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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Radikalisierung im Fußball Geheimdienst warnt vor Islamisten-Verein in der Kreisklasse
Militante Islamisten haben laut Verfassungsschutz in Hamburg einen Fußballverein gegründet. Der Verein soll als gemeinnützig anerkannt sein. Wie umgehen mit einem Verein, dessen Mitglieder die Scharia einführen wollen?
Der Hamburger Verfassungsschutz warnt vor einem islamistischem Fußballverein. Der Club Adil e.V. im Stadtteil Wilhelmsburg sei 2016 von der verbotenen Vereinigung Hizb-ut Tahrir gegründet worden, teilte die Behörde auf ihrer Internetseite mit. Der gesamte Vorstand und sechs der zehn Gründungsmitglieder seien aufgrund nachrichtendienstlicher Erkenntnisse als Angehörige der gewaltorientierten Islamistengruppierung einzustufen. Auch der weit überwiegende Teil der Mannschaft gehört demnach der Vereinigung an oder steht ihr nahe.
Ziel ist das Kalifat
Die Gruppe Hizb-ut Tahrir ("Partei der Befreiung") ist seit 2003 in Deutschland verboten. Die 1953 in Jerusalem gegründete Organisation ging laut Verfassungsschutz aus der Muslimbruderschaft hervor und strebt ein weltweites Kalifat an, das auf den Grundlagen der Scharia fußt. Laut Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums befürwortet die Gruppe Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele. Sie verbreite unter anderem antisemitische Hetzpropaganda und fordere zur Tötung von Juden auf.
Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass der Club Teil einer größer angelegten Strategie ist, die muslimische Community im Stadtteil zu beeinflussen und für sich zu vereinnahmen. Der Nachrichtendienst habe Einblick in ein internes Strategiepapier der Gruppe nehmen können, das bereits auf 2015/2016 datiert sei. Darin skizziere die Gruppe die Gründung eines Fußballvereins im Hamburg-Wilhelmsburg, um neue Mitglieder anzuwerben. Wenig später gründeten die Islamisten den Verein Adil e.V., der bis heute als gemeinnützig anerkannt sei, sagt der Verfassungsschutz. Im Frühjahr 2017 beantragte der Vorstand die Aufnahme in den Hamburger Fußball-Verband. Die Mannschaft spielt nun in der Hamburger Kreisklasse B1.
Verbände noch unentschlossen
Noch scheinen die Verbände ratlos, wie nach der Warnung des Verfassungsschutzes nun mit dem Verein umzugehen ist. "Über den Sachverhalt und daraus abzuleitende Maßnahmen werden die zuständigen Gremien des HFV zeitnah beraten", teilte der Hamburger Fußball-Verband auf seiner Internetseite mit. Auch der Hamburger Sportbund ließ Ähnliches verlauten. "In dem konkreten Fall stehen wir mit den Behörden im Austausch und werden uns mit diesen zum weiteren Vorgehen abstimmen", hieß es in der Stellungnahme.
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In Hamburg zählt der Verfassungsschutz derzeit 220 deutsche oder afghanisch- und türkischstämmige Anhänger zu Hizb-ut Tahrir – das sind fast doppelt so viele wie noch 2016. Die Gruppe sei ständig bemüht, neue Mitglieder zu werben. Durch den Aufbau freundschaftlicher Beziehungen werde dafür zunächst ein Vertrauensverhältnis geschaffen, dafür seien neben Fußball auch Grillfeste beliebt. Erst später werde dann die Hizb-ut Tahrir als Bezugspunkt offenbart. So solle Schritt um Schritt die Akzeptanz in der muslimischen Community gestärkt werden – denn bislang sind Mitglieder der Gruppe in fast allen Moscheen in Hamburg unerwünscht.
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- mit Material der Nachrichtenagentur dpa