Medienbericht Auswärtiges Amt warnt vor Abschiebungen nach Syrien
Deutsche Innenminister diskutieren über Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern auch ins Bürgerkriegsland Syrien. Das Auswärtige Amt hat erhebliche Bedenken.
Das Auswärtige Amt warnt nach einem Bericht von "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR sowie des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vor Abschiebungen nach Syrien, wie sie zuletzt einige Unionspolitiker ins Gespräch gebracht haben. "In keinem Teil Syriens besteht ein umfassender, langfristiger und verlässlicher Schutz für verfolgte Personen", zitiert die "SZ" in ihrer Dienstagsausgabe aus dem unter Verschluss gehaltenen neuen Lagebericht des Außenministeriums. Für Rückkehrer bleibe daher das Risiko hoch.
"Innerhalb der besonders regimenahen Sicherheitsbehörden, aber auch in Teilen der vom Konflikt und der extremen Polarisierung geprägten Bevölkerung gelten Rückkehrer als Feiglinge und Fahnenflüchtige, schlimmstenfalls sogar als Verräter beziehungsweise Anhänger von Terroristen", warnt das Auswärtige Amt demnach weiter. Männliche Rückkehrer im Alter zwischen 18 und 42 Jahren würden in der Regel zum Militär eingezogen, vorher jedoch oft noch für mehrere Monate wegen Desertion inhaftiert.
Tausende Todesfälle durch Folter
Laut RND zeichnet der 28-seitige Lagebericht ein düsteres Bild der Sicherheits- und Menschenrechtslage in Syrien. "Folter macht in Syrien auch vor Kindern nicht halt." So seien "zahllose Fälle dokumentiert, bei denen einzelne Familienmitglieder, nicht selten Frauen und Kinder, für vom Regime als feindlich angesehene Aktivitäten anderer Familienmitglieder inhaftiert und gefoltert wurden". Insgesamt weist der Bericht seit 2011 rund 13.000 bestätigte Todesfälle nach Folter aus. Schließlich fänden "Vergewaltigungen, Folter und systematische Gewalt gegen Frauen von Seiten des syrischen Militärs und alliierter Gruppen unter anderem an Grenzübergängen, militärischen Kontrollstellen und in Haftanstalten" statt. Die Zwangsrekrutierung von Kindern zum Militärdienst sei seit 2014 stetig gestiegen.
Herrmann: Schwere Straftäter und Gefährder auch nach Syrien abschieben
Das Auswärtige Amt hatte bereits vergangene Woche mitgeteilt, dass der Bericht fertig sei. Er solle Innenbehörden und Gerichten als eine von mehreren Entscheidungsgrundlagen in Asylverfahren dienen. Da der Bericht als Verschlusssache eingestuft ist, machte das Außenamt keine Aussagen zum Inhalt. Vom 28. bis 30. November kommen die Landesinnenminister zu ihrer Konferenz in Magdeburg zusammen. Ende Dezember läuft der derzeitige Abschiebestopp nach Syrien aus.
Der derzeit geltende Abschiebestopp für Syrien läuft im Dezember aus. Am Mittwoch wollen die Innenminister der Länder auf ihrer Konferenz in Magdeburg über eine Verlängerung beraten. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte in der vergangenen Woche gefordert, zumindest schwere Straftäter und sogenannte Gefährder nach Syrien abzuschieben, "sobald es die Lage erlaubt". Ähnlich hatte sich auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) geäußert.
SPD-Fraktionsvize: Keine Verhandlungen mit Willkürregime
Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, lehnt nach Bekanntwerden eines neuen Lageberichts zu Syrien Abschiebungen in das Land kategorisch ab. "Angesichts der anhaltenden Kampfhandlungen und terroristischen Bedrohungen, der in großen Teilen katastrophalen Versorgungslage sowie der weitgehenden Rechtlosigkeit in Syrien kann nicht ernsthaft und verantwortbar über Abschiebungen nach Syrien gesprochen werden", sagte Mützenich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Keiner kann verlangen, dass man mit einem Willkürregime in Verhandlungen über Rückführungen treten soll. Denn die bisherigen Erfahrungen machen nur allzu deutlich, dass man sich auf gegebene Zusagen nicht verlassen kann."
Die syrische Regierung von Präsident Baschar al-Assad ruft offiziell Flüchtlinge zur Rückkehr auf. Sogar ein Minister für Flüchtlingsrückkehr wurde ernannt und eine "Rückkehrkommission" eingerichtet. Im Lagebericht des Auswärtigen Amts heißt es dazu allerdings laut "SZ", bei damit verbundenen "Sicherheitsüberprüfungen" könne schon die Herkunft aus einer als oppositionsnah geltenden Ortschaft für Gewalt oder staatliche Repression ausreichen. Es seien Fälle bekannt, in denen Rückkehrer inhaftiert wurden oder seit ihrer Einreise dauerhaft "verschwunden" seien. Auch auf Sicherheitsgarantien sei offensichtlich kein Verlass.
- Nachrichtenagenturen AFP, dpa