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Wogen glätten, Pakt retten: Seehofers Flüchtlingsmission in Türkei und Griechenland


Umgang mit Flüchtlingen
Seehofer lässt Türkei bei Syrien-Plan abblitzen

Von dpa, dru

Aktualisiert am 04.10.2019Lesedauer: 4 Min.
Horst Seehofer mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu: "Es gibt viele Regierungen, unsere eingeschlossen, die da ihre Probleme haben."Vergrößern des Bildes
Horst Seehofer mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu: "Es gibt viele Regierungen, unsere eingeschlossen, die da ihre Probleme haben." (Quelle: Turkish Foreign Ministry/ap)

Der Flüchtlingspakt mit der Türkei wackelt. Innenminister Seehofer verhandelt deshalb in Ankara und Athen über Sicherheitsfragen und Hilfsleistungen. Eine wichtige Forderung der Türkei lässt er aber abblitzen.

Wogen glätten, Pakt retten – so lässt sich Horst Seehofers Flüchtlingsmission in der Türkei und in Griechenland zusammenfassen. Bei seinem kurzen Besuch in Ankara von Donnerstagabend bis Freitagmittag hat der deutsche Innenminister der Türkei angesichts des wackelnden Migration-Abkommens mit der EU für die Betreuung der vielen Flüchtlinge im Land weitere Unterstützung zugesagt. In Athen beschwor er anschließend die europäische Solidarität.

Seehofer war zusammen mit EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos unterwegs. Nach der Ankunft am Donnerstagabend trafen sie zunächst Innenminister Süleyman Soylu. Danach sagte Seehofer zu deutschen Journalisten: "Der Minister hat uns sehr umfassend dargestellt, welchen Zuwachs die Migration hier im Moment hat." Er erwähnte Afghanen und Syrer. Der Migrationsdruck sei "gewaltig" und steige. "Deshalb müssen wir schauen, wie dieser Pakt zwischen der Europäischen Union und der Türkei gekräftigt werden kann." Und: "Wo immer wir unseren Beitrag leisten können,(...) sind wir dazu bereit."

Seehofer bestätigte, dass die Türkei zusätzliche Mittel für die Flüchtlingshilfe angesprochen habe. Darüber müsse nun mit der neuen EU-Kommission, die unter der deutschen Politikerin Ursula von der Leyen am 1. November ihren Dienst antritt, geredet werden. "Ich werde nach Brüssel fahren und der neuen Kommissionspräsidentin meine Eindrücke hier schildern, damit das sehr schnell angegangen wird."

Der türkische Innenminister werde außerdem eine Liste zusammenstellen mit Punkten, bei denen Deutschland helfen könne. Die werde noch mit Präsident Recep Tayyip Erdogan abgestimmt. Denkbar sei beispielsweise Unterstützung bei der Grenzüberwachung, sagte Seehofer.

Sicherheitszone in Syrien? Seehofer blockt ab

Seehofer traf in Ankara auch mit Außenminister Mevlüt Cavusoglu sowie mit Vize-Präsident Fuat Oktay zusammen. Dabei kam offenbar auch der brisante Plan Erdogans einer Sicherheitszone in Syrien zur Sprache. Er sieht vor, Millionen syrische Flüchtlinge in die Zone umzusiedeln, sobald sie von "terroristischen Gruppen befreit" sei. Hier ließ Seehofer seine Gesprächspartner offenbar abblitzen. "Ich habe deutlich gesagt, dass es ja viele Regierungen gibt, unsere eingeschlossen, die da ihre Probleme haben", sagte Seehofer am Donnerstagabend.

Der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge hatte Oktay während des Empfangs mit Seehofer und Avramopoulos die EU in seiner Rede dazu aufgefordert, beim Aufbau der Zone zu helfen. "Wir müssen die nötige Infrastruktur bauen – vorläufige und langfristige Unterkünfte, Krankenhäuser und Schulen", sagte Oktay demnach. Die Projekte seien fertig geplant, "aber wir brauchen die Unterstützung aller regionalen Akteure, um sie umzusetzen, besonders der EU".

"Interesse an einer gesünderen Zusammenarbeit"

Cavusoglu sprach dennoch von einem produktiven Gespräch mit Seehofer. Man habe das Flüchtlingsabkommen "in allen Details" diskutiert. "Wir haben offen erklärt, wie wir die Situation sehen und wie wir mit der Europäischen Union kooperieren wollen", sagte Cavusoglu. Es sei in diesem Zusammenhang auch um den Ausbau der Zollunion und visa-freies Reisen gegangen. "Wir haben gesehen, dass sie zu diesem Thema Interesse an einer gesünderen Zusammenarbeit mit der Türkei haben. Aber Versprechen sollten gehalten werden."

Der Flüchtlingspakt aus dem Jahr 2016 sieht vor, dass Griechenland illegal eingereiste Migranten zurück in die Türkei schicken kann. Im Gegenzug übernimmt die EU syrische Flüchtlinge aus der Türkei und unterstützt die Türkei finanziell bei der Versorgung der Flüchtlinge.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat allerdings mehrfach kritisiert, dass versprochene EU-Hilfen nicht zufriedenstellend flössen, und mehr Unterstützung eingefordert. Andernfalls könnte man den Flüchtlingen die Türen Richtung Europa öffnen, drohte er.

In EU-Ländern wuchsen zuletzt Sorgen, weil in Griechenland seit einiger Zeit deutlich mehr Flüchtlinge aus der Türkei eintreffen. Der Pakt soll das eigentlich verhindern. Cavusoglu sprach am Freitag von "grundlosen Anschuldigungen gegen die Türkei nach einem kleinen Anstieg von Ankünften".

BMI-Sprecher Steve Alter sagte am Freitag: Auch wenn es noch keine konkreten, inhaltlichen Ergebnisse gebe, sei der Minister "Stand jetzt" mit den Gesprächen zufrieden. "In den groben Linien sind Gemeinsamkeiten erkennbar und die Gesprächsatmosphäre war sehr kollegial und konstruktiv."

"Solidarisch zu sein, hilft auch uns"

Am Freitagmittag reiste Seehofer nach Athen weiter. Vor Journalisten bekräftigte er sein Ziel einer Neuordnung der europäischen Flüchtlingspolitik, die allen Europäern zugute komme. "Wenn wir Griechen und Türken helfen, ist das solidarisch gegenüber euch, aber hilft auch uns", sagte Seehofer. Niemand in Europa solle glauben, das Thema betreffe ihn nicht. Wenn die Flüchtlingskrise nicht solidarisch und gemeinsam gelöst werde, "dann werden wir das erleben, was wir 2015 auch erlebt haben - dann werden die Menschen überall in Europa sein".


Chrysochoidis bewertete das Gespräch positiv: "Wir sind alle Franzosen, wenn Frankreich leidet, wir sind alle Deutsche, wenn etwas in München oder Berlin passiert", sagte er, und: "Ich bin erleichtert, dass wir uns heute darauf verständigen konnten, in der Flüchtlingsfrage alle Griechen zu sein." Die Situation auf den Inseln sei dramatisch. "Wenn wir nicht aktiv werden, dann wird (das Flüchtlingslager) Moria ganz Europa stigmatisieren."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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