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AKK, Nahles & Co.: Rückzüge – Das miese Spiel mit Frauen in der Politik


Meinung
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Kramp-Karrenbauers Rückzug
Das miese Spiel mit Frauen in der Politik

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

Aktualisiert am 13.02.2020Lesedauer: 5 Min.
CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer: Richtig gehandelt, trotzdem ihren Posten bald los.Vergrößern des Bildes
CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer: Richtig gehandelt, trotzdem ihren Posten bald los. (Quelle: Montage: t-online.de/imago-images-bilder)

Andere machen Fehler, wieder tritt eine Frau zurück: Der Rückzug der CDU-Chefin ist bezeichnend für den unterschiedlichen Umgang mit Geschlechtern in der Politik.

Der Rückzug von Annegret Kramp-Karrenbauer ist auf zweierlei Weise tragisch: wieder einmal hat es eine Frau kalt erwischt und wieder einmal geschieht es in einer Angelegenheit, in der jemand im entscheidenden Moment richtig gehandelt hat. Man darf Annegret Kramp-Karrenbauer zu großem Dank verpflichtet sein, weil sie anders als die männlichen Hauptfiguren des antidemokratischen Schmierentheaters von Thüringen (ausgenommen CSU-Chef Markus Söder) die Lage sofort durchblickt und die Wahl eines Ministerpräsidenten ausgerechnet durch die Höcke-AfD ohne zu Zögern eindeutig als falsch und inakzeptabel verurteilt hat.

Anders als manch andere, die ohne Sinn und Verstand ihre Glückwünsche an den FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich nicht schnell genug übermitteln und einen Lovestorm über ihn ergießen konnten – sei es aus politischer Naivität, Ignoranz oder ideologischer Linke-Socken-Verblendung. Deutschland stand am vergangenen Mittwoch an einer Weggabelung und es ist insbesondere dank Annegret Kramp-Karrenbauer richtig abgebogen.

Erinnerungen an Andrea Nahles

Keine Frage, ihr Verzicht auf eine Kanzlerkandidatur und ihr angekündigter Rückzug von der CDU-Spitze ist vor allem die Folge diverser Fehler, die sie in der Vergangenheit gemacht hat. Dennoch wird ihre Entscheidung nun unglückseligerweise immer mit dem Thüringen-Debakel assoziiert sein, bei dem sie ganz klar auf der moralisch richtigen Seite gestanden hat.

Das erinnert fatal an Andrea Nahles. Die frühere SPD-Chefin wurde ebenfalls durch einen Testosteron-gesteuerten Politbetrieb niedergewalzt, während es maßgeblich ihr Verdienst war, dass ein gewisser Hans-Georg Maaßen, für den sich das Land jenseits von AfD und Wertunion heute kollektiv schämt, sein Amt als Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz überhaupt aufgeben musste. Auch Nahles hat alles andere als fehlerfrei agiert, aber die "Gnadenlosigkeit", die die SPD-Politikerin Serpil Midyatli im Umgang mit Kramp-Karrenbauer diagnostiziert hat, hat auch sie fertig gemacht.

Frauen haben Zusatzaufgaben

Das können wohl nur Frauen nachvollziehen. Ihr, liebe Männer, mögt die taktischen und strategischen Fehler von Kramp-Karrenbauer und Nahles zählen und in den Vordergrund rücken, die gesamte Tragweite könnt ihr leider nicht erfassen. Ihr müsst euch im Fall von Widerrede nämlich keine Vergewaltigungsphantasien und Kleines-Dummchen-Sprüche vom anderen Geschlecht anhören, weshalb ihr auch nicht wisst, was das mit jemandem macht. Frauen werden dabei zu Objekten degradiert, während sich das Gegenüber zum handelnden Subjekt emporschwingt. Dadurch wird eine klassische, patriarchale Machthierarchie konstruiert. Die Frage, wie man mit so etwas umgehen kann, gehört für jede Frau in der Öffentlichkeit zum Alltag. Es ist eine Zusatzaufgabe, die Männer nicht haben, und sie erhöht den Druck, unter dem Frauen stehen, und damit ihre Fehleranfälligkeit.

Dauernd unter Beschuss zu stehen, bleibt nicht ohne Einfluss auf das eigene Verhalten – abgesehen vielleicht von Ausnahmegestalten wie Angela Merkel oder Magret Thatcher – obwohl, in deren Seelenleben konnte auch niemand von außen hineinschauen.

Keine Werbung für den Beruf der Politikerin

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, ist einer der wenigen Männer, die sich öffentlich geäußert haben, der die Problematik nach Annegret Kramp-Karrenbauers Ankündigung zumindest erahnt hat: "Wer kann in der jetzt normal gewordenen Erregungskultur eigentlich noch bestehen?", fragte er auf Facebook: "Ich möchte nicht, dass nur noch die Abgebrühten und Machthungrigen politische Spitzenverantwortung tragen." Wir wundern uns über zu wenig Frauen in der Politik. Werbung für ihren Einstieg macht der Umgang mit Kramp-Karrenbauer und Nahles nicht gerade.

Wir bräuchten mehr Aufklärung und mehr Verständnis für die Rolle von Frauen, doch stattdessen gibt es mächtige Strömungen in der Gesellschaft, die lieber ihr Heil in einer verklärten männlichen Vergangenheit suchen – bei den Kohls, Adenauers, Schmidts dieser Republik. In deren Tradition steht jetzt mit Friedrich Merz ein ausgesprochenes Alphatier zum Absprung bereit.

Wieso aber sollte Friedrich Merz, der vor fast 20, in Worten zwanzig, Jahren zuletzt eine führende Funktion als Unionsfraktionschef innehatte und seit mehr als zehn Jahren aus der Politik raus ist, ein Schlüssel für die Zukunft sein? Warum wird in diesen Kreisen immer an die gute alte Zeit gedacht? Die gute alte Zeit hat sich noch nie zurückholen lassen; deshalb ist sie ja die gute alte Zeit.

Friedrich Merz ist kein zeitgemäßer Politiker

Friedrich Merz wird den Herausforderungen der Internet-Gesellschaft nicht gewachsen sein, das wage ich zu prophezeien. Ungeachtet aller Machtbestrebungen dürfte das über kurz oder lang deutlich werden, sollte sich die CDU am Ende für ihn entscheiden.

Zudem sind Machtmenschen oder besser Machtmänner im 21. Jahrhundert alles andere als ein Garant für glückliche Entscheidungen, wie man in vielen Ländern studieren kann. Thomas Kemmerich ist auch so ein Machtmensch. Das Thüringer Wahl-Debakel, der Auslöser für die aktuellen Verwerfungen, ist primär sein politisches Versagen. Hätte er die Wahl nicht angenommen, wäre er als leuchtendes Vorbild in die Geschichte eingegangen. So wird man sich an ihn nur noch als "Clown" erinnern, der einen Tag Ministerpräsident spielen durfte, wie der Chefredakteur der "Welt", Ulf Poschardt, es ausgedrückt hat.

Zusammen mit Kemmerich haben jedoch weite Teile der demokratischen Mitte unter Führungsfiguren wie Mike Mohring und Christian Lindner enttäuscht – und das, wir dürfen es nicht vergessen, ist der wahre Skandal von Thüringen. Nicht die AfD, die angeblich so böse getrickst und die Demokratie verhöhnt hat. Von der AfD kann man nichts anderes erwarten, von der Thüringer CDU, der Thüringer FDP und der Bundes-FDP indes sehr wohl. Dass diese jetzt dauernd auf die AfD zeigen und die Abgrenzung betonen, ist ein blame game und ein Ablenkungsmanöver, das wir beiden nicht durchgehen lassen sollten.

Mit Kramp-Karrenbauer trifft es die Falsche

Es sind und bleiben die CDU Thüringen und die FDP, die in den Fokus gehören – auch angesichts der blamablen ersten Reaktion von Lindner auf das Wahl-Debakel von Thüringen. Christian Lindner hatte an jenem historischen Mittwoch vor einer Woche genau eine Chance, das Ruder glaubwürdig herumzureißen: Er hätte die Vorgänge in Erfurt klipp und klar ablehnen müssen.

Wenn wir an diesen Ausgangspunkt der Ereignisse zurückdenken, wird klar, wie sehr es mit Annegret Kramp-Karrenbauer eigentlich die falsche Person trifft, auf die sich jetzt alle Welt stürzt. Es waren Leute wie sie und später auch Angela Merkel, die laut vernehmbar keine Fragen offen ließen. Und, nein, Frau Merkel hat die CDU-Vorsitzende damit nicht vom Abgrund gestoßen. Wir können vielmehr von einem weiteren Glück sprechen, dass sie die Vorgänge in Thüringen genauso klar verurteilt hat. Die Kanzlern hat damit ihre historische und staatsverantwortliche Pflicht wahrgenommen.

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Maßgebliche Entscheidungen nicht unkommentiert lassen

Man muss von den drei höchsten Repräsentanten des Staates, Bundespräsident, Bundestagspräsident und Bundeskanzlerin, erwarten, dass sie sich unmissverständlich äußern, wenn in einer Stadt, einem Landkreis und erst recht in einem Bundesland eine maßgebliche politische Entscheidung unter dem Einfluss einer Partei am äußersten Rand des Politspektrums zustande kommt. Innerparteiliche Erwägungen dürfen da einfach keine Rolle spielen.

Am Ende wäre es besser für Deutschland gewesen, wenn Annegret Kramp-Karrenbauer mindestens bis zum Sommer durchgehalten hätte, um etwas zeitliche Distanz zwischen ihrem Rückzug und den Ereignissen von Thüringen zu bringen. Der gnadenlose Umgang mit Frauen jedoch hat auch das mitverhindert.

Lamya Kaddor ist Islamwissenschaftlerin, Religionspädagogin, Publizistin und Gründerin des Liberal Islamischen Bunds e. V. (LIB). Derzeit leitet sie ein Forschungsprojekt an der Universität Duisburg-Essen. Ihr aktuelles Buch heißt "Die Sache mit der Bratwurst. Mein etwas anderes deutsches Leben" und ist bei Piper erschienen. Sie können unserer Kolumnistin auch auf Facebook oder Twitter folgen.

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