SPD-Ministerpräsident Weil "Hartz IV ist zu großen Teilen unbestritten"
SPD-Chefin Nahles will Hartz IV hinter sich lassen. Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Weil ist gegen eine große Reform. Dafür fordert er einen höheren Mindestlohn – und eine Steuerreform.
Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hält eine grundlegende Reform des Sozialsystems für unnötig. "Hartz IV ist zu großen Teilen unbestritten. Niemand will doch die Sozialhilfe oder das alte Arbeitsamt zurück haben", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Doch gebe es nach 15 Jahren natürlich Reformbedarf. So müssten es Menschen besser haben, die länger als andere in Sozialkassen eingezahlt haben. "Diesen Gedanken unterstütze ich ausdrücklich. Und natürlich müssen wir Kinderarmut besser bekämpfen als bisher." Es müssten jedenfalls keine komplett neuen Strukturen erfunden werden, zu denen er im übrigen erst einmal konkrete Vorschläge hören wolle, sagte er.
Mindestlohn von zwölf Euro
Weil geht damit etwas auf Distanz zu SPD-Chefin Andrea Nahles, die gefordert hatte, Deutschland müsse Hartz IV "hinter sich lassen". Eine neue Grundsicherung sollte aus ihrer Sicht ein Bürgergeld sein, mit klaren und auskömmlichen Leistungen. Sanktionen müssten weitgehend entfallen.
Weil sagte hingegen: "Wir reden eher zu viel über Hartz IV". Es gebe viele Bürger, die arbeiteten hart in Vollzeit und hätten kaum mehr Geld zur Verfügung als die Empfänger von Transferleistungen. Er halte es daher für angebracht, "dass es 2020 beim Mindestlohn einen größeren Schluck aus der Pulle gibt". Er wolle sich nicht auf den letzten Cent festlegen. "Aber zwölf Euro werden es schon sein müssen." Für realistisch hält Weil das aber "wohl nur nach den nächsten Wahlen".
Weil fordert Steuerreform
Weil macht sich in dem Interview auch für eine Steuerreform stark. "Ich plädiere schon lange dafür, den Soli schneller abzubauen, die kleinen und mittleren Einkommen deutlich zu entlasten und den Spitzensteuersatz maßvoll zu erhöhen, damit der Abstand nicht noch größer wird", sagte er.
Insbesondere für einen schnelleren Abbau des Solidaritätszuschlages seien Spielräume da. "Richtig wäre, den ab 2021 in zwei Stufen vereinbarten Abbau des Solidaritätszuschlags für 90 Prozent der Steuerzahler schneller anzugehen." Vor allem Arbeitnehmer mit kleinen und mittleren Einkommen würden unmittelbar spüren, dass der Aufschwung auch bei ihnen ankomme.
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Im Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und SPD vereinbart, ab 2021 den Soli für 90 Prozent der Steuerzahler zu streichen. Das würde zehn Milliarden Euro und damit die Hälfte der jährlichen Soli-Einnahmen kosten, die allein dem Bund zustehen. Die CDU hatte auf ihrem Parteitag Anfang Dezember eine komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags bis Ende 2021 verlangt.
- Nachrichtenagenturen dpa, Reuters
- Berliner Morgenpost: SPD-Politiker Weil: "Hartz IV zu großen Teilen unbestritten"