Tödliche Auto-Attacke Anschlag in München: Hinweise auf Turbo-Radikalisierung
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Die Ermittler vermuten ein religiöses Motiv. Kann es wirklich sein, dass sich der Täter innerhalb von Wochen radikalisiert hat?
Auch nach einer Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestages bleiben Fragen zum Tatmotiv des jungen Mannes, der in München vergangene Woche den Anschlag auf eine Gewerkschafts-Demo verübt hat. "Der Erkenntnisgewinn der heutigen Sitzung war wegen der geringen Ermittlungszeit erwartbar gering", sagt die FDP-Abgeordnete, Ann-Veruschka Jurisch. Es wäre aus ihrer Sicht besser gewesen, später zusammenzukommen.
Bei der Attacke in München war am Donnerstag vergangener Woche ein 24-jähriger Afghane mit seinem Auto in einen Verdi-Demonstrationszug gefahren. Ein zweijähriges Mädchen und seine 37 Jahre alte Mutter wurden so schwer verletzt, dass sie am Samstag im Krankenhaus starben. Mindestens 37 weitere Menschen erlitten Verletzungen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nahm gemeinsam mit BKA-Vizepräsident Jürgen Peter aus Wiesbaden per Video an der Sitzung teil. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) ließen sich zuschalten.
Nach der Sitzung erklärt Faeser in einer Mitteilung, in solchen Fällen seien harte Strafen und eine Abschiebung direkt aus der Haft zwingend geboten. Gleichzeitig sei wichtig: "Das Leid der Opfer darf keinesfalls für Stimmungsmache missbraucht werden." Die 25 Millionen Menschen mit ausländischen Wurzeln seien ein fester und wertvoller Teil der deutschen Gesellschaft.
Religiöses Motiv vermutet
Die Ermittler gehen weiter davon aus, dass die Tat des gläubigen Muslims einen religiösen Hintergrund hat. Radikalisiert haben soll sich der spätere Attentäter nach ersten Erkenntnissen wohl erst ab dem vergangenen Oktober. Seit Freitag sitzt er in Untersuchungshaft. Aufgrund der besonderen Bedeutung des Falls hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen.
Der Afghane, der Ende 2016 als Minderjähriger ohne seine Eltern nach Deutschland gekommen war, beantragte im Februar 2017 Asyl. Der Antrag war ebenso erfolglos wie eine spätere Klage gegen den Ablehnungsbescheid. Im April 2021 erteilte ihm die Stadt München eine Duldung und im Oktober 2021 einen Aufenthaltstitel.
Zwar wurde bis wenige Wochen vor der Machtübernahme durch die islamistischen Taliban im Sommer 2021 noch nach Afghanistan abgeschoben. Der letzte deutsche Abschiebeflug vor dem Machtwechsel ging am 6. Juli 2021 nach Kabul. Der Fokus lag damals aber auf Straftätern, Identitätstäuschern und als gefährlich eingestuften Islamisten. Der spätere Attentäter zählte damals zu keiner dieser Kategorien.
Täter vorab nicht auffällig
Laut Herrmann war der Täter vorab nicht auffällig gewesen. Er war religiös, betete und ging regelmäßig in eine Moschee, die laut Staatsanwaltschaft nicht für extremistische Prediger bekannt ist. Der junge Afghane machte den Mittelschulabschluss, begann eine Ausbildung im Einzelhandel. Ein Abschlusszeugnis finde sich nicht in den Akten, sagte Oberbürgermeister Reiter auf Nachfragen von Abgeordneten. Ob die Dokumentation hier lückenhaft sei, oder er die Ausbildung tatsächlich abgebrochen habe, wisse man nicht, betont FDP-Politiker Manuel Höferlin.
Später arbeitete er für eine Sicherheitsfirma als Ladendetektiv, wofür eine Sicherheitsüberprüfung notwendig ist. In sozialen Medien zeigte er sich als Bodybuilder, der auch an Wettkämpfen teilnahm. Er verbreitete auch islamische religiöse Inhalte. In seiner Vernehmung habe der Afghane eingeräumt, "bewusst in die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Demonstrationszugs gefahren zu sein", hieß es kurz nach der Tat von der bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus.
Fragen zu Sicherheitskonzepten für Demonstration
Die Abgeordneten erfuhren nach eigenen Angaben, dass es bei der Absicherung der Gewerkschaftsdemonstration mit zwei Polizeifahrzeugen vor allem um die Regelung des Verkehrs gegangen sei, nicht um eine mögliche Terrorgefahr. Es sei nun notwendig, dass in kurzer Frist geschaut werde, wie man solche Demonstrationen in Zukunft noch besser absichern könne, sagt Konstantin von Notz (Grüne).
Er und die Unions-Innenpolitikerin Andrea Lindholz sind sich jedoch einig, dass hundertprozentige Sicherheit bei Demonstrationszügen und Faschingsumzügen nicht möglich sei. "Man kann nicht jede Seitenstraße abriegeln, das funktioniert nicht", sagt die CSU-Politikerin.
- Nachrichtenagentur dpa