Merkel besucht Südkaukasus Der lange Schatten Moskaus
Wenn Kanzlerin Merkel die Südkaukasus-Region besucht, wird sie drei sehr unterschiedliche Nachbarstaaten erleben – und ein vierter Staat allgegenwärtig sein.
Mit der Reise an die Demarkationslinie Georgiens zum Gebiet Südossetien schließt sich für Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag ein Kreis. Vor fast genau zehn Jahren war sie schon einmal in Georgien – als Zeichen der Solidarität mit der kleinen ehemaligen Sowjetrepublik, in das russische Truppen damals einmarschiert waren. Den langen Schatten Russlands wird Merkel auch diesmal auf allen Stationen ihrer dreitägigen Südkaukasus-Reise zu spüren bekommen. Denn Georgien, Armenien und Aserbaidschan müssen bei allen Entscheidungen immer auch den mächtigen Nachbarn im Norden mitdenken.
Dabei sind die drei ehemaligen Sowjetrepubliken sehr unterschiedlich. Georgien etwa gehört nicht nur nach Einschätzung der Weltbank mittlerweile zu den freiesten Marktwirtschaften der Welt, sondern hat auch ein Assoziierungsabkommen mit der EU sowie Freihandelsabkommen mit Europa und China abgeschlossen und arbeitet eng mit der Nato zusammen. Ziel Merkels ist es deshalb vor allem, die Regierung in Tiflis in ihrem Kurs zu bestätigen, mit der sie begleitenden Wirtschaftsdelegation neue Kontakte zu knüpfen – und dem Land die EU-Solidarität zu zeigen. Die bilateralen Beziehungen gelten als gut, auch weil sich die Asylbewerberzahlen aus Georgien wieder normalisiert haben, die nach der neuen Visafreiheit zunächst nach oben geschnellt waren.
Neuer Schwung in Armenien – Gas in Aserbaidschan
Eine glückliche Fügung für Merkel ist, dass es in Armenien noch vor ihrer Reise einen Regierungswechsel gegeben hatte. Die neue Führung verspricht einen entschiedenen Reformkurs, Kampf gegen Korruption und will dennoch die sehr engen Beziehungen auch zu Russland weiter pflegen. Unter den Südkaukasus-Ländern zählt Armenien als das Land, das traditionell die engsten Beziehungen zu Russland pflegt und auch an Partner der von Russland dominierten eurasischen Wirtschaftsunion ist. Das lässt das Land zwar im Vergleich zu Georgien bei einer möglichen Annäherung an EU und Nato weit zurückfallen. Aber der bilaterale Handel ist im ersten Halbjahr nach Angaben des Ostausschusses geradezu explodiert: er stieg um 41 Prozent auf 171 Millionen Euro. Die Bundesregierung preist das Land als regionalen IT-Hub. Merkel wird sich dort deshalb auch ein Technologiezentrum anschauen.
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Das wirtschaftliche Schwergewicht der drei Reiseziele ist aber eindeutig das öl- und gasreiche Aserbaidschan am Kaspischen Meer. Nach einem Einbruch im vergangenen Jahr wächst die Wirtschaft wieder. Der bilaterale Handel mit Deutschland hat im ersten Halbjahr auch hier um 16,7 Prozent auf 823 Millionen Euro zugelegt. Aserbaidschan gilt vor allem als Rohstoff-Lieferant und wird über die Tap- und Tanap-Pipeline bald mit Gas-Lieferungen in die EU beginnen. Thema des Merkel-Besuchs wird deshalb auch die Frage sein, ob die EU über den sogenannten Südkorridor über Pipelines mehr Gas beziehen kann - als Ergänzung zu den wachsenden Lieferungen aus Russland.
Ein tiefgefroren Konflikt
In Aserbaidschan stehen Merkel aber auch die wohl kontroversesten politischen Diskussionen bevor. Zum einen wurde die Vorbereitung der Reise davon überschattet, dass das Land dem CDU-Bundestagsabgeordneten Albert Weiler, der Merkel begleiten sollte, die Einreise verweigerte. Die Kanzlerin wolle dies bei Präsident Ilham Alijew sehr kritisch ansprechen, hieß es in Berlin. Zum anderen werden Alijew und seiner Familie eine sehr restriktive Politik und massive Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Reporter ohne Grenzen riefen Merkel auf, bei ihrem Treffen mit Alijew am Samstag die Missachtung der Pressefreiheit anzusprechen und die Freilassung von Journalisten zu fordern.
Und sowohl in Armenien als auch in Aserbaidschan wird Merkel den ungelösten Konflikt um Bergkarabach ansprechen, der vor allem von Armeniern bewohnten Exklave in Aserbaidschan. Schon 2016 hatte sie erfolglos versucht, ob man in diesem sogenannten frozen conflict vermitteln kann. Offiziell zuständig ist dafür die sogenannte Minsk-Gruppe, die Frankreich, Russland und die USA als Vorsitzende haben. Aber der diplomatischen Erfolg war seit dem Bergkarabach-Krieg zwischen 1992 und 1994 eher bescheiden. Wie fragil die Lage ist, zeigte sich 2016, als bei einem kurzen Aufflackern der Kämpfe zwischen Armenien und Aserbaidschan mehr als 100 Menschen getötet wurden. Auch hier gibt es eine starke russische Komponente: Russland beliefert gleich beide Seiten mit Waffen.
- Reuters