanwalt ermittelt wegen Terrorverdachts und geht von einer "zutiefst rassistischen Gesinnung" des Täters aus.
Der Täter hatte am späten Mittwochabend zunächst in einer Shisha-Bar in der Hanauer Innenstadt das Feuer eröffnet. Kurze Zeit später fielen Schüsse in einem Kiosk und einer Bar im Stadtteil Kesselstadt.
Der Besitzer des Kiosks berichtete der türkischen Tageszeitung "Hürriyet", der Angreifer habe zunächst auf drei türkische Gäste geschossen und anschließend auf einen türkischen Kellner. Danach sei der Mann durch eine Seitentür in die benachbarte "Arena Bar" gegangen, wo er einen Türken, einen Bosnier und eine Polin niederschoss.
An dem zweiten Tatort tötete der Angreifer nach Polizeiangaben fünf Menschen. Ein 24-Jähriger, der nach eigenen Angaben der Sohn des Kioskbesitzers ist, erzählte, bei drei der Opfer handle es sich um zwei Mitarbeiter und eine Person, die er schon von klein auf kenne.
"Unsere Freunde wurden abgeschlachtet"
Eine Anwohnerin berichtete t-online.de, sie habe in der Nacht einen Anruf von ihrer Tochter bekommen, dass es in der Nachbarschaft eine Schießerei gebe. Ihr Enkelsohn sei dann auf die Straße hinuntergelaufen und habe gesehen, "dass unsere Freunde abgeschlachtet wurden".
Sie sei jeden Tag in den Kiosk gegangen, die Mitarbeiter seien wie eine Familie für sie gewesen, schilderte die Anwohnerin weiter. Gestern habe sie noch mit einem von ihnen gesprochen und gelacht. "Und nun soll er tot sein. Es ist unbegreiflich, dass so etwas passiert."
Offenbar mehrere Opfer kurdischer Herkunft
Unter den Opfern der Bluttat von Hanau sind laut dem größten kurdischen Dachverband in Deutschland mehrere Menschen kurdischer Herkunft. Die Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland kritisierte, die "politischen Verantwortlichen" stellten sich "rechten Netzwerken und Rechtsterrorismus in diesem Land nicht entschieden entgegen". Die Taten des rechtsextremistischen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), der Anschlag auf die Synagoge von Halle, der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und nun die Bluttat von Hanau seien "das Ergebnis einer staatlichen Politik, welche sich auf dem rechten Auge blind stellt". Zudem bereiteten "die politische Rhetorik der AfD und ihre Verharmlosung durch die Medien und Politiklandschaft" den "Nährboden für den rechten Terror" in Deutschland.
Auch der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, forderte einen entschlosseneren Kampf des Staates gegen den Rechtsextremismus. "Wir weisen seit Jahren auf die Gefahren hin", sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Er habe "keine Zweifel, dass die Mehrheit der Menschen in Deutschland für die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist". Aber dies müsse sich im Handeln des Staates jetzt auch zeigen. "Ich erwarte von unserem Staat, dass er den Kampf gegen den Rechtsextremismus genauso führt wie gegen den Terror der Roten Armee Fraktion in den siebziger Jahren."
Erdogan-Sprecher spricht von "unseren Bürgern"
Der Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, sprach von einem "rassistischen Angriff" und "unseren Bürgern", die bei der Tat ums Leben gekommen seien. Auf Twitter forderte er die deutschen Behörden zu maximalen Anstrengungen auf, um den Vorfall aufzuklären.
Kanzlerin Angela Merkel sagte in Berlin, die Bundesregierung und alle staatlichen Institutionen stünden für die "Rechte und Würde eines jeden Menschen in unserem Land. Wir unterscheiden Bürger nicht nach Herkunft oder Religion. Wir stellen uns denen, die versuchen, in Deutschland zu spalten, mit aller Kraft und Entschlossenheit entgegen."
Der Innenausschuss im Bundestag setzte für kommenden Donnerstag eine Sondersitzung zur Gewalttat von Hanau an. Die ermittelnden Behörden erhielten damit genügend Zeit, "um einen soliden Ermittlungsstand aufzubauen", erklärte die Ausschussvorsitzende Andrea Lindholz (CSU). Priorität habe nun zunächst die Ermittlungsarbeit.
- Bericht der Zeitung Hürriyet
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP