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Maas auf diplomatischer Mission | Wieviel "Germany first" verträgt die deutsche Außenpolitik?


Maas auf diplomatischer Mission
Wieviel "Germany first" verträgt die deutsche Außenpolitik?

dpa, Michael Fischer

31.03.2019Lesedauer: 4 Min.
Mal "together", mal allein: Heiko Maas Ende Januar vor seinem Abflug nach Washington.Vergrößern des Bildes
Mal "together", mal allein: Heiko Maas Ende Januar vor seinem Abflug nach Washington. (Quelle: Martin Schlicht/Reuters-bilder)
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"Together first" statt "America first": Die Bundesregierung will den Multilateralismus gegen Nationalismus à la Donald Trump verteidigen. Doch auch sie neigt zu Alleingängen – und verärgert damit die Partner.

Außenminister Heiko Maas steht eine Woche ganz im Zeichen des Multilateralismus bevor. Am Montagfrüh bricht er noch vor Sonnenaufgang nach New York auf, um dort im UN-Sicherheitsrat den Vorsitz zu übernehmen. Zum ersten Mal seit knapp sieben Jahren leitet Deutschland das wichtigste Gremium der Vereinten Nationen für einen Monat. Am Mittwoch geht es mit dem Zug weiter nach Washington wo die 29 Mitgliedstaaten der Nato den 70. Geburtstag des Verteidigungsbündnisses feiern. Und dann steht auch noch Dinard in der französischen Bretagne auf seinem Reiseprogramm, wo die Außenminister der wichtigsten westlichen Industrienationen den G7-Gipfel im August vorbereiten.

Maas wird in dieser Woche wieder für eine Welt werben, die von internationalen Institutionen und Abkommen geordnet wird. Er wird weiter versuchen, eine "Allianz der Multilateralisten" auf die Beine zu stellen. Und vielleicht fällt auch wieder das Motto für die zweijährige Mitgliedschaft Deutschlands im UN-Sicherheitsrat, "Together first" (Zusammen zuerst), das Maas dem "America first" von US-Präsident Donald Trump entgegengeworfen hat.

Mal "together", mal allein

Unmittelbar vor Übernahme des Vorsitzes im UN-Sicherheitsrat hat die Bundesregierung aber wieder einmal gezeigt, dass sie es mit dem "Together first" nicht so genau nimmt, wenn es gerade mal nicht passt. Der Rüstungsexportstopp für Saudi-Arabien, den Deutschland nach der Tötung des saudischen Regierungskritikers Jamal Khashoggi im November im Alleingang verhängt hatte, wurde in der Nacht zu Freitag verlängert. Deutsche Unternehmen dürfen jetzt zwar wieder für europäische Gemeinschaftsprojekte zuliefern – aber nur, wenn die endmontierten Produkte nicht nach Saudi-Arabien gelangen.

Ob Frankreich und Großbritannien da mitmachen, ist äußerst fraglich. Die beiden wichtigsten europäischen Partner in Sachen Sicherheitspolitik sind seit Wochen extrem verärgert über die deutsche Haltung. Die französische Botschafterin Anne-Marie Descôtes beklagte in der vergangenen Woche in einem ungewöhnlich undiplomatischen Aufsatz die "Unvorhersehbarkeit der deutschen Politik". Und der britische Außenminister Jeremy Hunt sah schon vorher in einem Beschwerdebrief an seinen Amtskollegen Maas "das Vertrauen in die Zuverlässigkeit Deutschlands" beschädigt.

Exportstopp auf Drängen der SPD

Wenn Maas in den kommenden Tagen am Rande seiner internationalen Termine mit Hunt und seinem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian zusammentrifft, gibt es für den SPD-Politiker also viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Die Entscheidung der Bundesregierung geht alleine auf das Drängen seiner Partei zurück, die schon im Koalitionsvertrag einen teilweisen Rüstungsexportstopp für die am Jemen-Krieg beteiligten Länder durchgesetzt hatte. Die Sozialdemokraten legen bei der Frage rein moralische Maßstäbe an. "Wir wollen keine Rüstungsexporte in Krisengebiete und Diktaturen", heißt es im gerade beschlossenen Europawahlprogramm apodiktisch.

Frankreich und Großbritannien geht es dagegen neben wirtschaftlichen auch um strategische Fragen. Natürlich könne Großbritannien seine Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien stoppen und seine über Jahrzehnte gewachsenen Verbindungen zu dem Königreich abbrechen, argumentiert Hunt. "Aber wenn wir das tun würden, würden wir unseren Einfluss aufgeben und uns für die weitere Entwicklung im Jemen irrelevant machen", schrieb er in der vergangenen Woche in einem Aufsatz für "Politico". "Das wäre eine moralische Bankrotterklärung, und die Menschen im Jemen wären die größten Verlierer."

Panzer für Jordanien, Gewehre und Pistolen für die Kurden

Rüstungsexporte als Instrument der Außenpolitik – das ist auch Deutschland nicht ganz fremd. 2016 startete die Bundesregierung eine sogenannte "Ertüchtigungsinitiative" mit dem Ziel, vertrauenswürdige Länder in die Lage zu versetzen, selbst für ihre Sicherheit zu sorgen – auch über Rüstungsexporte. So erhielt Jordanien beispielsweise Schützenpanzer aus den Beständen der Bundeswehr und Tunesien Überwachungstechnik für die Grenze zu Libyen.

Das ist aber nicht alles. Für den Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) lieferte Deutschland in großem Stil Waffen an die Kurden im Nordirak – ein Tabubruch und Verstoß gegen die eigenen Richtlinien, denn es handelte sich um einen Export in einen laufenden Konflikt. Eine weitere Ausnahme: U-Boote für Israel werden schon seit längerem aus dem Bundeshaushalt mitfinanziert, weil die Sicherheit Israels für Deutschland Staatsräson ist.

Auch Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien wurden früher einmal trotz der prekären Menschenrechtslage in dem mit harter Hand regierten Königreich mit strategischen Interessen begründet. Das hat sich erst mit der langjährigen Intervention Saudi-Arabiens im Jemen-Krieg und der Khashoggi-Affäre grundsätzlich geändert.

"Nicht weltpolitikfähig"

In der Union sorgt der Rüstungsbeschluss der Bundesregierung für massiven Unmut. "Das ist eine Bankrotterklärung für die deutsche Sicherheits- und Außenpolitik", sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer (CDU). Und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul (CDU) meint: "Deutschland ist derzeit in dieser Verfassung nicht weltpolitikfähig."

Da scheint sich etwas angestaut zu haben. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Norbert Röttgen (CDU), moniert schon seit längerem, dass die Bundesregierung mit zu vielen Entscheidungen nach dem "Germany first"-Prinzip die europäische Zusammenarbeit beschädige.

Immer wieder beschreitet Deutschland Sonderwege, vor allem im militärischen Bereich, aber nicht nur.

  • Als die USA im September vorsichtig anfragten, ob und wie sich Deutschland bei einem Chemiewaffeneinsatz in Syrien an einem Vergeltungsschlag beteiligen würde, antworteten zuerst SPD-Chefin Andrea Nahles und dann auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit einem präventiven Nein. Frankreich und Großbritannien hatten sich dagegen schon zuvor an einer solchen Militärinvention beteiligt.
  • Die deutschen Verteidigungsausgaben verärgern nicht nur die USA, sondern auch die europäischen Partner. Derzeit deutet nichts darauf, dass Deutschland das selbstgesteckte Ziel von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2024 erreicht, das ohnehin deutlich unter der Nato-Zielmarke 2 Prozent liegt. Im Gegenteil: Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat in der mittelfristigen Finanzplanung die Verteidigung heruntergeschraubt – pünktlich zum Nato-Jubiläum.
  • Auch in anderen Bereichen gibt es deutsche Alleingänge. Die Ostseepipeline Nord Stream 2 ist den meisten europäischen Partnern ein Dorn im Auge, weil sie einen zu großen Einfluss Russlands auf die europäische Energieversorgung befürchten. Auch Frankreich hat sich inzwischen auf die Seite der Kritiker geschlagen.

Es wird also keine einfache Arbeitswoche für Außenminister Maas. Zum Auftakt will er zunächst ein Zeichen für die deutsch-französische Freundschaft setzen. In New York hat er gleich nach seiner Ankunft einen gemeinsamen Auftritt mit Le Drian.


Deutschland und Frankreich haben sich vorgenommen, ihre aufeinanderfolgenden Vorsitze im UN-Sicherheitsrat als gemeinsames Projekt zu begreifen. "Together first" – an dieser Stelle gilt das Motto.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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