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Demo in Kandel nach Mord an Mia: Die AfD und die Frauen


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Demo nach Tod von 15-Jähriger
Woher kommt das "Frauenbündnis" von Kandel?

  • Lars Wienand
MeinungEine Spurensuche von Lars Wienand

30.01.2018Lesedauer: 5 Min.
Der Demonstrationszug zieht durch Kandel. Die AfD in Rheinland-Pfalz hatte zunächst vor der Teilnahme gewarnt, lobte aber danach.Vergrößern des Bildes
Der Demonstrationszug zieht durch Kandel. Die AfD in Rheinland-Pfalz hatte zunächst vor der Teilnahme gewarnt, lobte aber danach. (Quelle: Julia Weber/dpa)

Ein "Frauenbündnis" soll Veranstalter einer öffentlichkeitswirksamen Kundgebung in Kandel sein. Doch wer zieht die Fäden? Und was hat die AfD damit zu tun?

Nach dem Mord an einer 15-Jährigen in Kandel in Rheinland-Pfalz hat ein ominöses "Frauenbündnis" dort eine Demonstration organisiert. Wer dahinter steckt, ist unklar – aber auch Politikerinnen der AfD waren dort engagiert.

Wer steckt hinter diesem Bündnis? Und was hat die AfD damit zu tun?

Offiziell hatte sich der Chef des AfD-Landesverbandes, Uwe Junge, von der Veranstaltung distanziert. Es sei zu befürchten, hatte er in einer Nachricht die Mitglieder gewarnt, "dass die gute Absicht vieler ehrlich empörter Bürgerinnen (...) durch NPD und andere rechtsextreme Parteien genutzt werden soll, um rechtsradikale Stimmung zu machen." Auch Vertreter dieser Parteien waren erwartet worden und kamen auch.

Doch auch AfD-Größen aus anderen Gegenden strömten dorthin.

"Deutschland über alles"-Gesänge

Einen Monat zuvor war dort in einem Drogeriemarkt eine 15-Jährige mit einem Messer getötet worden – von einem afghanischen Flüchtling, nachdem sie mit ihm Schluss gemacht hatte. Der Fall erschüttert Menschen deutschlandweit – und dient zur Mobilisierung gegen echte, empfundene und erfundene Missstände in der Asylpolitik.

Deshalb hatten sich auch polizeibekannte Aktivisten und Hooligans angekündigt. Die NPD gab ihre Visitenkarte ab, Mitglieder der extremen Parteien "Dritter Weg" und "Die Freiheit" reihten sich ein. Doch 40 Ordner setzten durch, dass die Veranstaltung auch ein bürgerliches Bild abgab.

Von der NPD auf Twitter verbreitete "Deutschland, Deutschland über alles"-Gesänge würgten sie schnell ab, gingen Zeugen zufolge entschieden vor, wenn der Hitlergruß gezeigt wurde. Und die Demo führten Frauen hinter einem Banner an.

Nachdem die befürchteten skandalösen Bilder weitgehend ausgeblieben waren, und Uwe Junge wegen seiner Zurückhaltung aus den eigenen Reihen als "Systempolitiker" geschmäht worden war, änderte er seine Haltung. Mittlerweile lobt er die Kundgebung.

Björn Höcke gratulierte den "Freunden" von einer Parallel-Veranstaltung in Erfurt aus.

Frauen bleiben anonym – "wegen Drohungen"

Aber hat die AfD auch mit der Veranstaltung zu tun? Die örtliche AfD war in die Organisation nicht eingebunden, dafür redete die baden-württembergische AfD-Landtagsabgeordnete Christina Baum. Die schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein demonstrierte mit. Doch wer das "Frauenbündnis" ist, ist völlig unklar. Es gibt keine Namen.

"Sie haben keine Lust, bedroht zu werden", sagt die frühere AfD-Landesvize Christiane Christen zu t-online.de, die am Tag der Beisetzung des toten Mädchens mit Sayn-Wittgenstein eine "Mahnwache" am Kandeler Rathaus hielt. Tatsächlich gibt es Drohungen, auch gewalttätige Übergriffe auf AfD-Politiker sind dokumentiert.

Auch sie selbst werde bedroht, so Christen, die sich ins Zeug gelegt hatte, die von Junge boykottierte Veranstaltungen zu bewerben. Zu den eigentlichen Organisatoren, das seien etwa 15 Frauen, gehöre sie nicht. "Ich saß nicht mit am Tisch", sagt sie. In der ersten Reihe der Demo stand sie dennoch – wie auch die Abgeordnete Christiane Baum und mindestens eine weitere AfD-Funktionärin.

Mehrere Organisationen, gleiche Adresse

Die von Christiane Christen gegründete Facebook-Seite "AfD-Politik für Frauen" bewarb die Veranstaltung rege und zeigte Fotos von "Mahnwachen" vor dem Rathaus. Auf dieser Seite wurde auch um Spenden für einen Verein "Bürger-Wille" geworben. Der hat seine Adresse in den Räumen ihrer Werbeagentur in Speyer.

Gespendet werden soll über den Verein an eine Initiative, deren Homepage auch von ihrer Agentur registriert ist: "Kandel ist überall" heißt die, das war auch das Motto, das auf dem professionellen Banner bei der Demo vorne weg getragen wurde. "Man muss ja nicht warten, bis es auch vor der eigenen Haustür das erste Opfer gibt", sagt sie. Opfer vor bald jeder Haustür – das ist ein gängiges AfD-Narrativ.

Der Versammlungsleiter der Demo, der Karlsruher Marco Kurz, hat mit solchen Szenarien bisher erfolglos versucht, 500.000 Menschen für einen "Marsch 2017" nach Berlin zu motivieren, nach dem Bundeskanzlerin Merkel dann nach seiner Vorstellung zurücktreten müsste. Er engagiert sich in Kandel sehr, wo noch weitere Demos geplant sind – auch von der örtlichen AfD.

"Vom Frauenbündnis beauftragt"

Der Karlsruher Kurz hatte schon "persönlich zu einer privaten und unpolitischen Gedenkveranstaltung" am 2. Januar eingeladen, zu der bereits 600 Menschen gekommen waren. Unterstützt hatte ihn die neurechte Initiative "EinProzent". Das Frauenbündnis gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Trotzdem wird die Demo von Sonntag inzwischen in Unterstützerkreisen als bereits zweiter Erfolg des "Frauenbündnisses" ausgegeben.

Christen behauptet das nicht. Sie sagt aber, Kurz sei vom Frauenbündnis mit der Versammlungsleitung am Sonntag beauftragt worden. In einer vom Bündnis verbreiteten Erklärung hieß es auch, die Frauen seien auf die Organisationen "Der Marsch 2017" und "EinProzent" zugekommen. Auf eine Anfrage von t-online.de kam keine Antwort. Kurz erklärt sich in Facebook-Postings nur zum Helfer dieses "Frauenbündnisses".

Bei weiblichen Wählern haben AfD-Botschaften bisher deutlich weniger verfangen als bei Männern. Dabei denke die AfD doch als einzige Partei wirklich an die Ängste der Frauen, gibt Christen zu Protokoll. Ängste wie sie der Fall in Kandel wecken oder verstärken. Inzwischen bereitet auch die kurdisch-stämmige AfD-Politikerin Leyla Bilge einen "Frauenmarsch auf das Kanzleramt" vor, in Bottrop ist im März eine Demo "Mütter gegen Gewalt" geplant.

Christen hat mit der Zwickauer AfD-Kreisvorsitzenden Janin Klatt-Eberle, einer Pegida-Unterstützerin, die Facebookseite "AfD-Politik für Frauen" angelegt. "Inoffiziell", wie vieles bei der AfD. Bereits vor dem Mordfall von Kandel gab es sie, nennenswert Fans hat sie erst seither gewonnen.

Mahnwachen vor dem Rathaus zogen Kreise

Fast täglich war dort neben Meldungen von Übergriffen auch Christens Freundin Myriam Kern zu sehen: Fotografiert bei ihren "Mahnwachen" vor dem Rathaus von Kandel. Als AfD-Ratsfrau von Landau war Kern 2015 zurückgetreten, nachdem es auf einen offenen Brief Empörung und nach eigenen Angaben auch Drohungen gehagelt hatte. Sie hatte Bürgermeister im Land aufgefordert, "endlich Widerstand zu leisten und für unsere Sicherheit und Ordnung einzutreten, sonst müssen wir Bürger dies übernehmen".

Der Kinderschutzbund meldete sich und warf ihr "Stimmungsmache unter dem Deckmantel der Kinderrechte" vor. Sie hatte auch Lehrer um der Sicherheit Willen zum Streiken aufgefordert, sollten Turnhallen mit Flüchtlingen belegt werden.

Nachdem Kerns Mahnwachen-Aktion am Rathaus Kreise zog und sie auch vom ZDF gefilmt wurde, gesellten sich auf neuen Fotos immer wieder andere Frauen dazu. Frauen, die in Kandel aber nicht bekannt sind. 17 "Mahnwachen" gab es nach eigenen Angaben vor dem Rathaus.

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Der SPD-Bürgermeister von Kandel, der am Sonntag bei einer Gegendemonstration dabei war, ließ den Eingang irgendwann abschließen, das Rathaus hat einen zweiten. Strom und Toiletten für die Demo des "Frauenbündnisses" gab es von der Kommune auch nicht. Der Bürgermeister stand bei den Gegendemonstranten.

Bei der Szene, die Teilnehmer der Demo als "Gänsehaut-Moment" beschrieben, waren dann Männer auch weitestgehend unter sich. Versammlungsleiter Kurz benannte mit anderen Mitgliedern von "Marsch 2017" symbolisch einen Platz nach der getöteten 15-Jährigen und schraubte ein Schild mit ihrem vollen Namen an. Die örtliche Tageszeitung "Rheinpfalz" attestierte den "Versuchen der Versammlungsleitung wenig Erfolg, so etwas wie eine Verankerung vor Ort zu simulieren".

Quellen und weiterführende Informationen:

- Eigene Recherchen
- "Rheinpfalz"-Bericht über die Demo
- Die Demonstration im Stream

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