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Attentat auf Synagoge in Halle: "Warum geschieht das in unserem Land?"


Reaktionen auf Angriff in Halle
Maas entsetzt: "Warum geschieht das in unserem Land?"

Von dpa, afp, aj

Aktualisiert am 10.10.2019Lesedauer: 6 Min.
Kanzlerin Angela Merkel bei einer Solidaritätsveranstaltung an der Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin: Politiker weltweit haben sich nach dem Anschlag bestürzt gezeigt.Vergrößern des BildesKanzlerin Angela Merkel bei einer Solidaritätsveranstaltung an der Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin: Politiker weltweit haben sich nach dem Anschlag bestürzt gezeigt. (Quelle: Christian Mang/reuters)

Weltweite Bestürzung nach den tödlichen Schüssen in Halle – aber es gibt auch auch Kritik. Der Jüdische Weltkongress fordert bessere Überwachung. Ein Überblick auf die ersten Reaktionen.

Ein schwerbewaffneter mutmaßlicher Rechtsextremist hat am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur versucht, in der Synagoge ein Blutbad unter Dutzenden Gläubigen anzurichten. Der 27-jährige Deutsche wollte nach Angaben aus Sicherheitskreisen die Synagoge mit Waffengewalt stürmen, scheiterte jedoch. Danach soll der Mann vor der Synagoge und in einem nahen Döner-Imbiss zwei Menschen erschossen und mindestens zwei weitere verletzt haben. Er floh vom Tatort und wurde am Nachmittag festgenommen. Hier ein Überblick auf die Reaktionen aus der Politik:

Außenminister Heiko Maas (SPD) reagierte mit Fassungslosigkeit auf den Anschlag. "Warum geschieht das in unserem Land? Unserem Land! Zwei unschuldige Menschen wurden brutal ermordet – wie entsetzlich und sinnlos", schrieb er am Donnerstag auf Twitter.

"Ich bin es leid, immer wieder entsetzt und erschüttert sein zu müssen. Wann hört das auf?", fragte Maas. Antisemitismus und Fremdenhass dürften keinen Platz in unserer Gesellschaft haben. "Es ist beschämend, diesen Satz so oft sagen zu müssen in Deutschland. Und es ist unerträglich, dass die jüdische Gemeinde an ihrem höchsten Feiertag einem solchen Angriff ausgesetzt ist. In Deutschland! 2019!"

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verurteilte den Anschlag. "Der Terroranschlag auf die Gemeinde in Halle an Jom Kippur ist ein neuer Ausdruck des wachsenden Antisemitismus in Europa", schrieb er am Mittwoch im Kurzbotschaftendienst Twitter. Er fordere die deutschen Behörden auf, "weiterhin entschlossen" dagegen vorzugehen.

Netanjahus politischer Rivale, der Vorsitzende der Liste Blau-Weiß, Benny Gantz, rief zum verstärkten Kampf gegen Antisemitismus auf. "Das schreckliche Bild von Juden, die sich an Jom Kippur in ihrer Synagoge auf deutschem Boden verbarrikadieren, muss ein Weckruf sein", sagte Gantz den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Antisemitismus muss mit aller Kraft bekämpft werden - das schließt die Verbreitung von Hassbotschaften im Internet ein."

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, erhob schwere Vorwürfe gegen die Polizei. "Dass die Synagoge in Halle an einem Feiertag wie Jom Kippur nicht durch die Polizei geschützt war, ist skandalös", teilte Schuster am Mittwochabend mit. "Diese Fahrlässigkeit hat sich jetzt bitter gerächt." Schuster erklärte weiter: "Die Brutalität des Angriffs übersteigt alles bisher Dagewesene der vergangenen Jahre und ist für alle Juden in Deutschland ein tiefer Schock."

Der Jüdische Weltkongress (WJC) hat nach dem Angriff auf eine Synagoge in Halle einen besseren Schutz jüdischer Einrichtungen in Deutschland verlangt. "Leider ist die Zeit gekommen, in der alle jüdischen Gebetshäuser und andere jüdische Einrichtungen eine erhöhte Sicherheit durch staatliche Sicherheitskräfte benötigen", erklärte der WJC-Vorsitzende Ronald Lauder am Mittwoch. Es seien "Taten statt Worte" nötig.

Lauder rief außerdem dazu auf, "eine einheitliche Front gegen neonazistische und extremistische Gruppen" zu bilden. Den tödlichen Angriff in Halle nannte er "entsetzlich".

Kanzlerin Angela Merkel sprach den Angehörigen der Opfer ihr tiefes Beileid aus, wie Regierungssprecher Steffen Seibert twitterte. Die Solidarität gelte allen Jüdinnen und Juden am Feiertag Jom Kippur. Am Abend nahm sie an einer Solidaritätsveranstaltung an der Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin teil.

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief zur Solidarität mit den jüdischen Mitbürgern auf. Bei einem Festakt zum 30. Jahrestag der friedlichen Revolution in Leipzig sagte Steinmeier am Mittwoch, ein solcher Angriff auf eine voll besetzte jüdische Synagogen schien in Deutschland nicht mehr vorstellbar. "Aus einem Tag der Freude ist ein Tag des Leids geworden." Er denke nun an die Angehörigen.


Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) brach seinen Besuch bei der EU in Brüssel ab. "Ich bin entsetzt über diese verabscheuenswürdige Tat", hieß es in einer Mitteilung. "Es wurden durch sie nicht nur Menschen aus unserer Mitte gerissen, sie ist auch ein feiger Anschlag auf das friedliche Zusammenleben in unserem Land. Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen der Opfer."

Die Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, sagte sie sei mit "Trauer und Wut" erfüllt. "Wenn ein schwer bewaffneter Terrorist auf offener Straße mordet, und wenn ein Zentrum jüdischen Lebens in einer deutschen Stadt am höchsten jüdischen Feiertag mit Schusswaffen und Sprengsätzen angegriffen wird, dann ist das ein Angriff auf das Zusammenleben in unserem Land", sagte Knobloch laut einer am Mittwochabend verbreiteten Mitteilung. "Die Tat macht deutlich, wie schnell aus den Worten von politischen Extremisten Taten werden können", hieß es weiter.

Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sagte: "Wir haben es in Halle mit Rechtsterrorismus und Antisemitismus zu tun." Er forderte, alle in Deutschland müssten jetzt zusammenhalten. "Das macht uns stark, Hass und Abgrenzung zurückzuweisen." Die Tat in Halle verletze "das Sicherheitsgefühl von uns allen" - das Gefühl, friedlich eine Synagoge zu besuchen oder einen Döner essen zu gehen.

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer sagte dem "Tagesspiegel": "Ein solcher Angriff am höchsten jüdischen Feiertag ist ein Alarmzeichen, das niemanden in Deutschland unberührt lassen kann." Die Tat mache sie traurig und wütend.

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Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) besuchte nach dem Angriff die Synagoge in der Oranienburger Straße. "Ich bin heute hier zur Synagoge gekommen, um Solidarität zu zeigen", sagte Geisel der Deutschen Presse-Agentur am Mittwochabend vor der Neuen Synagoge. "Wir haben in Halle auf die dortige jüdische Gemeinde einen schrecklichen Angriff erlebt. Die jüdische Gemeinde zu Berlin braucht ein Zeichen der Solidarität."

Die Sicherheitsvorkehrungen vor den jüdischen Einrichtungen der Stadt seien erhöht worden. Geisel verwies dabei unter anderem auch auf Polizisten mit Maschinenpistolen. "Bis auf weiteres werden wir das so lassen, mindestens bis zum Ende der jüdischen Feiertage, einfach um den Besuchern der Gottesdienste zu zeigen, dass wir für ihre Sicherheit einstehen", sagte Geisel. "Es geht nicht, dass Juden an ihren Feiertagen in Angst zu ihren Synagogen gehen müssen." Zudem zeige die Solidaritätsveranstaltung vor der Synagoge, dass Antisemitismus keinen Platz in der Stadt habe.

Mit einem Gebet in der Marktkirche haben Christen in Halle der Opfer der Schüsse und der Angehörigen gedacht. "In dieser Stunde stehen wir zutiefst erschrocken und traurig an der Seite der Menschen, die einen lieben Angehörigen oder Freund so grausam verloren haben. Wir denken an die jüdische Gemeinde", erklärte Hans-Jürgen Kant, Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Halle-Saalkreis, am Mittwochabend.

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Zugleich mahnte er Stärke an im weiteren Bemühen um Frieden und für eine weltoffene, demokratische Gesellschaft. Rund 40 Menschen waren den Angaben zufolge in die Marktkirche gekommen, um eigentlich an einer Veranstaltung zum Gedenken an die friedliche Revolution teilzunehmen.

Der Oberbürgermeister vom Halle, Bernd Wiegand (parteilos), erklärte: "Unser tiefes Mitgefühl gilt den Angehörigen der Opfer." Die Sicherheitskräfte standen laut Wiegand in Halle und dem Umland vor enormen Herausforderungen. Im Namen der Stadt dankte er für die große Solidarität und Anteilnahme, die Halle in diesen schweren Stunden erfahren habe.

Der Bundestagsabgeordnete für Halle an der Saale, Karamba Diaby, appellierte an den Zusammenhalt der Stadt:

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Aus dem Ausland kamen ebenfalls bestürzte Reaktionen. Das Europaparlament legte eine Schweigeminute für die Opfer ein. In Gedanken sei man bei Deutschland, der deutschen Polizei und bei der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, sagte Parlamentspräsident David Sassoli.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker richtete einen eindringlichen Appell an die europäische Öffentlichkeit. "Der zunehmende Antisemitismus muss alle Europäerinnen und Europäer zum Handeln aufrufen", schrieb er am Mittwochabend über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Er sei "zutiefst schockiert" über die Nachricht von den mörderischen Anschlägen.

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"Meine Gedanken und Gebete sind bei den Familien und Freunden der Opfer und der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und ganz Europa, die in den letzten Jahren immer wieder Ziel antisemitischer Angriffe wurde", schrieb der Luxemburger weiter. "Wir stehen an diesem Tag in Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft."

Auch UN-Generalsekretär António Guterres bewertete den Vorfall als "eine weitere tragische Demonstration von Antisemitismus".

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron zeigte sich betroffen. "Die antisemitische Attacke von Halle ist ein Schock", schrieb Macron in der Nacht auf Donnerstag auf Twitter. "Wir verurteilen sie scharf." Der Präsident sprach der jüdischen Gemeinschaft seine volle Unterstützung, Deutschland seine Solidarität und den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und afp
  • Twitter
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