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"Unterwerfung" im Ersten: Wie das Fernsehen die Islamfeindlichkeit fördert


Meinung
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"Unterwerfung" im Ersten
Wie das Fernsehen die Islamfeindlichkeit fördert

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

07.06.2018Lesedauer: 5 Min.
Edgar Selge als Michel Houellebecqs François im ARD-Film "Unterwerfung": Welche Auswirkungen hätte eine Islamisierung Frankreichs auf das gesellschaftliche Leben?Vergrößern des Bildes
Edgar Selge als Michel Houellebecqs François im ARD-Film "Unterwerfung": Welche Auswirkungen hätte eine Islamisierung Frankreichs auf das gesellschaftliche Leben? (Quelle: Szenenbild/rbb/NFP/Manon Renier)

"Islamkritik" zur Hauptsendezeit: Ob nun der TV-Film "Unterwerfung" oder der Talk danach: t-online.de-Kolumnistin Lamya Kaddor findet, dass es die Öffentlich-Rechtlichen langsam übertreiben.

Wir reden nun schon seit Jahren ununterbrochen über den Islam. Etwaige Vorwürfe, die Auseinandersetzungen mit dieser Religion und ihren Anhängern würden unterdrückt, entbehren jeder Grundlage. Kaum schärfere und schrillere Töne gegenüber einer Minderheit waren im Nachkriegsdeutschland je aus der Mitte der Gesellschaft zu hören als die eines ehemaligen Berliner Finanzsenators, Thilo Sarrazin, oder einer Soziologin, Necla Kelek, über Muslime oder solche, die sie für Muslime halten.

Heute hat sogar eine Bundestagspartei, die AfD, die Feindschaft zum Islam zu ihrem Markenkern gemacht, ja zu ihrem scheinbar einzigen Daseinszweck erhoben, allen Verschleierungsversuchen der Führungsspitze zum Trotz. Was diese Verantwortlichen allerdings gar nicht leiden können, ist die Kritik an ihrer "Islamkritik". Entsprechend laut schreien sie immer auf. Wenn folglich eines in diesem Land nicht unterdrückt wird, dann die Attacken auf den Islam, seine Anhänger und all jene, die sich um differenzierte Sichtweisen bemühen.

Sender übernehmen islamfeindliche Sprechweise

Somit stellt sich nachdrücklich die Frage, warum die Romanvorlage "Unterwerfung“ des Michel Houellebecq unbedingt verfilmt, gestern zur besten Sendezeit im Ersten ausgestrahlt und anschließend noch zum Thema einer Polit-Talkshow gemacht werden musste.

In der parabolischen Satire selbst geht es zwar kaum um den Islam, sondern vielmehr um die Korrumpierbarkeit französischer Eliten, aber Houellebecqs Werk basiert auf einem der zentralen islamfeindlichen Narrative: nämlich die angebliche Islamisierung des Westens.

Fraglos wurde der Stoff von Regisseur Titus Selge großartig inszeniert, Hauptdarsteller Edgar Selge spielt fantastisch. Und dennoch: Wozu der ganze Hype? Wir reden von etwa fünf Prozent der Bevölkerung. Mehr Muslime gibt es in Deutschland nicht; auch wenn unsere mehr als 15 Jahre währende Dauerbeschäftigung mit ihnen anderes suggeriert.

Abgesehen von einigen Extremisten pochen Muslime auch nicht dauernd auf Sonderrechte, wie es oft heißt, sondern sie verlangen lediglich gleiche Rechte, was typisch ist für Einwanderungsgesellschaften.

Bei diesen fünf Prozent Muslimen kann zudem nicht einmal unterschieden werden, ob sie gläubig sind oder säkular, ob konservativ, liberal, fundamentalistisch oder sonst was sind. Muslim ist einfach gleich Muslim, denn es gibt hierzulande (abgesehen von den Daten für die Erhebung von Kirchensteuern) keine exakten staatlichen Aufzeichnungen über Muslime oder andere Religionsgruppen.

Aus gutem Grund. Es ist die Lehre aus der Zeit des Nationalsozialismus. Den Rechtsstaat geht die Religion seiner Bürger nichts an. Noch einmal: Vor diesem Hintergrund fällt es besonders schwer, einen näheren Sinn darin zu sehen, ein spalterisches Werk wie "Unterwerfung" so prominent in die deutsche Öffentlichkeit zu tragen – allzumal Europas Regierungen ja gerade eher von Rechtspopulisten und Rechtsextremen erobert werden, siehe zuletzt Italien oder Slowenien.

Aufgebläht wurden die Fragezeichen hinter diesen TV-Entscheidungen schließlich durch die Diskussionsrunde von Frau Maischberger mit zweifelhafter Besetzung und zweifelhafter Fragestellung – zunächst beworben mit der infamen Formulierung: "Sind wir zu tolerant gegenüber dem Islam?", später abgeschwächt zu: "Die Islamdebatte: Wo endet die Toleranz?"

Auch hier wird das Framing der Islamfeinde, also der Deutungsrahmen völkischer Populisten, wonach der Islam per se eine Gefahr sei, übernommen und durch den Stempel "öffentlich-rechtliches Fernsehen" geadelt. Appeasement gegenüber diesen Völkischen und ihren lautstarken Fans, Gedankenlosigkeit oder Kalkül? Munter wird so die Ausgrenzung von "Muslimen" vorangetrieben, denn Ausgrenzung beginnt auch mit Sprache.

Wie es das Schicksal so will, habe ich am Mittwoch den ersten Teil meines von der Mercator-Stiftung geförderten Forschungsprojekts an der Universität Duisburg-Essen zu "Islamfeindlichkeit im Jugendalter" in Berlin vorgestellt. Darin kommen meine Kollegen und ich unter anderem zu dem Kernergebnis, dass eben solche schrägen medialen Diskurse eine zentrale Grundlage für ablehnende Haltungen gegenüber dem Islam bereits in jungen Jahren sind.

Gästeauswahl untermauert Islamfeindlichkeit

Erst Anfang der Woche hatten wir die Diskussion über die ARD-Talkshow "Hart aber fair" mit Frank Plasberg zu Flüchtlingen und Kriminalität. Auch diese Redaktion musste sich massive Kritik wegen ihrer Themensetzung und des dabei benutzten Framings ihrer Ankündigung anhören. Anders aber als bei Herrn Plasberg wurde der islamfeindliche Deutungsrahmen bei Frau Maischberger durch die Auswahl der Gäste untermauert.

Neben besagter Necla Kelek nahmen Jan Fleischhauer und Julia Klöckner in der Runde Platz. Man fragt sich natürlich, was macht die Bundeslandwirtschaftsministerin bei dem Thema da. Aber Julia Klöckner wird ebenso wie der Spiegel-Journalist gemeinhin einem konservativen und eher islamkritischen Lager zugerechnet, was hinlänglich bekannt ist. Nichts gegen die beiden an sich.

Im Gegenteil. Sie sind eloquente und sympathische Persönlichkeiten, die Wichtiges und Richtiges zu sagen haben. Aber ihnen entgegengesetzt wurde mit Haluk Yildiz als muslimischer Repräsentant ein Vorsitzender einer wegen Nähe zum türkischen Nationalismus, zum Islamismus oder zur Homophobie umstrittenen Kleinstpartei wie der BIG, und eine "taz"-Redakteurin Bettina Gaus, die als fünfte im Bunde kaum weiter auffiel.

Eine echte Expertin, die von Maischbergers Redaktion selbst als renommierte Islamwissenschaftlerin etikettierte Professorin von der Freien Universität Berlin, Ulrike Freitag, wurde derweil im Livechat versteckt. Warum sitzt eine solche Frau nicht in der Talkrunde? Geht es denn gar nicht mehr um den Informationsauftrag?

Ich kann und will der Redaktion von Frau Maischberger und anderen Journalisten nicht vorschreiben, wie sie ihre Arbeit zu machen haben. Pressefreiheit ist ein hohes Gut und muss geachtet werden. Dennoch sehe ich mich als Wissenschaftlerin, als Betroffene und aufmerksame Beobachterin unseres Zusammenlebens genötigt, auch Medien davor zu warnen, bewusst oder unbewusst die Deutungsmuster von Rechtspopulisten zu übernehmen.

Politik-Talks brauchen Rückkehr zur Sachlichkeit

Wir befinden uns in einer gesellschaftlich immer angespannteren Lage, die das Potenzial hat, unsere Demokratie zu gefährden. An seriöse Medien im Allgemeinen und öffentlich-rechtliche im Speziellen möchte ich da einfach höhere Anforderungen stellen als an den Rest.

Die Polit-Talks sollten aus Eigeninteresse einmal innehalten, um zu mehr Sachlichkeit zu kommen, sonst rutschen sie immer tiefer in die Legitimationskrise. Wir brauchen mehr Stimmen der Vernunft im Konzert der Meinungen. Das alte Prinzip, Quote machen, indem man möglichst kontroverse Positionen aufeinander jagt, hat sich doch längst überlebt. Oder wer will dieses Spiel tatsächlich noch sehen, wenn man eine Wahl hätte?

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Es gibt so viele Themen, die so wichtig sind für unser Land, auch wenn sie nicht von Populisten aufgeblasen werden. Themen, die alle Menschen betreffen und nicht nur Teile der Bevölkerung oder Randgruppen wie Muslime, – als da wären Landflucht, Bildung, Gesundheit, Pflege, Straßen, E-Mobilität, Medienwandel, Digitalisierung, internationale Krisen, Europa, Kulturpolitik usw. Bei "Maischberger" jedoch gab es seit 2010 allein rund 40 Sendungen zu Islam und Flüchtlingen.

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Wie bei allen anderen prominenten Talkshows von ARD und ZDF führt dieser Themenkomplex mit jeweils Dutzenden Ausgaben die Listen der meist besprochenen Themen überdeutlich an. Sendungen zu Bildung oder Pflege indes kann man in den letzten Jahren an einer Hand abzählen. Bissig kommentierte der Dramaturg Björn Bicker: "ARD und ZDF – bei uns macht die AfD das Programm."

Frust der TV-Zuschauer wächst

Medienmacher sollten aus den Routinen ausbrechen und ihre erprobten Mechanismen hinterfragen. Seit Jahren tragen manche von ihnen den populistischen Diskurs mit. Hat das der Gesellschaft genützt? Wohl eher nicht. Die Polarisierung nimmt zu. Hat das ihren Arbeitgebern geholfen? Konnten sie Auflagen steigern, Quoten erhöhen? Vielleicht. Aber konnten sie dadurch auch ihre Legitimation festigen? Ganz im Gegenteil: Der Frust der Konsumenten ist größer geworden, wie die harschen Reaktionen auf "Hart aber fair" und "Maischberger" diese Woche überdeutlich gezeigt haben.

Bleibt zu wünschen, dass noch mehr Journalisten umdenken: Populisten können die Agenda nur bestimmen, wenn ausreichend viele Journalisten mitspielen. Medien dürfen Populisten nicht ausgrenzen, aber sie sollten sie nur entsprechend ihrer Bedeutung berücksichtigen und sie nicht künstlich vergrößern.

Bloß weil Menschen laut schreien, heißt das nicht, dass sie relevanter sind als andere. 13 Prozent haben die AfD im Herbst gewählt. Was ist mit der überwältigenden Mehrheit des Rests? Will man den verprellen? Könnte man bei diesen 87 Prozent nicht auch aus medienökonomischer Sicht viel mehr Rendite einstreichen?

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